OGH 2Ob272/82

OGH2Ob272/821.2.1983

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Scheiderbauer sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Julius T*****, vertreten durch Dr. Hans Widerin, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die beklagten Parteien 1.) Max O*****, 2.) Firma M***** Gesellschaft m.b.H., *****, und 3.) W*****, alle vertreten durch Dr. Guntram Lins, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen 73.335,59 S sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 10. November 1982, GZ 5 R 298/82-25, womit infolge Berufung der klagenden und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 2. August 1982, GZ 3 Cg 1472/81-19, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:

„Die Klagsforderung besteht mit dem Betrage von 21.121,38 S zu Recht.

Die Gegenforderung besteht bis zur Höhe dieser Klagsforderung zu Recht.

Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger den Betrag von 73.335,59 S sA zu bezahlen, wird daher abgewiesen.“

Der Kläger hat den beklagten Parteien binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution die Kosten des Verfahrens in allen Instanzen zu ersetzen, und zwar:

a) des Verfahrens in erster Instanz: 17.986,34 S (darin 1.032,01 S Umsatzsteuer und 4.054,20 S Barauslagen),

b) des Berufungsverfahrens: 5.380,40 S (darin 374,84 S Umsatzsteuer und 320 S Barauslagen),

c) des Revisionsverfahrens: 2.747,65 S (darin 167,97 S Umsatzsteuer und 480 S Barauslagen).

Text

Entscheidungsgründe:

Am 25. 6. 1980 ereignete sich auf der Bundesstraße 193 im Ortsgebiet von N***** ein Verkehrsunfall, an dem der von Julius T***** jun - einem Sohn des Klägers - gesteuerte, dem Kläger gehörende und von ihm gehaltene Traktor, Kennzeichen V *****, und der vom Erstbeklagten gelenkte, von der zweitbeklagten Partei gehaltene und bei der drittbeklagten Partei gegen Haftpflicht versicherte PKW VW-Kombi, Kennzeichen V *****, beteiligt waren.

Der Kläger begehrte Zahlung von 73.335,59 S sA wegen Alleinverschuldens des Erstbeklagten am Unfall; der Erstbeklagte sei durch Alkohol beeinträchtigt gewesen und habe falsch bzw verspätet reagiert.

Die Beklagten beantragten Klagsabweisung und behaupteten, dass das Alleinverschulden am Unfall den Traktorlenker Julius T***** jun treffe, weil dieser vorschriftswidrig an einem auf seiner Fahrbahnseite stehenden Omnibus vorbeigefahren und hiebei auf die Fahrbahnseite des ihm entgegenkommenden Erstbeklagten geraten sei. Der am Fahrzeug des Erstbeklagten entstandene Sachschaden von 45.000 S werde zur Aufrechnung eingewendet.

Das Erstgericht entschied, dass die Klagsforderung mit 28.148,51 S und die Gegenforderung mit 15.000 S zu Recht bestehe, und verurteilte demzufolge die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Bezahlung von 13.148,51 S samt 4 % Zinsen seit 12. 12. 1981; das Mehrbegehren einschließlich des Zinsenmehrbegehrens wurde abgewiesen.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Streitteile in der Hauptsache nicht und der Berufung der beklagten Parteien nur im Kostenpunkt teilweise Folge.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts „seinem gesamten Inhalt nach“ erheben die beklagten Parteien Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der kostenpflichtigen Klagsabweisung.

Der Kläger, der eine Revisionsbeantwortung erstattete, beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise gerechtfertigt.

Dem angefochtenen Urteil liegt der Sachverhalt zugrunde, wie er auf den Seiten 5 bis 9 der Ausfertigung (= Seite 125 bis Seite 129 des Aktes) wiedergegeben wird.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass beiden Fahrzeuglenkern ein Verschulden zur Last falle. Der Erstbeklagte hätte die Gefahrenlage bereits 6 Sekunden vor der Kollision erkennen und den Unfall bei sofortiger Reaktion mit einem leichten Abbremsen verhindern können. Die Reaktionsverzögerung von 4,5 Sekunden sei als grobes Fehlverhalten zu beurteilen. Demgegenüber hätte Julius T***** jun am stehenden Omnibus nur dann vorbeifahren dürfen, wenn ein rechtzeitiges Einordnen auf die eigene Fahrbahnhälfte gesichert gewesen wäre. Dies sei nicht der Fall gewesen. Julius T***** jun müsse auch der Vorwurf gemacht werden, seinen Traktor nach dem Auftauchen des Gegenfahrzeugs nicht sofort angehalten zu haben, sondern stattdessen weitergefahren und in einer Position neben dem Omnibus stehengeblieben zu sein, in der er die dem Gegenverkehr vorbehaltene Fahrbahnhälfte blockiert habe. Das Verschulden des Erstbeklagten überwiege jenes des Julius T***** jun in einem Ausmaß, dass eine Schadensteilung im Verhältnis von 2 : 1 zum Nachteil der Beklagten gerechtfertigt sei.

Das Berufungsgericht erachtete das erstgerichtliche Verfahren als mängelfrei und übernahm den festgestellten Sachverhalt als unbedenklich. Es billigte auch die vom Erstgericht vorgenommene rechtliche Beurteilung mit dem Zusatz, dass auf Seiten der beklagten Parteien noch die Alkoholisierung des Erstbeklagten als erschwerend zu berücksichtigen sei.

Im Revisionsverfahren umstritten ist nur die Verschuldensteilung. Die Revisionswerber rücken dabei das fehlerhafte Verhalten des Traktorlenkers in den Vordergrund. Hingegen habe der Erstbeklagte nach dem Vertrauensgrundsatz nicht damit rechnen müssen, dass der Traktorlenker falsch reagieren und die linke Fahrbahnhälfte zur Gänze blockieren werde. Er hätte auch nicht erkennen „müssen“, dass die Fahrbahn verstellt werde und ihre rechtzeitige Räumung nicht mehr zu erwarten sei.

Der Revision kann insoweit nicht beigepflichtet werden. Die Frage, ob der Erstbeklagte mit dem Blockieren seiner Fahrbahnhälfte durch den entgegenkommenden Traktorzug hätte rechnen „müssen“, wurde von den Vorinstanzen aufgrund des festgestellten Sachverhalts zu Recht bejaht. Fest steht nämlich, dass der Erstbeklagte spätestens 6 Sekunden vor der Kollision, als er sich mit seinem Fahrzeug noch rund 66 m vor der Kollisionsstelle befand, hätte erkennen können, dass die Zugmaschine des Klägers auf seine Fahrbahnhälfte „einzufahren“ im Begriffe war. Ferner steht fest, dass der Erstbeklagte erst rund 1,5 bis 1,6 Sekunden vor der Kollision den Traktorzug „als Gefahr erkannte“ und darauf mit Bremsen und Rechtsauslenken reagierte. Diese grobe Unaufmerksamkeit des Erstbeklagten schließt daher eine erfolgreiche Berufung auf den Vertrauensgrundsatz (§ 3 StVO) aus (vgl ZVR 1975/107 uam). Am Verschulden des Erstbeklagten kann daher nicht gezweifelt werden. Dazu kommt noch, dass das im Zusammenhang mit einer Alkoholisierung stehende fehlerhafte Verhalten eines Beteiligten - nach der Aktenlage war der Erstbeklagte „mittelstark“ alkoholisiert (vgl die Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos B*****) - nach ständiger Rechtsprechung strenger als ein Verhalten ohne Alkoholbeeinträchtigung zu beurteilen (vgl ZVR 1982/204 uva) ist.

Dem Verschulden des Erstbeklagten gegenüber steht das Verhalten des Traktorlenkers, der gegen die Bestimmung des § 17 Abs 1 StVO 1960 verstoßen hat. Das Gewicht dieser Übertretung, das dem eines Überholens bei Gegenverkehr gleicht, wurde indes von den Vorinstanzen zu gering veranschlagt.

Dies hat zur Verschuldens- und Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1 und demnach zur Abänderung des angefochtenen Urteils mit dem Ergebnis der Klagsabweisung zufolge Aufrechnung zu führen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 bzw 41 und 50 ZPO.

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