Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB (II) und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Das Schöffengericht erkannte den am 29.Juli 1926
geborenen, früheren Dekanatsdirektor der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien Mag. Gustav A des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB und des Verbrechens des Amtsmißbrauchs nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig. Darnach hat er (zu I) am 5.November 1979 das von ihm verfaßte Ansuchen eines fingierten Antragstellers namens 'Gustav X' bzw. 'Gustav C' um Bewilligung der dritten Wiederholung des staatswissenschaftlichen Rigorosums unter Fälschung der Unterschrift auf den Namen des fingierten Antragstellers beim Dekanat der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien eingebracht, mithin eine falsche Urkunde zum Beweis der Tatsache des Ansuchens durch die fingierte Person gebraucht; ferner (zu II) in seiner Eigenschaft als Dekanatsdirektor der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht auf Ausstellung wahrheitsgemäßer Urkunden bzw. auf Protokollierung wahrheitsgemäßer Vorgänge zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er (zu 1) am 20.November 1979 in einem Amtsvermerk die Richtigkeit der Angaben des (fingierten) Antragstellers 'Gustav X' bzw. 'Gustav C' in dem oben (zu I) bezeichneten Antrag bezüglich der Daten der bisher erfolglos beendeten Prüfungen, die tatsächlich die Prüfungstermine des Mag. Gustav A wiedergaben, bestätigte und Univ.Prof.Dr. B als Mitglied des letzten Prüfungssenats zu einer Stellungnahme im Sinn des § 30 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes (AHSchStG., BGBl. Nr. 177/1966) veranlaßte; des weiteren (zu 2) am 20.November 1979 in der Reinschrift des von ihm konzipierten Programms der Tagesordnung für die zweite ordentliche Fakultätssitzung der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien im Wintersemester 1979/80 vom 12. Dezember 1979, DekZahl 639/79, unter Punkt 11 den Namen des (fingierten) Antragstellers betreffend die dritte Wiederholung des staatswissenschaftlichen Rigorosums von 'Gustav X' durch Überschreibung des Buchstabens 'Y' auf 'Gustav C' änderte, die derart verfälschte Urkunde dem Dekan der Fakultät zur Unterfertigung vorlegte und auf diese Weise bewirkte, daß im Rahmen der angeführten Fakultätssitzung das Ansuchen des (fingierten) Gustav C behandelt und das diesbezügliche Abstimmungsergebnis im Protokoll über die bezeichnete Fakultätssitzung vom 17.Dezember 1979 aufgenommen wurde; schließlich (zu 3) am 2.Dezember 1979 bei Vorerledigung des Bescheids DekZahl 216/79 betreffend die in der oben (zu II 2) angeführten Fakultätssitzung für den fiktiven Gustav C erfolgte Bewilligung in der Rubrik des Bescheidempfängers seinen eigenen Namen 'Gustav A' einsetzte, diese inhaltlich unrichtige Urkunde dem Dekan zur Unterschrift vorlegte und nach Unterfertigung durch den Genannten dessen Weisung, den Namen des Bescheidempfängers auf 'Gustav C' richtigzustellen, mißachtete.
Rechtliche Beurteilung
Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte aus dem Grund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde, der nur in Ansehung des Schuldspruchs wegen Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt (II) Berechtigung zukommt.
Gegen den Schuldspruch wegen Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB (I) wendet sich der Angeklagte mit dem Einwand, eine (vorliegend) 'fingierte Urkunde' (eine Urkunde, als deren Aussteller eine 'fingierte Person' aufscheine), könne nicht 'Gegenstand' einer Urkundenfälschung nach § 223 StGB sein. 'Die Einbringung eines fingierten Gesuches' stelle bereits 'für sich eine Tatsache dar' und könne daher nicht mehr 'zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache' gebraucht werden. Im übrigen unterlägen Angaben einer Partei in einem Gesuch nicht der Wahrheitspflicht, sodaß es auch 'am Täuschungsmoment' mangle.
Dem ist entgegenzuhalten:
Die Tathandlung im (hier allein in Betracht kommenden) ersten Deliktsfall des § 223 Abs. 2 StGB besteht im Gebrauch einer falschen Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache. Im Anwendungsbereich des § 223 Abs. 1 und 2 StGB ist 'falsch' nicht im Sinn von 'unrichtig', sondern im Sinn von 'unecht' zu verstehen (Kienapfel im WK., RZ. 135 ff.;
147 und 152 zu § 223 StGB, mit weiteren Hinweisen). Damit geht der Beschwerdeeinwand, Parteienvorbringen unterliege nicht der 'Wahrheitspflicht', ins Leere, weil ein Angriff auf die Urkundenwahrheit nicht geschütztes Rechtsgut des § 223 StGB ist (anders § 228 und 311 StGB; hiezu Kienapfel im WK., RZ. 23 ff. Vorbem. zu den § 223 ff. StGB).
Eine Urkunde ist unecht (='falsch'), wenn sie nicht von dem auf ihr angegebenen Aussteller herrührt, mag ihr Inhalt richtig oder unrichtig sein. Als maßgebendes Kriterium der unechten Urkunde erweist sich demnach die Täuschung über die Identität des Ausstellers. Für die Frage der Identitätstäuschung ist es aber gleichgültig, ob der angebliche Aussteller ermittelt werden kann oder - wie im vorliegenden Fall - überhaupt nicht existiert (Kienapfel, WK., RZ. 149;
Leukauf-Steininger2, RN. 25, je zu § 223 StGB). Unter 'Gebrauch im Rechtsverkehr' ist jede mit Rücksicht auf den Inhalt der Urkunde rechtserhebliche Verwendung zu verstehen (Leukauf-Steininger2, RN. 32 zu § 223 StGB). Es muß also zwischen dem Gebrauch der Urkunde und ihrem Inhalt ein Zusammenhang bestehen, der auf eine rechtserhebliche Reaktion eines anderen (vorliegend des Professorenkollegiums der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien) abzielt (Kienapfel, WK., RZ. 225 zu § 223 StGB). Zur Tatbestandsverwirklichung auf der subjektiven Tatseite genügt schließlich, daß der Täter irgendeinen Einfluß auf das Rechtsleben bezweckt. Hingegen ist infolge der Loslösung der Urkundenfälschung aus den Betrugs- und Täuschungsdelikten in allen Begehungsformen des § 223 StGB weder ein besonderer - über die schon im (zielgerichteten) Gebrauch des Falsifikats gelegene Irreführung über die Person des Antragstellers hinausgehender - Täuschungsvorsatz, noch ein Schädigungsvorsatz oder ein, wie der Beschwerdeführer formuliert, 'Täuschungsmoment' erforderlich (Leukauf-Steininger2, RN. 38 zu § 223 StGB, Steininger, Bezauer Tage, Strafrechtsseminar 1979, 161;
Kienapfel, WK., RZ. 224 ff. zu § 223 StGB).
Dem Erstgericht ist sohin bei der Beurteilung des Tatverhaltens des Angeklagten zum Schuldspruch wegen Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB (I) ein Rechtsirrtum nicht unterlaufen. Hingegen ist der Nichtigkeitsbeschwerde - im Ergebnis - beizupflichten, wenn sie gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB (II) einwendet, das vom Erstgericht bezogene Recht des Staats auf 'Ausstellung wahrheitsgemäßer Urkunden' sei ebensowenig ein konkretes öffentliches Recht wie 'das Recht auf Protokollierung wahrheitsgemäßer Vorgänge', womit sich der - nach den Urteilsannahmen auf Schädigung eben dieser Rechte des Staats gerichtete (S. 278) - Vorsatz des Angeklagten in Ansehung des Schuldspruchs wegen des Verbrechens des Amtsmißbrauchs als nicht tragfähig erweist. Das Recht des Staats auf 'Ausstellung wahrheitsgemäßer Urkunden' ist nämlich durch die Einführung der spezifischen Urkundendelikte der § 228 bzw. 311 StGB einer besonderen gesetzlichen Regelung unterzogen worden (sodaß die in der Entscheidung SSt. 38/26 zum Ausdruck gebrachte, im Ersturteil herangezogene Rechtsansicht in Ansehung des durch § 302 Abs. 1 StGB geschützten konkreten Hoheitsrechts nicht mehr uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann) und erfordert, soll solcherart Amtsmißbrauch begangen werden (was nach der Subsidiaritätsklausel des § 311 StGB weiterhin möglich ist), einen - gegenständlich indes nicht festgestellten - über den bloßen Gebrauch der Urkunde im Rechtsverkehr hinausgehenden Schädigungsvorsatz (vgl. § 102 Abs. 1 lit. b StG. und Leukauf-Steininger2, RN. 1 zu § 311 StGB). Ein Recht (des Staats) auf 'Protokollierung wahrheitsgemäßer Vorgänge', ohne daß ein dahinterstehender gesetzlicher Zweck in einem konkreten Fall gefährdet wird, stellt sich aber als bloß allgemeines (abstraktes) Recht dar, dessen Beeinträchtigung Amtsmißbrauch im Sinn des § 302 Abs. 1 StGB nicht zu begründen vermag.
Dennoch ist die Sache derzeit noch nicht spruchreif. Das Schöffengericht konstatierte nämlich, daß der Angeklagte in dem erwähnten, mit 'Gustav C' unterfertigten Zulassungsgesuch vom 5. November 1979
zwar seine eigenen Prüfungsmißerfolge beim staatswissenschaftlichen Rigorosum vom 23.März 1950, 27.November 1950 und 3.Februar 1961 richtig angeführt (S. 151), jedoch die mit Bescheid des Akademischen Senates der Universität Wien als Berufungsinstanz vom 11.Juli 1974 (S. 137) ausgesprochene rechtskräftige Ablehnung seines gleichartigen Ansuchens aus dem Jahre 1974 mit Stillschweigen übergangen hatte. Anschließend bestätigte er in seiner Funktion als Dekanatsdirektor in einem Amtsvermerk die Richtigkeit der obigen Angaben, verschwieg aber auch hier den ablehnenden Bescheid ex 1974 und legte in der Folge diesen Vermerk unter Anschluß des Gesuchs dem Univ.Prof.
Dr. B 'mit dem Ersuchen um Stellungnahme im Sinne des § 30 AHSchStG.' vor. Dieser erklärte sich - in Unkenntnis der rechtskräftig gewordenen negativen Entscheidung von 1974 - mit einer Wiederholung des Rigorosums einverstanden. Nach einer weiteren Namensmanipulation des Angeklagten in der Tagesordnung der betreffenden Fakultätssitzung führte dies zu dem Bescheid des Fakultätskollegiums vom 12.Dezember 1979, der einen nichtexistierenden 'Gustav C' betraf (S. 75), vom Angeklagten aber im Sinn seines vorgefaßten Plans nach einer weiteren Manipulation, nämlich Ausfertigung des Bescheids auf seinen eigenen Namen Gustav A (S. 153 bis 155), sowie in Nichtbefolgung einer den Namen betreffenden Richtigstellungsweisung des Dekans, schließlich im Rechtsverkehr verwendet wurde.
Von seiner oben dargelegten, unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, hat es das Schöffengericht nun unterlassen, festzustellen, von welchem Gesamtvorsatz das beschriebene Verhalten des Angeklagten getragen war und von welcher Zielvorstellung er sich leiten ließ. Dies ist deshalb von Relevanz, weil dann, wenn er auf Grund seines Begleitwissens um die Unabänderlichkeit des rechtskräftigen Bescheids vom 11.Juli 1974 mit dem Vorsatz gehandelt hätte, Univ.Prof.
Dr. B und das Fakultätskollegium über die Existenz der fraglichen, für ihn negativ ausgefallenen Vorentscheidung zu täuschen, um solcherart rechtswidrig die abermalige Zulassung zum staatswissenschaftlichen Rigorosum zu erreichen, er den Staat in seinem konkreten Recht auf Ausschluß seiner Person vom Doktoratsstudium verletzt, die durch den Bescheid vom 11.Juli 1974 gesetzte staatliche Maßnahme vereitelt und damit Mißbrauch der Amtsgewalt begangen hätte.
Da - wie erwähnt - diesbezügliche Feststellungen über die subjektive Tatseite fehlen - die Anführung seines Handlungsmotivs ('da er es jedoch wegen seiner Funktion als Dekanatsdirektor als peinlich empfand, als Antragsteller aufzutreten ....... '; S. 282) schließt, was der Beschwerdeführer übersieht, einen darüber hinausgehenden weiteren Vorsatz nicht unbedingt aus - diese jedoch bei richtiger Anwendung des Gesetzes dem Erkenntnis zu Grunde zu legen wären, weil erst dann eine abschließende rechtliche Beurteilung des Tatverhaltens des Angeklagten, sei es als Mißbrauch der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB, sei es allenfalls als mittelbare unrichtige Beurkundung (§ 228 StGB) oder aber als Falschbeurkundung im Amt (§ 311 StGB) möglich wird, zeigt sich, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich ist.
Insoweit war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde das Urteil (unter Einschluß des Strafausspruchs) zu kassieren und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Im übrigen aber war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen und der Angeklagte mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
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