Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien haben dem Kläger zur ungeteilten Hand die mit 2.410,06 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 196 S USt und 240 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Bei einem am 27. 1. 1982 auf der Hochstraße im Ortsgebiet von Schladming erfolgten Zusammenstoß des vom Erstbeklagten gelenkten und gehaltenen, bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKWs Kennzeichen ***** mit dem PKW des Klägers entstanden an letzerem Fahrzeug Schäden, welche Abschlepp- und Reparaturkostenaufwendungen von 33.454,72 S erforderten. Der Kläger begehrt den Ersatz dieses Betrags mit der Behauptung, der Erstbeklagte habe den Rechtsvorrang missachtet und sei außerdem unvorsichtig und zu schnell gefahren, sodass er das Alleinverschulden am Unfall zu vertreten habe.
Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung und brachten vor, der Kläger sei gegenüber dem Erstbeklagten wartepflichtig gewesen, da er aus einer Grundstückseinfahrt gekommen sei. Somit falle ihm das Verschulden am Unfall selbst zur Last. Gegen die Klagsforderung wendeten sie überdies eine aus der Beschädigung des Fahrzeugs des Erstbeklagten hervorgehende Gegenforderung von 25.323,20 S aufrechnungsweise ein.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht sprach dem Kläger im Sinne seines Berufungsantrags einen Betrag von 33.454,72 S sA zu.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erheben die beklagten Parteien eine auf § 503 Z 3 und 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Das Erstgericht fällte seinen Urteilsspruch auf der Grundlage der auf den Seiten 5 bis 9 (AS 55 ff) der Urteilsausfertigung angeführten Sachverhaltsfeststellungen. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat es die Ansicht, dass es sich bei der vom Kläger benützten, 7,5 m breiten Zufahrtsstraße, welche von der vom Erstbeklagten benützten, 4 m breiten Hochstraße abzweige, um eine Verkehrsfläche iSd § 19 Abs 6 StVO 1960 handle. Der Erstbeklagte habe sich somit im Vorrang befunden. Da ihm auch keine Überschreitung der für das Ortsgebiet Schladming angeordneten Geschwindigkeit von 40 km/h und ebensowenig ein Reaktionsverzug nachgewiesen worden sei, treffe ihn kein Verschulden am Unfall.
Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen von behaupteten Feststellungsmängeln, hielt die Rechtsrüge des Klägers aber für gerechtfertigt. Nach Darstellung der einschlägigen Rechtsprechung vertrat es die Rechtsauffassung, dass dem Kläger der Rechtsvorrang iSd § 19 Abs 1 StVO 1960 zugekommen sei, weil die von ihm befahrene Zufahrtsstraße weder als Grundstücksausfahrt noch als eine der anderen im § 19 Abs 6 StVO 1960 genannten, untergeordneten Verkehrsflächen zu beurteilen sei. Das äußere Erscheinungsbild beider Straßen „unterscheide sich nicht, die Zufahrtsstraße sei sogar beinahe doppelt so breit wie die Gemeindestraße“ (= Hochstraße). Dass es sich (bloß) um eine Zufahrt zu drei Wohnhäusern (Nr 607, 608 und 609) und einem Garagenblock handle, sei für Verkehrsteilnehmer auf der Gemeindestraße nicht erkennbar. Irgendwelche Beschilderungen, welche auf den Zufahrtscharakter schließen hätten lassen, seien nicht festgestellt worden. Beide, zur Unfallszeit schneebedeckten Straßen seien gleich asphaltiert. Nach dem äußeren Erscheinungsbild sei es somit zumindest zweifelhaft, ob eine Verkehrsfläche nach § 19 Abs 6 StVO 1960 vorliege. Im Zweifel sei aber der Rechtsvorrang anzunehmen. Der Erstbeklagte habe somit gegen seine Wartepflicht verstoßen und dadurch den Unfall allein verschuldet. Die beklagten Parteien hafteten demgemäß dem Kläger für den der Höhe nach außer Streit gestellten Schaden.
Die Revision trifft zur behaupteten Aktenwidrigkeit der berufungsgerichtlichen Entscheidung überhaupt keine Ausführungen. Auf diesen Revisionsgrund ist somit mangels gesetzmäßiger Geltendmachung nicht einzugehen.
In der Rechtsrüge werfen die Revisionswerber dem Berufungsgericht vor, es habe bei seiner Beurteilung objektive Kriterien übergangen, welche eine Qualifikation der vom Kläger befahrenen Verkehrsfläche als solche nach § 19 Abs 6 StVO 1960 erzwungen hätten. Das Erstgericht habe nämlich auch festgestellt, dass die Zufahrt eine Sackgasse darstelle, in Richtung zur Hochstraße ein Gefälle von 14 % aufweise, lediglich 40 m lang sei und sich sodann zu einem großen Parkplatz öffne, an dem die Häuser 607, 608, aber auch das Haus Nr 609, stünden. Im Übrigen sei ihre besondere Breite nach Meinung der Revisionswerber allein darauf zurückzuführen, dass bei der Höhenlage der Hochstraße im Winter dieser Breite zur Schneeräumung benützt werden müsse. Vom Parkplatz aus gesehen sei schließlich vollkommen klar, dass es sich um eine bloße Zufahrtsstraße handle. Auch dem Kläger sei sie als Grundstückseinfahrt bzw Zufahrt zu den Häusern jedenfalls bekannt gewesen. Somit stelle diese Zufahrt eine Verkehrsfläche nach § 19 Abs 6 StVO 1960 dar. Davon ausgehend habe sich der Kläger aber im Nachrang befunden, sodass sein Klagebegehren abzuweisen sei.
Mit diesen Ausführungen werden die diesbezüglichen erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen insoweit nicht richtig wiedergegeben, als diese dahin lauten, dass sich die vom Kläger benützte Zufahrtsstraße nach 40 m gabelt. Nach links parallel zur Hochstraße führt ein Ast zu einem Parkplatz bzw zu den Häusern Nr 607 und 608, der zweite Ast führt dagegen um eine Etage höher und sodann wiederum parallel zur Hochstraße zu den Garagen und zum Haus Nr 609. Die so beschriebene Örtlichkeit wird auch aus den Lichtbildbeilagen ./I und ./II hinreichend erkennbar.
Ausgehend von dieser gesamten untergerichtlichen Feststellungsgrundlage ist jedoch der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht beizupflichten. Die Beurteilung, ob eine Verkehrsfläche den in § 19 Abs 6 StVO 1960 angeführten Verkehrsflächen gleichzuhalten ist, hat nach objektiven Kriterien zu erfolgen. Bei Lösung dieser Frage kommt es daher nicht auf die jeweilige subjektive Betrachtungsweise der beteiligten Lenker, auf ihre besondere Ortskenntnis, sondern darauf an, ob sich die betreffende Verkehrsfläche in ihrer gesamten Anlage deutlich von sonstigen öffentlichen Straßen unterscheidet (ZVR 1976/67; 1977/124; 1979/215 uva). Von einem solchen deutlichen Unterschied kann vorliegendenfalls aber zweifellos nicht gesprochen werden. Damit ist jedoch eine Ausnahme von der Grundregel des Rechtsvorrangs, der im Zweifel stets anzunehmen ist (ZVR 1979/278; 1981/29; 1982/15 uva), nicht gegeben. Davon ausgehend hat der Erstbeklagte gegen die Bestimmung des § 19 Abs 1 StVO 1960 verstoßen und solcherart den Unfall verschuldet. Demgemäß sind die beklagten Parteien aber dem Kläger schadenersatzpflichtig.
Der Revision war sohin nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)