OGH 11Os203/82

OGH11Os203/822.2.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Februar 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mangi als Schriftführers in der Strafsache gegen Ernst A wegen des Vergehens der Unterschlagung nach dem § 134 Abs. 1 und Abs. 3 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 6. April 1982, GZ. 2 a Vr 5.070/80-82, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Peisteiner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittellverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22.Februar 1940 geborene Maler und Anstreicher Ernst A des Vergehens der Unterschlagung nach dem § 134 Abs. 1 und Abs. 3 StGB. schuldig erkannt, weil er sich im Dezember 1978 in Wien ein fremdes Gut, nämlich einen dem John Thomas B gehörigen Brillantring im Wert von mindestens 13.000 S, den er gefunden hatte, mit dem Vorsatz zueignete, sich unrechtmäßig zu bereichern, indem er diesen Ring von einem Juwelier verbessern ließ und ihn danach verpfändete.

Das Erstgericht erachtete den Anklagevorwurf, der Angeklagte habe diesen Ring und weitere Sachen bei Arbeiten im Haus des Eigentümers gestohlen, für nicht erwiesen, sondern folgte der Verantwortung des Angeklagten, den Brillantring auf der Straße gefunden und für sich behalten zu haben; demgemäß wurde er in Ansehung des Diebstahls der übrigen Sachen gemäß dem § 259 Z. 3 StPO. (rechtskräftig) freigesprochen.

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 5, 8, 9 lit. a und lit. b des § 281 Abs. 1 StPO.

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Durch die Verurteilung wegen Vergehens der Unterschlagung anstatt wegen Diebstahls wurde die Anklage nicht überschritten: Auch wenn der Anklagevorwurf auf Wegnahme der zugeeigneten Sache aus fremdem Gewahrsam gelautet hatte, blieb die Identität der unter Anklage gestellten mit der dem Schuldspruch zugrundeliegenden Tat gewahrt (vgl. SSt. 6/52 u.a.). Das Gericht ist zwar gemäß den §§ 262, 267 StPO. an die Anträge des Anklägers insoweit gebunden, als es den Angeklagten nicht einer Tat schuldig erklären darf, auf welche die Anklage weder ursprünglich gerichtet war, noch während der Hauptverhandlung ausgedehnt wurde. Dies bedeutet jedoch nicht, daß es auch an die Auffassung des Anklägers vom konkreten Ablauf jeder einzelnen Phase eines von ihm verfolgten Vorganges gebunden wäre. Vielmehr ist es Pflicht des Gerichtes, den Sachverhalt klarzustellen und alle für den Deliktserfolg wesentlichen Tatsachen zu erheben. Eine von der Anklage abweichende beweismäßige oder rechtliche Beurteilung kann demnach - wie hier - auch dazu führen, daß im Urteil Umstände berücksichtigt werden, die in den Anklagegründen nicht enthalten sind, weil sie dem Ankläger - aus seiner Sicht - unerheblich schienen oder erst nachträglich hervorkamen. Wenn das Schöffengericht daher zur überzeugung gelangte, daß der Angeklagte den in Rede stehenden Ring zwar nicht zum Nachteil des John Thomas B stahl, wohl aber fand und ihn sich in der Folge rechtswidrig zueignete, war es nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, einen Schuldspruch wegen Unterschlagung zu fällen.

Auf das Vorbringen der Verteidigung im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung, es sei in der Hauptverhandlung vor dem Erstgericht die im § 262 StPO. vorgesehene Anhörung über den geänderten rechtlichen Gesichtspunkt unterblieben, hatte der Oberste Gerichtshof nicht einzugehen, weil dieser Umstand in der Beschwerde nicht als Nichtigkeitsgrund geltend gemacht worden war.

Zu Unrecht reklamiert der Beschwerdeführer aber auch Straflosigkeit wegen tätiger Reue mit der Begründung, den gesamten Schaden gutgemacht zu haben, bevor die Behörde von seinem Verschulden Kenntnis erlangt habe, weil er den gefundenen und im Dorotheum verpfändeten Brillantring am 19.März 1979 wieder ausgelöst und dem Fundamt zur Verfügung gestellt habe. Rechtzeitig ist eine Schadensgutmachung nämlich nur, wenn sie der Täter leistet, bevor die Behörde (§ 151 Abs. 3 StGB.) von seinem Verschulden erfahren hatte, d.h. bevor sie in den Besitz von Informationen gelangt war, die gegen ihn den dringenden Verdacht der Begehung einer hinreichend konkretisierten Straftat begründen, auf die sich die Wiedererstattung bezieht (vgl. ÖJZ-LSK. 1978/91).

Es genügt, wenn die Behörde von Tatsachen erfährt, die den Verdacht begründen, der Täter sei an einem bestimmten Vermögensdelikt in strafbarer Weise beteiligt; Kenntnis aller für die rechtliche Beurteilung der Tat in der einen oder anderen Richtung maßgebenden - im vorliegenden Fall also speziell auf eine Unterschlagung hindeutenden - Umstände ist nicht erforderlich. Für die Rechtzeitigkeit einer Schadensgutmachung unwesentlich ist auch, ob die Behörde bereits in dieser oder jener Richtung ermittelte; eines vorherigen Tätigwerdens der Behörde in Form von Erhebungen bedarf es den Beschwerdeausführungen zuwider nicht (vgl. ÖJZ-LSK. 1978/92).

Geht man davon aus, ist nach den Urteilsfeststellungen (vgl. S. 444 f. d.A.) tätige Reue mangels Rechtzeitigkeit der Rückerstattung des gefundenen Diebsgutes auszuschließen. Zwar verlief die erste Befragung des zum mutmaßlichen Täterkreis des Diebstahls gehörigen Ernst A am 27.Jänner 1979 zunächst ergebnislos (vgl. S. 77 d.A.). Nachdem er jedoch am 9. und 12.März 1979 von zwei Arbeitskollegen in polizeilichen Vernehmungen der Tat verdächtigt worden war, denen er erzählt hatte, einen Brillantring gefunden und einem Juwelier zur Ausbesserung oder Umarbeitung gegeben zu haben, der ihn mit 13.000 S eingeschätzt habe (vgl. S. 85, 93 d.A.), - also sogar dem Inhalt nach (wenngleich mit der Vermutung verknüpft, er wäre der Dieb) einer Unterschlagung bezichtigt worden war - wurde der Angeklagte am 12. März 1979 von der Sicherheitsbehörde neuerlich zum Sachverhalt vernommen. Bei dieser Vernehmung gestand er sodann - im Gegensatz zu seiner späteren, nur bezüglich einer Unterschlagung geständigen Verantwortung -, den Diebstahl zum Nachteil des John Thomas B begangen zu haben (vgl. S. 97 d.A.). Erst daraufhin löste er über Anraten (seines Bewährungshelfers) den inzwischen im Dorotheum verpfändeten Ring aus und stellte ihn am 19.März 1979 dem Fundamt zur Verfügung. Eine (mittelbare) Schadensgutmachung (durch Erlag beim Fundamt) wurde somit erst vorgenommen, nachdem die Behörde vom Verschulden des Angeklagten erfahren hatte. Der Strafaufhebungsgrund des § 167

StGB. kommt ihm daher nicht zustatten.

Soweit sich der Beschwerdeführer jedoch unter dem Gesichtspunkt

eines Begründungsmangels im Sinn der Z. 5

des § 281 Abs. 1 StPO. gegen die Urteilsannahme wendet, er habe den Brillantring des John Thomas B am 14.Dezember 1978 gefunden, übersieht er, daß die Feststellung des genauen Tatzeitpunktes nicht entscheidungswesentlich und zudem in seinen eigenen Angaben gedeckt ist (vgl. S. 167 d.A.). Ebensowenig ist es rechtlich von Bedeutung, ob der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt wußte, wem der Ring gehört, weil § 134 StGB. in seinem (hier allein in Betracht kommenden) ersten Deliktsfall nur voraussetzt, daß der Täter - wie hier der Angeklagte - eine verlorene (nicht derelinquierte) fremde, d.h. nicht in seinem Vermögen stehende Sache, die er gefunden hat, mit Zueignungsvorsatz und Bereicherungstendenz in sein Vermögen oder das eines Dritten überführt (vgl. S. 448 d.A.). Auch insoweit haftet dem Urteil weder ein Rechtsirrtum noch ein auf unrichtiger Gesetzesauslegung beruhender Feststellungsmangel an.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ernst A war sohin zu verwerfen.

Das Landesgericht verurteilte den Angeklagten nach dem § 134 Abs. 3 StGB. unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31

und 40 StGB. auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.Februar 1981, GZ. 2 a Vr 5.070/80-61

(im Strafausspruch abgeändert durch das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 9.September 1981, GZ. 11 Os 130/81-8) zu einer (Zusatz-) Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 70 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 90 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe. Es wertete bei der Strafbemessung die zahlreichen einschlägigen, auch die Voraussetzungen des § 39 StGB. erfüllenden Vorstrafen des Angeklagten als erschwerend, das Geständnis und die objektive Schadensgutmachung als mildernd; es zog bei seinen Erwägungen zur Verhängung einer (primär angedrohten) Geldstrafe auch den Umstand in Betracht, daß die Tat schon jahrelang zurückliegt.

Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung der Zahl der Tagessätze und der Höhe des Tagessatzes, letzten Endes aber auch das Absehen von der Verhängung einer Zusatzstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Das lange Zurückliegen der Tat, auf das die Verteidigung im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung besonderen Wert legte, wurde vom Erstgericht - wie dargetan -

ohnedies nicht übergangen und dem Gewicht nach zutreffend als Strafzumessungskomponente berücksichtigt.

Das Strafausmaß jener Verurteilung, auf die bereits das Erstgericht Rücksicht nahm, wurde vom Obersten Gerichtshof in seiner oben erwähnten Rechtsmittelentscheidung den Besonderheiten der damals zur Beurteilung stehenden Tat entsprechend ausgemessen. Damit wird der Schuld- und Unrechtsgehalt der nun abgeurteilten Tat nicht abgegolten.

Die vom Erstgericht gewählte Strafe erscheint dem Obersten Gerichtshof maßvoll und dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schuld des Täters entsprechend. Auch unter Beachtung einer weiteren, aus der vom Obersten Gerichtshof eingeholten Strafregisterauskunft ersichtlichen Verurteilung des Angeklagten vom 29.September 1982 (AZ. 16 U 1.448/82 des Strafbezirksgerichtes Wien) ist eine Herabsetzung des Strafausmaßes nicht am Platz.

Die Höhe des Tagessatzes, gegen die der Berufungswerber im übrigen konkret und fallbezogen nichts vorbrachte, wurde vom Erstgericht zutreffend bestimmt.

Auch der Berufung war somit ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung ist in der im Spruch genannten Gesetzesstelle verankert.

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