Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung der dem Angeklagten zur Last fallenden Tat als Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen (nur) nach § 136 Abs. 1 StGB sowie im Ausspruch nach § 13 Abs. 1 JGG aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:
Mathias A hat durch die ihm nach dem aufrecht bleibenden Schuldspruch zur Last liegende Tat, die er beging, indem er sich die Gewalt über das Fahrzeug durch eine der in § 129 Z 1 StGB geschilderten Handlungen, und zwar durch das Eindringen in ein Transportmittel mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel, verschaffte, das Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1
und Abs. 2 StGB begangen.
Der Ausspruch und die Vollstreckung der wegen dieser Jugendstraftat über ihn zu verhängenden Strafe werden gemäß § 13 Abs. 1 JGG für eine Probezeit von 2 (zwei) Jahren vorläufig aufgeschoben. Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 16-jährige Schüler Mathias A des Vergehens nach § 136 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 1. Mai 1982
in Wien ein zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtetes Fahrzeug, nämlich einen PKW der Marke VW 11 des Kurt B, ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch nahm.
Dazu stellte das Erstgericht unter anderem fest, daß B den PKW an Siegfried C, der mit der Familie A in Hausgemeinschaft lebte, zum Lackieren übergeben und jener das Fahrzeug vor dem Haus abgestellt, die Fahrzeugschlüssel aber auf dem Schlüsselbrett (in der Wohnung - S 40, 75-77) der genannten Familie abgelegt hatte, wo sie (nur) den Familienmitgliedern zugänglich waren; von dort nahm sie der Angeklagte (eigenmächtig) an sich. Bei dieser Sachlage hielt das Jugendschöffengericht eine Deliktsqualifikation nach § 136 Abs. 2 StGB nicht für gegeben, weil sich die Fahrzeugschlüssel 'in einem allgemein sichtbaren Naheverhältnis zum Schloß' befunden hätten und deshalb nicht als widerrechtlich erlangt (§ 129 Z 1 StGB) anzusehen seien.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Nichtannahme der in Rede stehenden Qualifikation gerichteten, auf § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu. 'Widerrechtlich erlangt' im Sinn des § 129 Z 1 und damit auch des § 136 Abs. 2 StGB ist ein Schlüssel dann, wenn er rechtswidrig in den Gewahrsam des Täters gelangt, wie (insbesondere) etwa durch eigenmächtige Wegnahme (auch aus einem Versteck), Abnötigung oder listiges Herauslocken, nicht hingegen, wenn er vom Täter gefunden, vom Berechtigten (ohne Willensmangel) zur Verfügung gestellt oder - gleichsam für jedermann zur freien Verfügung bereit gehalten - allgemein sichtbar im Schloß oder in dessen unmittelbarer Nähe aufbewahrt wird (vgl hiezu SSt 48/56, 42/12, JBl 1975, 212, RZ 1978/24, 1980/25 uam). Von einem Naheverhältnis der zuletzt bezeichneten Art kann, wie die Staatsanwaltschaft zutreffend geltend macht, im vorliegenden Fall bei der Verwahrung der Schlüssel zu dem auf der Straße abgestellten PKW in der Wohnung auf dem Schlüsselbrett jedenfalls keine Rede sein; die ungehinderte Zugriffsmöglichkeit der Wohnungsbenützer auf das Schlüsselbrett aber ändert an der Widerrechtlichkeit der Wegnahme durch den dazu vom Verfügungsberechtigten nicht legitimierten Angeklagten nichts. Die Annahme der Qualifikation nach § 136 Abs. 2 StGB ist demnach vom Erstgericht zu Unrecht abgelehnt worden.
In Stattgebung der von der Staatsanwaltschaft erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher die insoweit verfehlte rechtliche Beurteilung der Tat wie im Spruch zu korrigieren.
Nichtsdestoweniger war weiterhin anzunehmen, daß der Schuldspruch allein den damit verbundenen Zielen der Spezial- und Generalprävention bereits ausreichend Rechnung trägt, sodaß gemäß § 13 Abs. 1 JGG der Ausspruch und die Vollstreckung einer über den Angeklagten zu verhängenden Strafe vorläufig aufzuschieben waren. Das durch die Annahme der in Rede stehenden Qualifikation zutage tretende größere Maß seiner tatbezogenen Schuld ließ jedoch eine Verlängerung der Probezeit auf zwei Jahre als angebracht erscheinen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)