OGH 13Os162/82

OGH13Os162/822.12.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Dezember 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mangi als Schriftführers in der Strafsache gegen Edmund A wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach § 15, 142 Abs. 1, 143 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Kreisgericht Wiener Neustadt vom 6.Juli 1982, GZ. 12 a Vr 272/82-31, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Bisanz und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Presslauer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Strafe auf 7 (sieben) Jahre herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 17.August 1960 geborene Edmund A wurde der Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach § 15, 142 Abs. 1, 143 StGB und des schweren Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB sowie des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit. a WaffG. schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, I. am 1.Oktober 1980 in Pottschach versucht zu haben, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung eines Flobert-Revolvers, Kal. 9 mm, dem Alois B eine fremde bewegliche Sache, nämlich der Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung gehörendes Bargeld, mit dem Vorsatz abzunötigen, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er die Waffe gegen die Brust des Alois B hielt und 'Geld her, überfall' rief;

II. anderen fremde bewegliche Sachen durch Einbruch in ein Gebäude mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern:

1. am 26.August 1980 in Gloggnitz dem Harald C ein Markenalbum mit Sondermarken im Gesamtwert von rund 4.500 S;

2. in der Nacht zum 9.Februar 1982 in Reichenau/Rax a) dem Gerhard D 800 S Bargeld und ein Blitzgerät im Wert von ca. 2.000 S, b) der Isabella E zwei Schachteln Zigaretten im Wert von rund 60 S;

III. vom Herbst 1980 bis Herbst 1981 in Reichenau/Rax bzw. Pottschach unbefugt eine Faustfeuerwaffe, nämlich den Revolver Flobert, Kal. 9 mm, Nr. 725, besessen und geführt zu haben. Die Geschwornen hatten die entsprechenden Schuldfragen nach versuchtem schweren Raub (Hauptfrage I, in der allerdings - ungerügt - auf die Verwendung einer bestimmten, jedoch durch Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens und des Inhalts der Anklageschrift zweifelsfrei zu objektivierenden Waffe nicht Bezug genommen worden war) im Stimmenverhältnis 7 : 1 mehrheitlich und jene nach Diebstahl (Hauptfrage II, der eine Beschränkung gemäß § 330 Abs. 2 StPO beigefügt wurde) sowie wegen Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit. a WaffG. (Hauptfrage III) stimmeneinhellig bejaht, hingegen die Zusatzfrage IV nach freiwilligem Rücktritt vom versuchten schweren Raub im Stimmenverhältnis 7 : 1 mehrheitlich verneint.

Edmund A bekämpft mit seiner auf § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde den Schuldspruch wegen Verbrechens des versuchten schweren Raubes.

Rechtliche Beurteilung

Die den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung ist indes weder unrichtig noch unvollständig.

Die Auslegung, daß auch eine funktionsuntüchtige Schußwaffe dem Waffenbegriff des § 143 StGB unterliegt, entspricht dem Gesetz. Ebenso wie § 142 Abs. 1 StGB die Anwendung von Gewalt und Drohung gleichstellt, sieht auch die Qualifikationsbestimmung des § 143 StGB einen Unterschied zwischen Waffen, von denen bestimmungsgemäß Gebrauch gemacht werden kann, und Waffen, die nur als Mittel der Drohung verwendbar sind, nicht vor. Der Grund für die strengere Bestrafung eines Raubes unter Verwendung einer Waffe liegt in der erhöhten gefährlichen Beschaffenheit der Tat, welche nicht allein aus der Möglichkeit des Täters resultieren muß, einen gewaltsamen Angriff noch wirksamer zu gestalten, sondern sich auch aus der in höherem Maß gewährleisteten Aussicht des Täters, zum Verbrechensziel zu gelangen, ergeben kann. Ist doch die Drohung mit einer Waffe, mag es sich auch um eine ungeladene oder sonst funktionsuntüchtige Waffe handeln, im erhöhten Maße geeignet, bei dem in Unkenntnis des wahren Sachverhalts befindlichen Bedrohten die Vorstellung des unmittelbar bevorstehenden Eintritts des angedrohten übels zu erwecken (SSt. 49/45 = RZ. 1978/101 = EvBl. 1978/175 =

JBl. 1979, 380; verstärkter Senat). Demgemäß unterlief dem Schwurgerichtshof auch kein Rechtsirrtum (§ 345 Abs. 1 Z. 12 StPO), wenn er auf der Basis des Wahrspruchs die Qualifikation des § 143 StGB (erster Satz, zweiter Fall) annahm.

Die behauptete Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung über den Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch liegt gleichfalls nicht vor. Der Beschwerdeführer wendet ein, daß die Belehrung auf die Regelung des § 16 StGB betreffend die Straflosigkeit eines beendeten Versuchs wegen freiwilliger Erfolgsabwendung (contrarius actus) zu erstrecken gewesen wäre. Dabei übersieht er jedoch, daß ein derartiger Sachverhalt überhaupt nicht Gegenstand der bezüglichen Fragestellung (Zusatzfrage IV) war. Die Rechtsbelehrung hat gemäß § 321 Abs. 2 StPO eine Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes zu enthalten; auf in den Fragen nicht aufscheinende Rechtsbegriffe hat sie nicht einzugehen. Gemäß § 16 Abs. 1 StGB wird ein (Allein-) Täter wegen Versuchs nicht bestraft, wenn er freiwillig die Ausführung aufgibt oder freiwillig den Erfolg abwendet. Diese Alternativen entsprechen den Stadien des unbeendeten und des beendeten Versuchs, aus welchen sich verschiedene gesetzliche Erfordernisse für die Strafaufhebung durch Rücktritt vom Versuch ergeben. Die Zusatzfrage IV nach Rücktritt vom Versuch war auf freiwillige Aufgabe der Tatausführung gerichtet und betraf demgemäß nur die erste Variante des § 16 Abs. 1 StGB Eine Fragestellung nach Rücktritt vom Versuch wegen freiwilliger Erfolgsabwendung wäre gar nicht indiziert gewesen, weil das für das Unterbleiben der Raubvollendung maßgebende Handlungselement die fehlende Bereitschaft des bedrohten Postbeamten zur Ausfolgung der Barschaft und keineswegs irgendeine Aktivität des Angeklagten war.

Ferner: Der Raub (§ 142 Abs. 1 StGB) ist ein vollendet zweiaktiges Delikt; erster Akt ist die Anwendung von Gewalt oder Drohung, zweiter Akt ist die Wegnahme oder Abnötigung der Sache (vgl. die ebenso konstruierten Tatbestände der § 201 Abs. 1, 202 Abs. 1, 203 Abs. 1, 204

Abs. 1 StGB). Der Versuch ist beendet, wenn es keiner weiteren Täterhandlung zur Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs (hier: Bemächtigung der Sache) bedarf; der Versuch ist unbeendet, wenn zur Erfolgsherbeiführung noch weitere Täterhandlungen nötig sind (LSK. 1976/277). Aus diesen Prämissen (vollendet zweiaktiges Delikt, Abgrenzung des beendeten vom unbeendeten Versuch) folgt: Ist nur der erste Akt eines vollendet zweiaktigen Delikts gesetzt, so ist der Versuch ein unbeendeter, weil der Täter noch den zweiten Akt für die Erfolgsverwirklichung setzen muß; tut er das aber, so ist der Tatbestand (mit dem zweiten Akt) zugleich vollendet und für einen - beendeten - Versuch kein Raum mehr. Darnach ist bei einem als vollendet zweiaktiges Delikt angelegten Tatbestand ein beendeter Versuch nicht denkbar. Gegenständlichenfalls war der Raub nur bis zur Drohung gediehen, der Versuch also noch unbeendet, weil die Bemächtigung der Sache durch den Täter ausstand. Hätte der Täter aber auch diesen zweiten Akt gesetzt, so wäre der Raub vollendet gewesen. Mithin führt die Analysierung einerseits des Tatbestands, andererseits der Versuchsarten wiederum zu dem Schluß, daß eine Frage nach Erfolgsabwendung infolge beendeten Versuchs (bei dem soeben gewonnenen Ergebnis muß man sagen: begrifflich) nicht in Betracht kam.

Gemäß § 321 Abs. 2 StPO verbot sich dann auch, wie schon dargetan, eine Rechtsbelehrung über die Erfolgsabwendung.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen mehrerer Delikte verschiedener und derselben Art sowie den überaus raschen Rückfall und die einschlägigen Vorstrafen des Verurteilten als erschwerend, hingegen das teilweise Geständnis des Angeklagten, die teilweise Zustandebringung des Diebsguts und den Umstand, daß es im Raubfaktum beim Versuch geblieben ist, als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe an.

Der Berufung kommt Berechtigung zu.

Ohne, daß es des Hinzutritts eines neuen mildernden Umstands bedarf, erachtet der Oberste Gerichtshof mit Rücksicht auf das geringe Lebensalter des Angeklagten eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren als ausreichend.

Eine weitergehende Ermäßigung der damit bereits der Untergrenze des gesetzlichen Rahmens in etwa angenäherten Freiheitsstrafe war sowohl aus spezial- als auch aus generalpräventiven Gründen nicht vertretbar.

Der Meinung des Rechtsmittelwerbers zuwider wurde der rasche Rückfall (in Verbindung mit der Vorstrafenbelastung) zutreffend als Erschwerungsumstand herangezogen, beging doch der Angeklagte einen Teil der vom angefochtenen Urteil erfaßten strafbaren Handlungen, nämlich die Einbruchsdiebstähle zum Nachteil des Gerhard D und der Isabella E (II 2 a und b), am 9.Februar 1982, mithin kaum drei Monate nach der letzten Verurteilung am 19. November 1981 wegen versuchten Diebstahls durch Einbruch.

Die verwahrloste Erziehung kann gleichfalls nicht als Milderungsgrund ins Gewicht fallen, weil nach herrschender Auffassung Erziehungsmängel nur dann mildernd wirken können, wenn sie mit der Tat im unmittelbaren Zusammenhang stehen. Es kann also dann nicht vom Milderungsgrund des § 34 Z. 1, letzter Fall, StGB gesprochen werden, wenn ein gewisser Abstand zwischen Erziehung und Tat gegeben ist und die verfehlte Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten durch wiederholte Abstrafungen vor Augen geführt worden ist (13 Os 3/81 u.a.). Schließlich fällt auch der Milderungsumstand des § 37 Z. 10 StGB nicht ausschlaggebend in die Waagschale, weil, namentlich im Zusammenhang mit den Einbruchsdiebstählen, auf das vom Berufungswerber zwischen November 1981 und Jänner 1982

verdiente Monatseinkommen von 12.000 S bis 13.000 S zu verweisen ist.

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