OGH 2Ob256/82

OGH2Ob256/821.2.1983

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Scheiderbauer sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth N*****, vertreten durch Dr. Erich Schwarz, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) Adolf P*****, 2.) V*****, beide vertreten durch Dr. Friedrich Harrer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Leistung und Feststellung (Streitwert insgesamt 355.822,29 S sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. September 1982, GZ 1 R 167/82-54, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 8. Juni 1982, GZ 2 Cg 469/79-49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1.) den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil in seinem Ausspruch über das Feststellungsbegehren sowie im Kostenpunkt aufgehoben; im gleichen Umfang wird auch das Urteil des Erstgerichts aufgehoben und die Rechtssache an die erste Instanz zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

In diesem Umfang sind die Kosten des Revisionsverfahrens als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

2.) zu Recht erkannt:

Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben und das angefochtene Urteil als Teilurteil bestätigt.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt in diesem Umfang der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 7. 2. 1978 gegen 19:15 Uhr kam es im Kreuzungsbereich der Sterneckstraße mit der Bayerhammerstraße in Salzburg zu einem Verkehrsunfall zwischen dem von der Klägerin gelenkten und gehaltenen PKW VW sowie dem vom Erstbeklagten gelenkten und gehaltenen PKW Mercedes, behördliches Kennzeichen ***** (D), für den die Zweitbeklagte als Haftpflichtversicherer eintritt. Der Erstbeklagte missachtete im Zuge eines Linksabbiegemanövers den Vorrang des entgegenkommenden, von der Klägerin geradeaus gelenkten Fahrzeugs. Bei dem Unfall erlitt die Klägerin Verletzungen und es entstanden ihr Sachschäden. Das Alleinverschulden des Erstbeklagten an dem Unfall ist nicht mehr strittig.

Die Klägerin forderte nach mehrfachen Klagsausdehnungen und -einschränkungen zuletzt unter Berücksichtigung einer von der Zweitbeklagten geleisteten Zahlung von insgesamt 60.000 S an Schadenersatz 179.822,29 S sA und zwar rechnungsmäßig insgesamt 150.000 S Schmerzengeld und 50.000 S Verunstaltungsentschädigung, sowie eine monatliche Rente von 3.500 S sA ab 8. 2. 1978, und stellte auch ein Feststellungsbegehren. Sie brachte vor, dass sie als Folge der beim Unfall erlittenen Verletzungen, insbesondere der Kopfverletzung, noch immer arbeitslos sei und ihre völlige Wiederherstellung gar nicht abgesehen werden könne. So hätten sich bei ihr ein seelischer Schock, schwere Angstneurosen, verbunden mit Neigung zu Somatisierungen, Bewusstseinsstörungen mit cerebralen Ausfällen, Sprachstörungen, Lähmungserscheinungen am Oberkörper und den Beinen und Krämpfe eingestellt. Zudem sei im Gesicht bzw am Kopf ein entstellender Hautausschlag und eine Geschwulst aufgetreten.

Die Beklagten wendeten ein, dass mit der Zahlung von 60.000 S alle Ansprüche der Klägerin abgegolten seien. Insbesondere bestritten sie das Vorliegen von Folgeschäden im neurologisch-psychiatrischen Bereich.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab.

Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts wendet sich die Revision der Klägerin aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der vollständigen Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In ihrer Revisionsbeantwortung beantragen die Beklagten, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Das Erstgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Die Klägerin erlitt bei dem Verkehrsunfall einen typischen Speichenbruch der rechten Hand sowie ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma (Schädelprellung oder leichte Gehirnerschütterung). Der Speichenbruch wurde in örtlicher Betäubung eingerichtet und bis 14. 3. 1978 in einer Unterarmgipsschiene ruhig gestellt. Von Seiten der Bruchheilung trat keinerlei Komplikation auf. Anlässlich der letzten Behandlung des Speichenbruchs am 21. 4. 1978 war noch eine geringe Behinderung der Beweglichkeit der Hand- und Armgelenke mit mäßiger Schmerzhaftigkeit im Arm vorhanden. Der Speichenbruch heilte ohne Dauerfolgen ab und es ist auch nicht mit Spätfolgen zu rechnen. Durch diese Ausheilung ist auch eine volle Erwerbsfähigkeit, bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, gegeben. Auch die erlittene leichte Kopfverletzung, wodurch eine Gehirnkontusion, also eine organische Verletzung des Gehirns, nicht verursacht wurde, rief nur vorübergehende Störungen und Beschwerden hervor. Wegen dieser Verletzung ist für die Zukunft mit dem Auftreten unfallsbedingter Folgen nicht mehr zu rechen. Auch Spätkomplikationen sind nicht mehr zu erwarten und es bedingt auch diese Verletzung daher keine Beeinträchtigung der Klägerin in beruflicher Hinsicht. Insgesamt und zusammengefasst hatte die Klägerin wegen der beschriebenen Verletzungen einen Tag starke Schmerzen, 12 Tage mittelgradige Schmerzen und leichte, sowie abklingende Schmerzen etwa 30 Tage zu ertragen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Klägerin, bedingt und verursacht durch diesen Unfall, weitere Verletzungen, verbunden mit entsprechenden Schmerzen und Beschwerden, erlitten hat. Nach der Entlassung aus dem Unfallkrankenhaus wohnte die Klägerin, soweit nicht weitere Spitals- oder Heilbehandlungsaufenthalte folgten, teilweise allein in ihrer Wohnung, teilweise bei ihrer Mutter. Die Klägerin hatte, nach der Geburt ihres Kindes am 24. 5. 1975, den 3-jährigen Karenzurlaub in Anspruch genommen. Der erlittene Armbruch und die als unfallskausal festgestellte Schädelverletzung verursachten einen Heilungszeitaufwand von etwa 10 Wochen.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, dass die Klägerin zwar den Beweis für den erlittenen Armbruch und die leichte Schädelverletzung als Unfallsfolgen erbringen konnte, jedoch alle weiteren behaupteten und zumindest teilweise tatsächlich bei der Klägerin vorhandenen Krankheitsbilder von ihr nicht als unfallskausal hätten erwiesen werden können. Soweit der gegenständliche Rechtsstreit den Ersatz von Heilbehandlungskosten zum Gegenstand hatte, welche mit den als unfallskausal festgestellten Verletzungen der Klägerin in Zusammenhang standen, sowie den Ersatz von beschädigten oder durch den Unfall abhanden gekommenen Fahrnissen, seien die Beklagten verpflichtet, der Klägerin hiefür Ersatz zu leisten. Dies ergebe, die anerkannten Ersatzleistungen mit eingeschlossen, einen Betrag von 21.648,99 S. Die Ausmessung des Schmerzengeldes könne sich ebenfalls nur auf die als unfallskausal festgestellten Verletzungen und damit verbundenen Schmerzempfindungen körperlicher wie auch seelischer Art beziehen. Erwiesen sei aber lediglich, dass die Klägerin durch den Unfall einen folgenlos abgeheilten Armbruch und eine folgenlos abgeheilte leichte Kopfverletzung (Kopfprellung oder fragliche Gehirnerschütterung), somit relativ betrachtet, Verletzungen mäßigen Umfangs, welche voll ausgeheilt seien, erlitten habe. Zur Abgeltung dieser festgestellten und mit der Beschädigung der Klägerin verbundenen Unlustgefühle physischer und psychischer Art erachtete das Erstgericht ein Schmerzengeld von 30.000 S für angemessen. Die erwiesenen Verletzungsfolgen des Unfalls seien folgenlos abgeheilt und es sei auch für die Zukunft wegen dieser Verletzungen eine Beeinträchtigung der Klägerin, sei es in Form von Beschwerden, sei es in Form ihrer Verdienstmöglichkeiten, „auszuschließen“, weshalb das Feststellungsbegehren ebenfalls abzuweisen gewesen sei. Zum Rentenbegehren führte das Erstgericht aus, es sei erwiesen worden, dass die Klägerin soweit es die als unfallsbedingt festgestellten Verletzungen anbelange, höchstens über einen Zeitraum von 10 Wochen nicht in der Lage gewesen wäre, den ohnedies noch nicht aufgenommenen Beruf einer Taxilenkerin auszuüben. Sie habe dabei monatlich, infolge der erfolgten Einschränkung, 3.500 S als Verdienstentgang gefordert. Nun sei aber die Klägerin einerseits durch das nicht als unfallskausal erwiesene Krankheitsbild gar nicht in der Lage gewesen, diesen Beruf einer Taxilenkerin auszuüben, andererseits aber habe der Verdienstentgang für die den Beklagten anzulastenden höchstens 10 Wochen, selbst wenn der Klägerin der Beweis dafür gelungen wäre, dass dieser tatsächlich monatlich 3.500 S betragen hätte, höchstens bei 8.750 S gelegen sein können, wobei überdies ein damals offenkundig noch bezogenes Karenzgeld in Abzug zu bringen gewesen wäre. Es ergebe sich weiters unter Berücksichtigung der oben dargestellten Verpflichtungen der Beklagten zur Bezahlung von 30.000 S an Schmerzengeld und 21.648,99 S an sonstigen Schäden, dass die Zahlungsverpflichtung der Beklagten an die Klägerin 51.648,99 S sA betrage, wobei die Zweitbeklagte aber bereits tatsächlich 60.000 S bezahlt hätte. Im verbleibenden Überhang hätte demnach der angesprochene Verdienstentgang zur Gänze Deckung gefunden. Es verbleibe daher auch aus diesem Titel und wegen der bereits erfolgten Zahlungen der Beklagten kein Raum für einen Zuspruch. Das Klagebegehren sei daher im Hinblick auf die von der Beklagten bereits erbrachten Zahlungen abzuweisen gewesen.

Das Berufungsgericht erachtete das erstgerichtliche Verfahren als mängelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und billigte auch dessen rechtliche Beurteilung.

Unter dem Anfechtungsgrund nach § 503 Z 2 ZPO rügt die Klägerin als Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens die Unterlassung der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, als Mangel des Berufungsverfahrens die Unterlassung einer Beweiswiederholung durch Einvernahme eines weiteren Sachverständigen.

Die Entscheidung, ob ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen ist, gehört ebenso wie jene über die Durchführung einer Beweiswiederholung in das Gebiet der Beweiswürdigung. Die Klägerin vermag daher keinen Mangel des Verfahrens der Vorinstanzen aufzuzeigen, sondern unternimmt vielmehr den im Revisionsverfahren unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen.

Der Revisionsgrund nach § 503 Z 2 ZPO liegt daher nicht vor.

In der Rechtsrüge verweist die Klägerin zunächst auf ihre Berufungsausführungen; eine solche Verweisung ist aber unzulässig und für das Revisionsgericht unbeachtlich (vgl SZ 23/89 uva). Im Übrigen macht die Klägerin lediglich geltend, dass die vom Berufungsgericht angenommene Wahrscheinlichkeit einer unfallsunabhängigen Entwicklung der Neurose bzw Hysterie der Klägerin nicht ausreiche, sondern vielmehr diese Feststellung mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit hätte getroffen werden müssen.

Hiezu ist Folgendes zu bemerken: Das Erstgericht hat lediglich einen Speichenbruch der rechten Hand sowie ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma (Schädelprellung oder leichte Gehirnerschütterung) als unfallsbedingte Verletzungen der Klägerin als erwiesen angenommen. Hingegen hat es ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Klägerin den Beweis, dass alle weiteren von ihr behaupteten und als tatsächlich vorhanden festgestellten Krankheitsbilder durch den Unfall verursacht wurden oder mit dem Unfall in irgendeinem Zusammenhang stehen, nicht zu erbringen vermochte. Insbesondere habe die Klägerin nicht zu beweisen vermocht, dass ein Zusammenhang zwischen dem Unfall und den psychischen Störungen und Anfällen, die bei ihr aufgetreten sind, bestehe. Die Klägerin habe auch nicht die Auslösung einer anlagebedingt vorhandenen Neurose durch den Unfall zu beweisen vermocht. Die Klägerin habe auch weder eine unfallsbedingte Verunstaltung, noch eine auf den Unfall zurückzuführende Minderung der Erwerbsfähigkeit beweisen können.

Damit hat aber das Erstgericht den natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den nachher bei der Klägerin aufgetretenen Beeinträchtigungen, insbesondere den psychischen Störungen und Ausfallerscheinungen, verneint. Ob der natürliche Kausalzusammenhang gegeben ist oder nicht, ist eine Tatsachenfeststellung, die nicht revisibel ist (vgl Fasching IV, 338, Anm 43, SZ 51/66 ua). Da das Berufungsgericht die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts übernommen hat, ist das Revisionsgericht daran gebunden. Wird aber davon ausgegangen, dass der natürliche Kausalzusammenhang nicht vorliegt, stellt sich die Frage nach der juristischen Kausalität (Adäquanz) und damit auch nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit der unfallsunabhängigen Entwicklung der Neurose der Klägerin gar nicht. In der Ablehnung des über den Betrag von 30.000 S hinausgehenden Schmerzengeldanspruchs der Klägerin kann daher ebensowenig eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts erblickt werden, wie in der Ablehnung des Anspruchs auf Zuerkennung einer Verunstaltungs-entschädigung. Desgleichen begegnet auch die Auffassung, dass die übrigen Leistungsansprüche der Klägerin in der von der Zweitbeklagten geleisteten Zahlung von 60.000 S jedenfalls Deckung finde, und ihr daher weitere Leistungs- bzw Rentenansprüche nicht zustehen, keinen Bedenken. In diesem Umfang war daher der Revision nicht Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung als Teilurteil zu bestätigen.

Nicht beigepflichtet werden kann allerdings dem Berufungsgericht bezüglich der Bestätigung der Abweisung des Feststellungsbegehrens der Klägerin. Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist ein Feststellungsbegehren nur dann unberechtigt, wenn die Möglichkeit eines Folgeschadens mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden kann (vgl ZVR 1976/113 ua). Hinsichtlich der von den Vorinstanzen unbekämpft als Folgeschäden des Unfalls anerkannten Verletzungen der Klägerin, nämlich den Speichenbruch der rechten Hand sowie das leichte Schädel-Hirn-Trauma (Schädelprellung oder leichte Gehirnerschütterung) haben die Vorinstanzen festgestellt, dass mit dem Auftreten unfallsbedingter Spätfolgen „nicht mehr zu rechnen ist, bzw. Spätkomplikationen nicht mehr zu erwarten sind“. Aufgrund dieser Feststellungen kann aber über die Berechtigung des Feststellungsbegehrens derzeit noch nicht abschließend entschieden werden. Hiezu bedarf es vielmehr der ergänzenden Feststellung, ob hinsichtlich der genannten Verletzungen (Speichenbruch der rechten Hand und leichtes Schädel-Hirn-Trauma) die Möglichkeit des Auftretens von Folgeschäden mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden kann oder nicht. Im ersteren Fall wird das Feststellungsbegehren abzuweisen, in letzterem wird ihm stattzugeben sein.

Zur Vornahme dieser ergänzenden Feststellungen mussten somit die Urteile der Vorinstanzen im Ausspruch über das Feststellungsbegehren wegen der aufgezeigten Feststellungsmängel aufgehoben und die Rechtssache musste in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Aufhebungsentscheidung auf § 52 ZPO, hinsichtlich des Teilurteils auf den §§ 52 Abs 2, 392 Abs 2 ZPO.

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