Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 21. Dezember 1959 geborene beschäftigungslose Leopold A des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 1 StGB und der am 19. Juli 1952 geborene, gleichfalls beschäftigungslose Kurt B desselben Vergehens als Beteiligter durch sonstigen Tatbeitrag im Sinne der dritten Alternative des § 12 StGB schuldig erkannt. Nach den Urteilsannahmen hat Leopold A dem Karl C am 29. Mai 1982 in Wien durch einen Messerstich gegen die rechte Brustseite, sohin mit einem solchen Mittel und auf eine solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, eine 3 cm lange Stichwunde rechts oberhalb des Brustbeines zugefügt und ihn hiedurch vorsätzlich am Körper verletzt, und Kurt B zur Ausführung der strafbaren Handlung des Leopold A dadurch beigetragen, daß er ihm vor der Tat das Messer aushändigte.
Dieses Urteil bekämpfen beide Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerden; Leopold A macht die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10, Kurt B jene der Z 5, sowie 9
lit a und b des § 281 Abs. 1 StPO geltend.
Rechtliche Beurteilung
I./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Leopold A.
In seinen Ausführungen zum Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 5 StPO rügt der Beschwerdeführer zahlreiche Urteilsannahmen als aktenwidrig, undeutlich und unvollständig. Dabei läßt er allerdings außer acht, daß den von ihm aufgeworfenen Fragen, was Anlaß der Auseinandersetzungen zwischen dem Angeklagten B und dem Zeugen C im Cafe D war, wann das zur Tat verwendete Messer (wieder) in seinen Besitz gelangte (am Morgen des Tattages oder erst kurz vor der Tat), was sich vor dem Raufhandel im Kaffee 'D' und auf dem Weg ins 'E' abspielte, ob die Gäste des E wegen einer wörtlichen Auseinandersetzung aus dem Lokal verwiesen wurden oder dieses wegen der Bekanntgabe der Sperrstunde (freiwillig) verließen, ob die Tätlichkeiten zwischen B und dem Zeugen Karl C in einem bloßen Herumstossen oder auch im Austeilen von Faustschlägen bestanden, ob der Beschwerdeführer zur Tatzeit ein weißes Hemd oder ein weißes Leibchen trug, ob er Manuela F im 'E' bloß stieß oder auch ohrfeigte, und ob die beiden Angeklagten mit ihren Vorstrafen prahlten mit Rücksicht auf sein Eingeständnis, den Zeugen C durch einen Messerstich verletzt zu haben, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt. Allfällige Unrichtigkeiten könnten daher den behaupteten Nichtigkeitsgrund nicht herstellen.
Daß das Gericht den Angaben des Verletzten Karl C nur teilweise, nämlich insoweit Glauben schenkte, als diese mit der Aussage des einen günstigen Eindruck hinterlassenden Zeugen Peter G übereinstimmten, wird im Urteil unmißverständlich zum Ausdruck gebracht und es wird dieser Ausspruch auch denkrichtig begründet (S 252); demzufolge stellt es keinen inneren Widerspruch des Urteils dar, wenn das Gericht seine Feststellungen nur teilweise auf die Depositionen des Zeugen C stützt und andere Konstatierungen auf Aussagen von Zeugen gründet, die zur Aussage des C konträre Angaben machten. Im übrigen gehört die in der Beschwerde dem Sinne nach relevierte Frage nach der - auch nur teilweisen - Glaubwürdigkeit einer Aussage zum Bereich der (dem Gericht vorbehaltenen) freien Beweiswürdigung, die der Anfechtung durch Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist. Die Feststellung, daß der Stich wuchtig geführt wurde (S 249, 254), findet im Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. H Deckung (S 238).
Von einer 'Aktenwidrigkeit' dieser Annahme kann daher keine Rede sein. Daß das Messer trotz der Wucht des Stiches nicht tiefer in den Körper des C eindrang, führte das Gericht - wiewohl es davon sprach, daß diese Frage nicht zu klären sei - erkennbar doch auf das (von ihm für wahrscheinlich gehaltene) Abprallen vom Brustbein zurück (S 254). Den zumindest bedingten (S 249) bösen Vorsatz auf Seiten des Beschwerdeführers leitete das Gericht aus dem Tatgeschehen und dem Wissen des Angeklagten von der Wirkung eines wuchtig (in die Brust) gestoßenen Messers ab (S 252); ebenso hat es in übereinstimmung mit den Denkgesetzen alle (in der Beschwerde bekämpften) Feststellungen begründet, auf Grund deren es das Vorliegen einer Notwehr- oder Nothilfesituation auf Seiten des Beschwerdeführers verneinte (S 249, 252, 254, 255). Was sonst der Angeklagte A in seinen Ausführungen zum Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1
StPO in bezug auf den Tathergang und auf seinen Vorsatz vorbringt, stellt sich nach Inhalt und Zielsetzung als eine im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässige Schuldberufung und nicht als Mängelrüge im Sinne der oben zitierten Gesetzesstelle dar. Sein diesbezügliches Vorbringen erweist sich sohin als unbegründet. Es kann aber auch dem auf den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützten Einwand der Beschwerde, es sei zu Unrecht Lebensbedrohlichkeit der Waffe und der Tatausführung angenommen worden, weshalb die Tat rechtsrichtig nur dem § 83 Abs. 1 StGB zu unterstellen wäre, nicht gefolgt werden. Denn ein wuchtiger (S 238, 254) Stich gegen den Brustkorb, der mit einem Klappmesser geführt wird, dessen Klinge 10 cm lang und 1,5 cm breit ist (S 52, 248), kann zur Eröffnung großer Körperhöhlen und zur Verletzung lebenswichtiger innerer Organe führen, sodaß das Gericht die Tat mit Recht dem § 84 Abs. 2 Z 1 StGB unterstellt hat (Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN 10 zu § 84), mag es im konkreten Fall auch bloß zu einer leichten Verletzung des Karl C gekommen sein. Dem Schöffengericht ist somit auch bei der rechtlichen Beurteilung der Tat kein Fehler unterlaufen, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Leopold A zu verwerfen war.
II./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Kurt B. In seiner Mängelrüge (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) bekämpft der Beschwerdeführer zunächst die Urteilsannahme, er habe nach der tätlichen Auseinandersetzung vor dem Kaffeehaus 'D' (auch 'X') auf dem Weg in das 'E' bei der übergabe des Klappmessers an A ernstlich mit der Möglichkeit eines weiteren Rencontres mit der Personengruppe um den dunkelhäutigen Abdel Kadr I gerechnet und diese auch billigend in Kauf genommen - woraus es auf den zumindest bedingten Vorsatz des Beschwerdeführers schloß (S 248) - als unzureichend begründet und mit den Ergebnissen des Beweisverfahrens in Widerspruch stehend.
Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.
Das Schöffengericht hat seine Feststellungen auf lebensnahe Schlußfolgerungen gegründet, die es aus Ergebnissen der Beweisaufnahme gezogen hat und den Umstand, daß es den Aussagen einiger Zeugen nur in 'Teilbereichen' folgte unter Bezugnahme auf die einzelnen eingehend gewürdigten Beweismittel schlüssig begründet (S 251, 253, 254). Diesen überlegungen des Schöffengerichtes hat der Beschwerdeführer im Grunde nichts anderes entgegenzusetzen als den Hinweis darauf, daß auch andere Konsequenzen aus den Beweisergebnissen gezogen werden könnten, womit jedoch der geltendgemachte formellrechtliche Nichtigkeitsgrund nicht dargetan wird (SSt 19/94 und viele andere). Daß das Messer erst nach dem Streit vor dem Kaffeehaus 'D' seinen Besitzer wechselte, (und nicht schon vor dem Tumult), konnte das Gericht entgegen der Verantwortung des Beschwerdeführers auf Grund der Aussagen der Zeugen J (S 196), K (S 200), L (S 202, 203) und C (S 221) feststellen. Es bedeutet - den Beschwerdeausführungen zuwider - auch keine Nichtigkeit, daß das Schöffengericht den Aussagen dieser Zeugen in anderen Punkten keine Glaubwürdigkeit beimaß;
dies stellt sich - wie bereits zur Beschwerde des Angeklagten A gesagt - als Akt der freien richterlichen Beweiswürdigung dar, die im Nichtigkeitsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof grundsätzlich nicht bekämpfbar ist.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die Urteilsbegründung in der aus den dem Gericht vorliegenden Beweisergebnissen auf einen die Verletzung eines Widersachers umfassenden (bedingten) Vorsatz des Angeklagten B geschlossen wird (S 248, 251-254), nicht 'abwegig und aktenwidrig'.
Vielmehr entsprechen die diesbezüglichen Schlüsse des Schöffengerichtes zumal dann der forensischen Erfahrung, wenn man, wie das Erstgericht, die konkreten Umstände, unter denen die übergabe des Messers (nach einem Streit mit einer anderen Gruppe, die dem Beschwerdeführer und seiner Begleitung in ein anderes Lokal folgte, in dem der Beschwerdeführer seine Erwartung, daß es zu einem neuen Streit kommen werde, dadurch kundtat, daß er sich auf einen für sein Eingreifen strategisch besonders günstigen Platz setzte) erfolgte, in den Kreis der Erwägungen einbezieht (S 251, 253, 254). Von einer mangelhaften, unzureichenden oder aktenwidrigen Begründung kann demenach keine Rede sein, weshalb der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 5 StPO nicht vorliegt.
Seine Rechtsrüge stützt der Beschwerdeführer auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit a und b StPO Dazu führt er aus, das Erstgericht habe die für einen allfälligen Tatvorsatz notwendigen Feststellungen in Ansehung seiner Person nicht getroffen und die dagegen sprechenden Umstände 'leichtfertigt' übergangen. Es beschränke sich auf die bloße Verwendung der verba legalia und den Hinweis auf allgemeine Lebensumstände.
Völlig unterblieben seien Feststellungen des Schöffengerichtes darüber, wie weit durch den (unter Verwendung einer Kette als Schlagwaffe geführten) Angriff des Marokkaners eine Notwehr- oder Nothilfesituation entstanden sei.
Auch diesen Einwendungen des Beschwerdeführers kann nicht gefolgt werden; denn es hat das Schöffengericht auf Grund der von ihm getroffenen Feststellungen das Vorliegen einer solchen Situation zutreffend ausgeschlossen. Nach den Annahmen des Erstgerichtes, an denen bei der Beurteilung der Rechtsrüge festzuhalten ist, fand im Zeitpunkt, in dem A den Stich gegen C führte, nur mehr eine 'eher geringfügige Rangelei bzw Stoßerei' (S 248, 249) zwischen dem Beschwerdeführer und dem später verletzten C statt, die zu dieser Zeit nicht zu eskalieren drohte.
Die Auseinandersetzung zwischen Abdel Kadr I und dem Angeklagten war bereits beendet, die als Schlagwaffe verwendete (Hals-)Kette des Marokkaners nicht mehr im Spiel. Keiner der Begleiter C - also des Gegners des Angeklagten - machte Anstalten dazu, sich in die Auseinandersetzung einzumengen. Ein Unterliegen des Angeklagten B war nicht zu erwarten. Nichts deutete also, mit anderen Worten gesagt, darauf hin, daß ein Eingreifen des Angeklagten A mit einem Messer notwendig gewesen wäre, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Angriff auf notwehrfähige Güter des Angeklagten B (oder des bisher überhaupt nicht beteiligten Angeklagten A) abzuwehren (S 248, 249). Die daraus gezogene (rechtliche) Schlußfolgerung des Schöffengerichtes, Leopold A habe sich weder in einer Notwehr- noch in einer Nothilfesituation befunden, als er den Stich gegen die Brust des C führte (S 255), ist ebenso unbedenklich, wie die - auf der hinsichtlich des Beschwerdeführers getroffenen Feststellung, er habe bei der übergabe des Messers mit dessen alsbaldigem Einsatz durch A gegen eine der ihnen folgenden Personen gerechnet und diesen Einsatz billigend in Kauf genommen, ohne daß er die Verwendung der Stichwaffe auf den Fall der Notwehr- oder Nothilfe beschränkt sehen wollte (S 253, 254) beruhende - (rechtliche) Annahme, der Beschwerdeführer habe dieses Verhalten (als Beteiligter an der Tat des A) nach § 12, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 1
StGB zu verantworten.
Insoweit der Beschwerdeführer in seinen Ausführungen von diesen Feststellungen abweicht und im Urteil enthaltene Konstatierungen zur subjektiven und objektiven Tatseite negierend Feststellungsmängel releviert, wird die Beschwerde nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, weshalb auch sie zu verwerfen war.
Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagten A und B nach § 84 Abs. 2 StGB zu Freiheitsstrafen, und zwar A zu 20 Monate und B zu acht Monate.
Es nahm bei der Ausmessung dieser Strafen bei A die einschlägigen Vorstrafen, die die Anwendung des § 39 StGB gerechtfertigt hätten, als erschwerend an, als mildernd beurteilte es bei diesem Angeklagten keinen Umstand. Dagegen billigte es dem Angeklagten B die 'Minderbeteiligung' als Milderungsgrund zu. Erschwerend war dagegen bei B kein Umstand.
Die Angeklagten streben in ihren Berufungen die Herabsetzung der über sie verhängten Strafen an, wobei der Angeklagte B in diesem Zusammenhang (im Rahmen der Berufungsanträge ohne jegliche Begründung) auf die Bestimmungen der § 42 und 43 StGB verweist. Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Das Schöffengericht hat die vorliegenden Strafzumessungsgründe richtig und vollständig erfaßt und zutreffend gewürdigt. Weitere Milderungsgründe liegen, dem Vorbringen der Angeklagten zuwider, nicht vor. Dem Angeklagten A kann der Milderungsgrund des reumütigen Geständnisses (§ 34 Z 17) nicht zugute gehalten werden, weil er die subjektive Tatseite des ihm angelasteten Deliktes beharrlich bestritten hat. Bestenfalls kommt ihm ein sogenanntes Tatsachengeständnis zugute, das jedoch vorliegend nicht allzu schwer wiegt.
Daß der Angeklagte B an der Tat nur in untergeordneter Weise beteiligt war, hat das Schöffengericht ohnedies angenommen. Das Vorliegen der behaupteten Milderungsgründe einer 'Nothilfesituation' und einer Fahrlässigkeit kam nach den getroffenen Feststellungen nicht in Betracht. Insgesamt entsprechen die über die Angeklagten ausgesprochenen Strafen deren Verschulden und dem Unrechtsgehalt der Tat. Zu einer Herabsetzung des Strafmaßes bestand demnach kein Anlaß.
Die Gewährung der bedingten Strafnachsicht zog der Oberste Gerichtshof beim Angeklagten B wegen dessen getrübten Vorlebens, das eine günstige Prognose nicht erstellen läßt, nicht in Erwägung. Eine Anwendung des § 42 StGB - die übrigens mit Nichtigkeitsbeschwerde zu relevieren wäre (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO) - war allein schon im Hinblick auf die Strafdrohung des § 84 Abs. 2 StGB (bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe) nicht möglich.
Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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