OGH 12Os135/82

OGH12Os135/824.11.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.November 1982

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stortecky als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter A wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 23. April 1982, GZ. 7 Vr 115/82-9, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Stranzinger, sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch seine Rechtsmittel verursachten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24.Jänner 1958 geborene kaufmännische Angestellte Walter A abweichend von der auf das Verbrechen der versuchten Nötigung zum Beischlaf lautenden Anklage der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 18.Jänner 1982

in Tumeltsham Brigitte B 1) dadurch, daß er sie in eine Geflügelhalle drängte und dort festhielt, die persönliche Freiheit entzogen, 2) mit den Worten, er werde sie schlagen, gefährlich bedroht zu haben, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen. Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte Walter A als auch die Staatsanwaltschaft Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung erhoben. Der Angeklagte strebt mit seiner auf die Ziffern 5

und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde einen Freispruch von der wider ihn erhobenen Anklage an. Den Schuldspruch wegen Freiheitsentziehung (Punkt 1 des Urteilssatzes) erachtet der Beschwerdeführer insofern für mangelhaft begründet, als die am Tatort eingeschrittenen Gendarmeriebeamten im Schnee entsprechende Spuren hätten wahrnehmen müssen, wenn Brigitte B sich tatsächlich ernsthaft gesträubt hätte, als sie vom Angeklagten in die Geflügelhalle gedrängt wurde; die Gendarmeriebeamten hätten jedoch bekundet, ganz normale - von einem Normalgang stammende - Fußspuren vorgefunden zu haben. Wäre ihr Sträuben tatsächlich ernsthaft gewesen, würde Brigitte B nicht erst in der Halle, sondern schon im Freien geschrieen und, während der Angeklagte die Hühner fütterte, versucht haben, aus der Halle wegzukommen, zumal nach ihren Angaben die Hallentür zwar von ihnen versperrt, der Schlüssel aber nicht abgezogen gewesen sei. Auch habe das Erstgericht die haarsträubenden Widersprüche in der Aussage der Zeugin B nicht entsprechend gewürdigt und keine stichhaltigen Gründe für den (angenommenen) objektiven Wahrheitsgehalt dieser Aussage angegeben.

Rechtliche Beurteilung

Die behaupteten Begründungsmängel liegen nicht vor. Mit dem Umstand, daß die Gendarmeriebeamten am Tatort keine Schleifspuren wahrgenommen haben, setzt sich das Erstgericht in den Gründen des angefochtenen Urteils ohnehin auseinander und führt dies darauf zurück, daß der Angeklagte die Frau, nachdem er sie aus dem Auto gezerrt hatte, trotz ihres Sträubens vor sich her in die Geflügelhalle geschoben hat, was ihm deshalb gelang, weil ihr Widerstand nicht besonders stark war (Seiten 124, 128 und 131 d.A.). Diese Annahme läßt keinen logischen Fehler erkennen und ist auch mit den Ergebnissen des Beweisverfahrens vereinbar. Die Widersprüche in den Angaben der Zeugin B sind vom Erstgericht keineswegs übersehen worden. Wenn der Schöffensenat der Darstellung der Zeugin in den Grundzügen dennoch gefolgt ist, so handelt es sich hiebei um einen im Nichtigkeitsverfahren als solcher unanfechtbaren Akt richterlicher Beweiswürdigung. Das Erstgericht ist in diesem Zusammenhang aber auch der ihm obliegenden Begründungspflicht nachgekommen, wobei es sich insbesondere auf die Bekundungen des Sachverständigen Univ.Prof. Dr. Klaus C stützen konnte, der bei Brigitte B keine besondere Konfabulationsneigung festzustellen vermocht und sie als viel zu primitiv bezeichnet hat, um phantasievoll irgendwelche Geschichten zu erzählen (Seiten 117, 127 d. A.).

Im übrigen versucht der Beschwerdeführer nur in einer im Nichtigkeitsverfahren gegen Urteile eines Schöffengerichtes unzulässigen und daher unbeachtlichen Weise die Beweiswürdigung des Erstgerichtes anzufechten.

Für rechtsirrig im Sinne der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO erachtet der Angeklagte den Schuldspruch wegen Freiheitsentziehung deshalb, weil er den Urteilsfeststellungen zufolge Brigitte B zwar in die Halle geschoben, dort aber wieder ausgelassen habe, ohne daß die Frau versucht hätte, aus der Halle wegzukommen, obwohl der Schlüssel innen gesteckt sei, bei welcher Situation weder von einem dem Verlassen des Raumes entgegenstehenden ernstlichen Hindernis gesprochen, noch angenommen werden könne, daß Brigitte B diesen - zudem nur kurzfristig andauernden - Zustand als Freiheitsbeschränkung empfunden hat.

Die Rechtsrüge versagt ebenfalls.

Wohl ist unter einer Freiheitsentziehung i.S. des § 99 StGB nicht jede unwesentliche Beschränkung der freien Bewegung schlechthin zu verstehen, sondern nur ein Gefangenhalten oder ein Freiheitsentzug auf eine Weise, die so schwerwiegend ist, daß derselbe sich einem Gefangenhalten qualitativ nähert. Eine derartige Freiheitsentziehung muß von gewisser Dauer und durch Schwere und Ernstlichkeit des Angriffes gekennzeichnet sein (Leukauf-Steininger2, RN. 6 zu § 99 StGB). Eine mit einer sexuell motivierten Belästigung verbundene Bewegungseinschränkung in der Dauer von wenigen Minuten kann aber nach Lage des Falles schon lang genug sein, um dem Täter und dem Opfer die darin gelegene Freiheitsentziehung bewußt zu machen und den Tatbestand herzustellen (siehe Mayerhofer/Rieder I Nr. 3 zu § 99 StGB).

Ebendies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Ob und wie das Opfer sich allenfalls befreien hätte können, ob eine Befreiung leicht, schwer oder gar nicht möglich gewesen wäre, ist ohne Bedeutung. Entscheidend ist nur, daß Brigitte B durch das Verhalten des Angeklagten eine nicht nur ganz unerhebliche Zeitspanne hindurch die Bewegungfreiheit genommen und sie unter für sie besonders bedrückenden Umständen spürbar in ihrer Freizügigkeit behindert war.

In diesem Zusammenhang kommt dem Umstand, ob der Schlüssel tatsächlich im Schloß der versperrten Tür gesteckt ist, keineswegs die ihm vom Beschwerdeführer zugeschriebene wesentliche Bedeutung zu, weil der Angeklagte während der ganzen Zeit zugegen war und es der Frau schon aus diesem Grunde nicht möglich gewesen wäre, gegen seinen Willen den Raum zu verlassen, ohne mit weiterer Gewaltanwendung gegen ihre Person rechnen zu müssen. Gegen den Schuldspruch wegen gefährlicher Drohung (Punkt 2 des Urteilssatzes) wendet der Beschwerdeführer ein, daß Brigitte B vor der Gendarmerie von einer Bedrohung durch den Angeklagten überhaupt nichts erwähnt hat.

Dieser Umstand wird jedoch in den Entscheidungsgründen ohnehin erörtert, wobei das Erstgericht zum Ergebnis gelangte, daß die Glaubwürdigkeit der Zeugin dadurch nicht erschüttert wird, zumal ihr unmittelbar nach der Tat die Angriffe auf ihre Geschlechtsehre als das Bedeutsamste am ganzen Vorfall erschienen sind (Seite 129 d.A.). Auch hiebei handelt es sich um einen im Nichtigkeitsverfahren nicht anfechtbaren, auf einer logischen Schlußfolgerung beruhenden Akt freier richterlicher Beweiswürdigung.

Was jedoch die Tatbildmäßigkeit der vom Erstegericht als erwiesen angenommenen Drohung im Sinn des § 107 Abs. 1

StGB anlangt, so ist es kein Tatbestandserfordernis der gefährlichen Drohung, daß der Bedrohte wirklich in Furcht und Unruhe versetzt worden ist. Wesentlich ist allein, ob die Drohung objektiv geeignet war, dem Bedrohten Furcht und Unruhe einzuflößen, und in subjektiver Hinsicht, ob der Täter mit seiner Drohung den Zweck verfolgt hat, dies zu bewirken, wobei unter Furcht und Unruhe ein nachhaltiger, das ganze Gemüt ergreifender, peinvoller Seelenzustand des Opfers zu verstehen ist (siehe Leukauf-Steininger2, RN. 3 und 6 zu § 107 StGB).

Ob einer Drohung diese Eignung zukommt, ist jeweils anhand der näheren Umstände des betreffenden Einzelfalles zu beurteilen. Zieht man aber die bedrängte Situation der Brigitte B, insbesondere die vorangegangenen sexuell motivierten Angriffe des Angeklagten und den Umstand, daß die Frau sich mit dem - ihr körperlich überlegenen - Angeklagten allein in einem von diesem versperrten Raum befand, in Betracht, so ist in der Annahme, daß die vom Angeklagten ausgesprochene Drohung geeignet war, Brigitte B in Furcht und Unruhe zu versetzen - was den Urteilsfeststellungen zufolge auch der Absicht des Angeklagten entsprach -, ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen.

Soweit der Beschwerdeführer vermeint, daß das Erstgericht sich selbst widerspreche, wenn es ihm einerseits unterstelle, seine Absicht sei auf die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs gerichtet gewesen, anderseits aber ihm die Absicht unterstelle, Brigitte B in Furcht und Unruhe zu versetzen, verkennt er das Wesen des Tatbestandes der Nötigung zum Beischlaf, der eben darin besteht, daß der Täter eine Person weiblichen Geschlechtes ... durch gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf nötigt. In den Gründen des angefochtenen Urteils wird sogar besonders darauf hingewiesen, daß es dem Angeklagten beim Aussprechen der inkriminierten Drohung (zunächst) darauf angekommen ist, die Frau durch Androhung einer Verletzung am Körper in Furcht und Unruhe zu versetzen, er in weiterer Folge aber dadurch erreichen wollte, daß Brigitte B sich ihm hingebe (Seite 130 d.A.).

Weil dem Erstgericht somit auch in bezug auf den Schuldspruch wegen gefährlicher Drohung weder ein Begründungsmangel noch ein Rechtsirrtum unterlaufen ist, war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen.

Die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer auf die Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde eine Verurteilung des Angeklagten wegen Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 und 15 StGB an. Ihrem Rechtsmittel muß ein Erfolg ebenfalls versagt bleiben. Zwar ist der Anklagebehörde darin beizupflichten, daß ein Täter, der nach erfolgter Gewaltanwendung oder gefährlicher Drohung freiwillig vom Versuch der Nötigung zum Beischlaf zurücktritt, dennoch strafrechtlich für von ihm bis zu diesem Zeitpunkt bereits dem Opfer aufgenötigte Unzuchtshandlungen wegen Vergehens der Nötigung zur Unzucht haften würde. Von Unzucht im Sinne eines geschlechtlichen Mißbrauchs kann aber nur dann gesprochen werden, wenn zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige Körperpartien des Opfers oder des Täters mit dem Körper des anderen in eine nicht bloß flüchtige sexual bezogene Berührung gebracht werden (vgl. die bei Leukauf-Steininger2 RN. 5 und 6 und bei Mayerhofer/Rieder I2 unter Nr. 2jeweils zu § 203 StGB angeführten Entscheidungen). Ob der Griff des Angeklagten nach der mit einem Büstenhalter bedeckten Brust der Zeugin nur flüchtig war, kann den Urteilsfeststellungen nicht entnommen werden. Aber selbst wenn man davon ausgeht, daß es sich um eine nicht nur flüchtige sexual bezogene Berührung der Brüste des Mädchens handelte, ist dieser Angriff nicht als das (vollendete) Vergehen der Nötigung zur Unzucht strafbar, weil nach den Feststellungen des Erstgerichtes der Angeklagte (in diesem Zeitpunkt noch) annahm, daß Brigitte B zu Unzuchtshandlungen bereit war, und er sie nach dem Erkennen des (ernstlichen) Widerstandes nicht mehr betastete (S. 133). Der Vorsatz des Täters bezog sich somit im Zeitpunkt der Berührung der Brust nicht auf alle Tatbildmerkmale der Nötigung zur Unzucht. Im übrigen hat der Angeklagte den Urteilsfeststellungen zufolge seinen Versuch, die Zeugin zum außerehelichen Beischlaf und damit verbunden - dem Beischlaf vorausgehend - auch zur Unzucht zu nötigen, freiwillig aufgegeben (S. 132, 133). Der Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB), der dem Angeklagten zugute kommt, umfaßt somit auch die vom Angeklagten gesetzten Versuchshandlungen in Richtung der Nötigung zur Unzucht. Es war somit auch die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zu verwerfen.

Walter A wurde nach § 28, 99 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt. Bei der Strafbemessung waren erschwerend, die Begehung zweier strafbarer Handlungen (wenngleich diesem Umstand vom Erstgericht im Hinblick auf die Einheitlichkeit des Tätervorsatzes keine besondere Bedeutung zugemessen wurde), die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorverurteilungen und die Begehung der Tat unter Ausnützung der Schwachsinnigkeit der Angegriffenen, mildernd, daß es dem Angeklagten auf Grund des Vorlebens der Zeugin zunächst leicht erscheinen mußte, sie zum Geschlechtsverkehr zu bewegen, und er wohl deshalb überhaupt erst in die verhängnisvolle Situation geriet, daß letztlich trotz Vollendung der Tat kein Schaden herbeigeführt wurde, weil ein psychischer Schaden der Frau im Hinblick auf das Gutachten des Sachverständigen nicht angenommen werden kann, letztlich das Eingeständnis der Möglichkeit, daß sich B gewehrt hat.

Mit ihren Berufungen streben die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung, der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und bedingte Strafnachsicht (allenfalls unter gleichzeitiger Erhöhung der Freiheitsstrafe) an.

Die Berufungen sind nicht berechtigt.

Daß der Angeklagte, wie er in seiner Berufung als weiteren Milderungsgrund geltend machen will, annehmen konnte, daß sich die Zeugin B leicht zu einem Geschlechtsverkehr bewegen lassen wird, hat das Erstgericht ohnehin ausreichend berücksichtigt. Daß der Angeklagte einer Beschäftigung nachgeht und zu heiraten beabsichtigt, kann als Milderungsumstand ebensowenig gewertet werden, wie der Umstand, daß kein Schaden entstanden ist (vgl. § 32 und 34 StGB). Die letzte einschlägige Vorstrafe erlitt der Angeklagte nicht, wie er behauptet, im Jahre 1974, sondern am 15. Juni 1981, sodaß, wie die Staatsanwaltschaft zutreffend ausführt, auch der rasche Rückfall einen weiteren Erschwerungsumstand bildet. Im übrigen hat aber das Schöffengericht die Strafzumessungsgründe richtig erfaßt und gewürdigt. Weil die Freiheitsentziehung nur kurze Zeit dauerte, ist der Schuldgehalt der Tat nicht so hoch, daß eine Erhöhung der Strafe erforderlich wäre. Bei den Vorstrafen des Angeklagten war aber auch eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe nicht möglich. Bedingte Strafnachsicht kam bei dem Angeklagten mit Rücksicht auf sein Vorleben und den raschen Rückfall überhaupt nicht in Betracht.

Es war somit beiden Berufungen ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

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