Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und festgestellt, daß der vom Vorsitzenden des Schöffensenates des Landesgerichtes Innsbruck im Verfahren AZ. 25 Vr 572/80 dieses Gerichtes eingehaltene Vorgang, die von ihm erlassene Strafvollzugsanordnung, in der als auf die Strafe angerechnete Vorhaft die Zeit vom 6. Februar 1980, 4.00 Uhr, bis zum 16. Dezember 1980, 12.00 Uhr, eingetragen war, dahin zu 'berichtigen', daß der Vorhaftanrechnungszeitraum auf die Zeit vom 31. Oktober 1980, 12.00 Uhr, bis zum 16. Dezember 1980, 12.00 Uhr, 'eingeschränkt wird', das Gesetz in der Bestimmung des § 3 Abs. 1
StVG. in Verbindung mit §§ 38 Abs. 1 StGB., 400 StPO. verletzt.
Die auf diesem Vorgang beruhende Verfügung vom 20. Februar 1981 in ON. 107 d.A. wird aufgehoben.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Text
Gründe:
I./ Aus den Akten AZ. 20 Vr 318/80 und 25 Vr 572/80 des Landesgerichtes Innsbruck ergibt sich folgender Sachverhalt:
Gegen Herbert A waren beim Landesgericht Innsbruck zwei getrennt geführte (§ 57 Abs. 1 StPO.) Strafverfahren anhängig, und zwar 1.) das Verfahren AZ. 20 (33) Vr 318/80 (Ausscheidungsbeschluß ON. 71 dieser Akten) und 2.) das Verfahren AZ. 25 (32) Vr 572/80, in welchem sich der Genannte seit dem 6. Februar 1980 in Verwahrungsund Untersuchungshaft befand (Band I S. 11 dieser Akten).
Zu 1.):
In diesem Verfahren wurde Herbert A mit dem Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 29. September 1980, GZ. 20 Vr 318/80-78, des Vergehens des Hausfriedensbruches nach § 109 Abs. 3 Z. 1 und 3 StGB., des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. und des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 1 1/2 (eineinhalb) Jahren verurteilt. Gemäß § 38 StGB. wurde ihm die Verwahrungs- und Untersuchungshaft aus dem zu Punkt 2.) genannten Verfahren, nämlich vom 6. Februar 1980, 4.00 Uhr, bis 29. September 1980, 20.00 Uhr, auf die Strafe angerechnet.
Dieses Urteil erwuchs nach Rückziehung der von Herbert A angemeldeten Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung mit dem 31. Oktober 1980 in Rechtskraft. Die Zwischenhaft vom 29. September 1980, 20.00
Uhr, bis 31. Oktober 1980, 12.00 Uhr, wurde ihm gemäß §§ 38 StGB. und 400 StPO. ebenfalls auf die Strafe angerechnet (ON. 82, 83, 84 der Akten AZ. 20 Vr 318/80).
Herbert A trat die 1 1/2-jährige Freiheitsstrafe am 31. Oktober 1980, 12.00 Uhr, an und verbüßte diese (zur Gänze) bis zum 6. August 1981 (ON. 85, 100 der Akten AZ. 20 Vr 318/80). Eine Verständigung von der Anordnung des Strafvollzuges zum Zwecke der (erforderlichen) Aufhebung der Untersuchungshaft im Verfahren 25 Vr 572/80 gemäß dem § 180 Abs. 4 StPO. erging nicht (vgl. auch ON. 104, 107, 108 in den Akten AZ. 25 Vr 572/80).
Zu 2.):
In diesem Verfahren wurde Herbert A noch vor Rechtskraft des zu 1.) genannten Urteils mit dem Urteil des Schöffengerichtes vom 9. Oktober 1980, GZ. 25 Vr 572/80-86, wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 2, 129 Z. 1 bis 3, 130, zweiter Fall, 15 StGB., des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 und Abs. 2, erster Fall, StGB. und des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach §§ 136 Abs. 1, 2, 3, erster Fall, 15 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und gemäß § 23 Abs. 1 StGB. seine Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter angeordnet.
Gemäß § 38 StGB. wurde (ebenfalls) die Vorhaft vom 6. Februar 1980, 4.00 Uhr, bis 9. Oktober 1980, 12.30 Uhr, angerechnet. Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Herbert A gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit dem Urteil vom 16. Dezember 1980, AZ. 3 Bs 465/80, teilweise dahin Folge, daß die verhängte Freiheitsstrafe, unter Bedachtnahme auf das (zu 1.) genannte, mittlerweile in Rechtskraft erwachsene) Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 29. September 1980, GZ. 20 Vr 318/80-78, gemäß §§ 31, 40 StGB. auf 4 1/2 (viereinhalb) Jahre herabgesetzt wurde (ON. 97 der erstgerichtlichen Akten).
Mit dem Beschluß des Vorsitzenden des Schöffengerichtes vom 29. Dezember 1980 wurde Herbert A nach §§ 38 StGB. und 400 StPO. ein Zwischenhaftzeitraum vom 9. Oktober 1980, 12.30 Uhr, bis 16. Dezember 1980, 12.00 Uhr, angerechnet (ON. 98 d.A.), wobei in der (detailliert nach der urteilsmäßig und der im Beschluß nach dem § 400 StPO. angenommenen Anrechnungszeit) einen Gesamtanrechnungszeitraum vom 6. Februar 1980, 4.00 Uhr, bis 16. Dezember 1980, 12.00 Uhr, ausweisenden Strafvollzugsanordnung ausdrücklich auf eine (zum Teil) idente Anrechnung im Verfahren AZ. 20 Vr 318/80 (Hv 9/80) hingewiesen wurde und nach der Aktenlage der in diesem Verfahren bereits (am 31. Oktober 1980) erfolgte Strafantritt Herbert A nicht bekannt war (ON. 98, 99, 104, 108 der Akten AZ. 25 Vr 572/80).
Gegen den Zwischenhaftanrechnungsbeschluß erhob die Staatsanwaltschaft nach am 19. Jänner 1981
erfolgter Aktenmitteilung (§ 78 StPO.) keine Beschwerde (ON. 98 S. 199 und 200 d.A.).
Eine Zustellung des Beschlusses an den Verurteilten ist den Akten nicht zu entnehmen.
Am 20. (ON. 99 offenbar irrtümlich: 26.) Februar 1981 berichtigte der Vorsitzenden auf Grund eines Ersuchens des Leiters des lg. Gefangenenhauses Innsbruck um 'Klarstellung der Vorhaftanrechnung), einer entsprechenden Mitteilung des Präsidenten des Landesgerichtes Innsbruck und einer Zweitschrift des Berichtes über den Strafantritt Herbert A im Verfahren AZ. 20 Vr 318/80 (ON. 102, 105, 107 der Akten AZ. 25 Vr 572/80) die Strafvollzugsanordnung ON. 99 dahin, daß der Vorhaftanrechnungszeitraum auf die Zeit vom 31. Oktober 1980, 12.00 Uhr, bis 16. Dezember 1980, 12.00 Uhr, eingeschränkt wurde (ON. 99, 107 d.A.).
Gegen diese Verfügung erhob die Staatsanwaltschaft am 26. Mai 1981 Beschwerde (ON. 113 d.A.), welche am 4. Juni 1981 von der Oberstaatsanwaltschaft zurückgezogen wurde (ON. 115 d.A.). Am 30. Juli 1981 beantragte die Staatsanwaltschaft, die Strafvollzugsanordnung (ON. 99 d.A.) in der Weise abzuändern, daß die Vorhaftanrechnung 'für den Zeitraum 31. Oktober 1980, 12.00 Uhr, bis 16. Dezember 1980, 12.00 Uhr', zu entfallen habe (ON. 117 S. 244 d. A.).
Das Landesgericht Innsbruck teilte daraufhin der Staatsanwaltschaft, ohne über deren Antrag formell zu entscheiden, am 4. August 1981 mit, daß eine Abänderung der Strafvollzugsanordnung im beantragten Sinn nicht möglich sei, da dem Verurteilten Herbert A durch den ergangenen, rechtskräftigen Beschluß auf Anrechnung der Vorhaft bis zum 16. Dezember 1980
ein Recht erwachsen sei, das ihm nunmehr auch nach Kenntnis von dem im Verfahren AZ. 20 Vr 318/80 am 31. Oktober 1980 eingeleiteten Strafvollzug nicht mehr genommen werden könne (ON. 117 S. 244 d.A.). Hierauf erhob die Staatsanwaltschaft am 7. August 1981 (Aufsichts-)Beschwerde im Sinne des § 15 StPO. (ON. 119 d.A.). Mit dem Beschluß vom 27. August 1981, AZ.
3 Bs 332/81, sah das Oberlandesgericht Innsbruck jedoch keinen Grund zu einem aufsichtsbehördlichen Einschreiten, wobei es ebenfalls davon ausging, daß die Anrechnung des Strafhaftzeitraumes nicht mehr beseitigt werden könne, weil sie dem Verurteilten zum Vorteil gereiche (ON. 121 d.A.).
Die Staatsanwaltschaft zog schließlich am 9. September 1981 den vorerwähnten Antrag vom 30. Juli 1981
(auf Änderung der Strafvollzugsanordnung) zurück (ON. 123 d. A.; richtig wohl: ON. 122 / siehe die Aktenübersicht /). Herbert A verbüßt die im Verfahren AZ. 25 Vr 572/80 über ihn verhängte 4 1/2-jährige Freiheitsstrafe seit dem 6. August 1981 (im Anschluß an die im Verfahren AZ. 20 Vr 318/80 vollstreckte Freiheitsstrafe / ON. 100 der letztgenannten Akten /). II./ Die Generalprokuratur erhob eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes und führte hiezu folgendes aus:
'Gemäß dem § 38 Abs. 1 StPO. ist eine Vorhaft (verwaltungsbehördliche und gerichtliche Verwahrungshaft sowie die Untersuchungshaft) auf Freiheitsstrafen und Geldstrafen unter den in den Z. 1 und 2 leg. cit. genannten Voraussetzungen (deren alternierendes Vorliegen hier in beiden Verfahren nicht zweifelhaft ist) nur dann anzurechnen, soweit sie nicht bereits auf eine andere Strafe angerechnet (oder der Verhaftete dafür entschädigt) worden ist.
Rechtliche Beurteilung
Unter der Anrechnung im Sinne dieser Negativbedingung ist allerdings die faktische, (erst) mit dem tatsächlichen Strafvollzug beginnende Anrechnung zu verstehen. Dies bedeutet für den Fall der Führung von Verfahren, die zueinander (wie vorliegend) im Verhältnis des § 56 StPO. stehen, daß zur Gewährleistung der späteren faktischen Anrechnung im Strafvollzug zunächst eine vorläufige (doppelte oder mehrfache) Anrechnung der gesamten Vorhaft in allen Verfahren zu geschehen hat, solange nicht in einem der abgesonderter Verfahren die Strafe unter tatsächlicher Anrechnung der Vorhaft, aktenkundig, in Vollzug gesetzt wurde. Trifft letzteres einmal zu, so ist (sind), weil es dann an der erwähnten Negativbedingung fehlt, die in dem (oder den) anderen Verfahren, sei es im Urteil, sei es auch in einem Zwischenhaftanrechnungsbeschluß nach dem § 400 StPO., erfolgte(n) vorläufige(n) Anrechnung(en) gegenstands-, d.h. wirkungslos (vgl. Leukauf-Steininger2, RN 7, 9
zu § 38 StGB.).
Dies zeigt aber, daß allerdings nur in den Fällen von Verfahren, die zueinander im Verhältnis des § 56 StPO. stehen, sämtliche urteilsmäßig und in Beschlußform nach § 400 StPO., ausgesprochen solcherart vorläufigen Vorhaftanrechnungen jeweils bloß unter der genannten Negativbedingung des § 38 Abs. 1 StPO., nämlich des Unterbleibens einer faktischen Vorhaftanrechnung in einem anderen der zusammentreffenden Strafverfahren, materielle und auch formelle Rechtskraft erlangen und dem Verurteilten hieraus Rechte erwachsen. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob durch einen zeitmäßig früher einsetzenden Strafvollzug in dem einen der getrennt geführten Verfahren die Negativbedingung in dem (den) anderen Verfahren später wegfällt oder, weil das andere Gericht (die anderen Gerichte) nicht in Kenntnis des (tatsächlichen) Strafvollzuges war(en), schon zur Zeit der formalen Anrechnung nicht gegeben war.
Bei mehrfachen Anrechnungen von Vorhaftzeiten in im Sinne des § 57 Abs. 1 StPO. gesondert geführten Verfahren ist (kann) die Frage, ob und inwieweit der (sei es im Urteil, sei es in einem Beschluß nach dem § 400 StPO. enthaltene) Vorhaftanrechnungsausspruch wirksam, d. h. nicht durch die faktische Anrechnung in dem (oder den) anderen Verfahren gegenstandslos ist, endgültig erst aus Anlaß des Strafvollzuges vom Gericht geklärt werden. In, zeitlich, erster Linie hat dies bei der Anordnung des Strafvollzuges zu geschehen. Ein dabei insoweit allenfalls unterlaufener Fehler kann aber im Hinblick auf den Charakter der Strafvollzugsanordnung als richterlicher Formalentscheidung, die keiner Rechtskraft fähig ist, jederzeit berichtigt werden.
Angewendet auf den vorliegenden Fall ergeben diese Grundsätze:
Da im Verfahren 25 Vr 572/80 mangels einer entsprechenden - indes gemäß dem § 180 Abs. 4 StPO.(vgl. insbesondere dessen letzten Satz) gebotenen - Verständigung die im Vefahren 20 Vr 318/80 geschehene Einleitung des Strafvollzuges nicht aktenkundig und dem Vorsitzenden daher nicht bekannt war, ist die Anrechnung der der Aktenlage nach aufrechten Untersuchungs- (=Zwischen-) Haft vom 9. Oktober 1980, 12.30 Uhr, bis 16. Dezember 1980, 12.00 Uhr, im erstgenannten Verfahren (ON. 98 dieser Akten) formal zu Recht erfolgt. Allein auch diese Anrechnung stand, wie dargelegt, gleich der schon im Urteil geschehenen Vorhaftanrechnung unter der (Negativ-) Bedingung der faktischen Nichtanrechnung des betreffenden Zeitraumes im abgesonderten Verfahren 20 Vr 318/80, erwuchs zufolge des in diesem bereits eingeleiteten Strafvollzuges weder in formeller noch in materieller Rechtskraft, und es ist dem Verurteilten Herbert A, daraus, entgegen der Meinung der Vorinstanzen im Verfahren 25 Vr 572/80 und des Oberlandesgerichtes Innsbruck, insbesondere kein Recht auf Anrechnung der, tatsächlich in Strafhaft verbrachten, Zeit vom 31. Oktober 1980 bis 16. Dezember 1980 erwachsen.
Der Vorsitzende im Verfahren 25 Vr 572/80 hätte rechtsrichtig schon bei Anordnung des Strafvollzuges die Frage der faktischen Anrechnung im Verfahren 20 Vr 318/80 zu prüfen, jedenfalls aber in der Folge nach erlassener Strafvollzugsanordnung spätestens bei Bekanntwerden des in letzterem Verfahren eingeleiteten Strafvollzuges und dessen Beginnes die Strafvollzugsanordnung dahin zu berichtigen gehabt, daß eine Vorhaftanrechnung zur Gänze zu unterbleiben habe. Demnach stand das Vorgehen des Vorsitzenden im Verfahren 25 Vr 572/80, wonach er zunächst in der Strafvollzugsanordnung vom 12. Jänner 1981 als Vorhaftanrechnungszeitraum die Gesamtzeit vom 6. Februar 1980, 4.00 Uhr, bis 16. Dezember 1980, 12.00 Uhr, auswies, sodann in der Berichtigungsverfügung vom 20. Februar 1981 diesen Zeitraum auf 31. Oktober 1980, 12.00 Uhr, bis 16. Dezember 1980, 12.00 Uhr, einschränkte und schließlich in seiner Note an die Staatsanwaltschaft vom 4. August 1981 deren Begehren, auch die letzterwähnte Anrechnungszeit aus der Strafvollzugsanordnung auszuschalten, ablehnte, mit dem Gesetz in der Bestimmung des § 38 Abs. 1 StGB. nicht im Einklang.
Im Zuge des (noch) andauernden Strafvollzuges wird der Vorsitzende in der Lage und verpflichtet sein, im Sinne des seinerzeitigen Begehrens des öffentlichen Anklägers, mag dieses in der Zwischenzeit auch formal zurückgezogen worden sein, von Amts wegen zu verfahren.'
Die Generalprokuratur beantragte demnach, als Verletzung des Gesetzes (§ 38 Abs. 1 StGB.) festzustellen, 1) daß in der Strafvollzugsanordnung vom 12. Jänner 1981
als Vorhaftzeitraum eine Gesamtzeit vom 6. Februar 1980, 4.00 Uhr, bis 16. Dezember 1980, 12.00 Uhr, ausgewiesen wurde, 2) daß in der Berichtigungsverfügung vom 20. Februar 1981
dieser Zeitraum auf 31. Oktober 1980, 12.00 Uhr, bis 16. Dezember 1980, 12.00 Uhr, eingeschränkt wurde und 3) daß in der an die Staatsanwaltschaft Innsbruck gerichteten Note vom 4. August 1981 deren Begehren, die unter 2) erwähnte Anrechnungszeit aus der Strafvollzugsanordnung auszuschalten, abgelehnt wurde. III./ Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt nur teilweise Berechtigung zu.
Der Oberste Gerichtshof vermag den Ausführungen der Generalprokuratur über die rechtliche Bedeutung der Strafvollzugsanordnung nicht zu folgen.
Die Generalprokuratur unterscheidet nicht zwischen der Anordnung des Strafvollzuges (§ 397 StPO.; § 3 Abs. 1 erster Satzteil StVG.) und der Strafvollzugsanordnung im engeren Sinne (§ 3 Abs. 1 zweiter Satzteil StVG.). Entgegen der Auffassung der Generalprokuratur ist lediglich die Anordnung des Strafvollzuges, das ist die mit StPO.-Form StV 4 vorzunehmende Aufforderung an den Verurteilten, die Strafe in einer Vollzugsanstalt anzutreten, eine gerichtliche Entscheidung, wogegen die Erlassung der Strafvollzugsanordnung (StPO.-Form StV 1) der im § 3 Abs. 1 zweiter Satzteil StVG. vorgesehenen Verständigung der nach § 9 StVG. zur Einleitung oder Durchführung des Strafvollzuges zuständigen Anstalt von der erfolgten Anordnung des Strafvollzuges entspricht (siehe dazu Kunst in MKK StVG. S. 6 Nr. 6 sowie Punkt 2 der Durchführungsvorschrift zum Strafvollzugsgesetz a.a.0. S. 348 und 349). Diese ist demnach keine materiellrechtliche Wirkungen entfaltende richterliche Entscheidung (über das Ausmaß der verhängten Freiheitsstrafe oder die Anrechnung der Vor- und Zwischenhaften), sie dient vielmehr lediglich dazu, die bezüglichen richterlichen Entscheidungen (Urteil und Beschlüsse) der Vollzugsanstalt amtlich zur Kenntnis zu bringen. In diese Verständigung sind nach den hiefür geltenden Vorschriften unter anderem die für die Berechnung der Strafzeit (§ 1 StVG. und Punkt 1 der Durchführungsvorschrift) zum Strafvollzugsgesetz erforderlichen Daten über Vor- und Zwischenhaft, wie sie im Urteil und in dem gemäß § 400 StPO. ergehenden Beschluß festgelegt wurden, aufzunehmen, wobei (nach der Anmerkung 4 in der StPO.-Form StV 1) bei einer Urteilsfällung gemäß §§ 31 oder 66 StGB. auch die Daten des früheren Urteils anzugeben sind. Diese Mitteilung könnte auch durch die übersendung des Urteils bzw. des betreffenden Beschlusses erfolgen, hat aber (aus verwaltungstechnischen Gründen) mittels eines eigenen Formblattes zu geschehen, das auf die für die Vollzugsanstalt bedeutsamen Daten beschränkt ist, etwa wie auch die Strafkarte auf jene Angaben zu beschränken ist, die für das Strafregisteramt von Bedeutung sind).
Es ist ausschließlich Sache der Vollzugsbehörden, auf Grund der ihnen in der Strafvollzugsanordnung mitgeteilten Urteils- bzw. Beschlußdaten und an Hand der eigenen Akten den allenfalls 'fiktiven' Vollzugsbeginn festzusetzen und sodann unter Zugrundelegung der in der Rechtsprechung hiefür entwickelten Grundsätze die Strafzeit (und damit das Strafende) zu berechnen (SSt. 43/29, Kunst, a.a.0. S. 14). Dem Gericht steht kraft des Grundsatzes der Gewaltentrennung unbeschadet des ihm in der Strafprozeßordnung und im StVG.
eingeräumten Mitwirkungsrechtes am Strafvollzug eine förmliche Einflußnahme auf diesen behördeninternen Berechnungsvorgang nicht zu.
Daß es sich bei der Strafvollzugsanordnung (StPO.-Form StV 1) entgegen der Meinung der Generalprokuratur um keine (der Rechtskraft nicht fähige) richterliche Formalentscheidung, sondern um eine in Ansehung der darin angeführten Daten bzw. Umstände durchaus berichtigungsfähige Verständigung im Sinne des § 3 Abs. 1 StVG. handelt, ergibt sich daraus, daß die Vollzugsbehörde (und nicht das Gericht) in der Vollzugsanordnung durch die Streichung des Vermerkes, daß das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, sowie im Fall der Änderung des Urteils erster Instanz im Rechtsmittelverfahren durch entsprechende Anführung der Angaben über den Inhalt des Urteils der zweiten Instanz zu berichtigen hat, wenn der Verurteilte die Strafe angetreten hat, bevor das Urteil erster Instanz rechtskräftig geworden ist und deshalb die Strafvollzugsanordnung schon vor Rechtskraft des Urteils erlassen wurde (siehe Punkt 2 Abs. 3 der Durchführungsvorschrift zum Strafvollzugsgesetz).
Es entspricht aber auch der sonstige Inhalt der Strafvollzugsanordnung, in der z.B. auch anzugeben ist, ob es sich um einen Erstvollzug handelt oder ob der Verurteilte bereits früher eine oder mehrere Freiheitsstrafen verbüßt hat, dafür, daß die Strafvollzugsanordnung nur der Verständigung der Vollzugsanstalt über die für den Strafvollzug relevanten Umstände durch das Gericht dient und keineswegs als gerichtliche Entscheidung aufzufassen ist, durch welche die bisher ergangenen Aussprüche des Gerichtes erster oder zweiter Instanz über die Anrechnung von Haftzeiten korrigiert werden können. Daraus ergibt sich, daß die Strafvollzugsanordnung mit jenen richterlichen Entscheidungen übereinstimmen muß, in welchen die betreffenden Daten (insbesondere die Strafhöhe und die Anrechnung von Vor- und Zwischenhaft) gerichtsordnungsgemäß ausgesprochen wurden. In die Strafvollzugsanordnung dürfen sohin - von dem in § 294 Abs. 1, 2. Satz, StPO. und im Punkt 2 Abs. 3 der Durchführungsvorschrift zum Strafvollzugsgesetz vorgesehenen Fall abgesehen - nur solche vollzugsrelevante Daten Aufnahme finden, die durch eine rechtskräftige richterliche Entscheidung (§§ 281 Abs. 1 Z. 11, 345 Abs. 1 Z. 13, 400, zweiter Satz, StPO.) gedeckt sind u d es müssen mithin diese Daten mit den betreffenden richterlichen Entscheidungen korrespondieren.
Keinesfalls darf also die Strafvollzugsanordnung die bisher ergangenen Aussprüche des Gerichtes in dieser Beziehung korrigieren; denn dies wäre nicht nur mit dem Grundsatz der Bindung des Gerichtes an die eigene Entscheidung sondern auch mit dem Institut der Rechtskraft unvereinbar.
Das besagt allerdings nicht, daß bei der Berechnung der Strafzeit aus Urteilen, die im Verhältnis des § 31
StGB. stehen, die in jenem von ihnen bis zur Zeit seiner Fällung anzurechnende Vorhaft (siehe hiezu SSt. 43/5) doppelt zu berücksichtigen ist. Es ergibt sich vielmehr aus den für die Anrechnung von Haftzeiten maßgeblichen Vorschriften, daß erst mit der effektiven Berücksichtigung eines angerechneten Zeitraumes beim Vollzug eines dieser Urteile, also mit Strafende, die Anrechnung desselben Zeitraumes in den übrigen Urteilen und damit die Anrechenbarkeit im Sinne des Punktes 1 der bereits mehrfach erwähnten Durchführungsvorschrift zum Strafvollzugsgesetz erlischt (siehe nochmals SSt. 43/5).
So gesehen, kann durch die Erlassung einer anrechenbare Haftzeiten unrichtig anführenden Strafvollzugsanordnung das Gesetz niemals unmittelbar in der für die Anrechnung der Haft maßgeblichen Vorschriften verletzt werden. Letztere hat nämlich das Gericht nur bei seiner Entscheidung über die Anrechnung der Vor- und Zwischenhaft, demnach anläßlich der Urteilsfällung bzw. in dem gemäß § 400 StPO. ergehenden Beschluß und nicht auch bei der Erlassung der Strafvollzugsanordnung anzuwenden.
In dieser hat es vielmehr bloß den Inhalt der im Verhältnis des § 31 StGB. stehenden Urteile (bzw. Beschlüsse gemäß § 400 StPO.) richtig und vollständig anzuführen und im übrigen die Berechnung der Strafzeit der hiefür zuständigen Anstalt zu überlassen.
Das bedeutet jedoch nicht, daß die Erlassung der Strafvollzugsanordnung bzw. das Unterbleiben einer solchen kein der nachprüfbaren Kontrolle auf Gesetzmäßigkeit nach § 33 Abs. 2 StPO. unterliegender Vorgang des Gesetzes ist, denn es kann das Gesetz unter Umständen (etwa bei Erlassung einer Strafvollzugsanordnung trotz eines der Vollstreckung entgegenstehenden gesetzlichen Hindernisses) schon durch die Mitteilung der sohin noch gar nicht vollstreckbaren Strafe an die Anstalt unrichtig angewendet bzw. verletzt werden.
Gegen diesen Grundsatz der übereinstimmung der in die Strafvollzugsanordnung aufzunehmenden und aufgenommenen vollzugsrelevanten Daten (hier Ausmaß der Vor- und Zwischenhaftanrechnung) mit dem Inhalt jener richterlichen Entscheidung, mit welcher (der Rechtskraft fähig und im Rechtsmittelweg bekämpfbar) über diese Daten abgesprochen wurde, hat der Vorsitzende vorliegend durch die Berichtigung der Strafvollzugsanordnung verstoßen. Denn urteilsund beschlußmäßig war (rechtskräftig und unabhängig davon, ob zu Recht oder zu Unrecht) der Gesamtvorhaftzeitraum, der auf die Strafe angerechnet wurde, mit der Zeit vom 6. Februar 1980 bis 16. Dezember 1980
festgestellt worden (urteilsmäßige Vorhaftanrechnung vom 6. Februar 1980 bis 9. Oktober 1980; beschlußmäßige Zwischenhaftanrechnung vom 9. Oktober 1980 bis 16. Dezember 1980; beide Aussprüche sind mangels Bekämpfung in Rechtskraft erwachsen). An diese durch richterliche Entscheidung verbindlich ausgesprochenen, auf die Strafe des Herbert A angerechneten Vorhaftzeiten, hatte sich der Vorsitzende bei der Ausstellung der Strafvollzugsanordnung zu halten und durfte auch nachträglich (ohne entsprechende Beseitigung oder Änderung der betreffenden richterlichen Entscheidungen) in der Strafvollzugsanordnung insoweit nichts ändern.
Da gemäß §§ 33 Abs. 2, 292 StPO. im Wege der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes auch gesetzwidrige Vorgänge wahrzunehmen sind, war die aufgezeigte gesetzwidrige Vorgangsweise, die der Vorsitzende des Schöffengerichtes durch die einschränkende Berichtigung der Strafvollzugsanordnung eingehalten hat, festzustellen und seine darauf beruhende Verfügung vom 20. Februar 1981 (in ON. 107 d.A.) zu beseitigen.
Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu verwerfen.
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