OGH 12Os141/82

OGH12Os141/8228.10.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Oktober 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Hon. Prof. Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stortecky als Schriftführerin in der Strafsache gegen Zeki A wegen des Vergehens der gewerbsmäßigen gleichgeschlechtlichen Unzucht nach § 210 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 5. Juli 1982, GZ 4 b Vr 677/82-10, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Resch sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird jedoch das angefochtene Urteil dahin ergänzt, daß dem Angeklagten Zeki A die erlittene polizeiliche Verwahrungshaft in der Zeit vom 15. April 1982, 19,00 Uhr, bis zum 16. April 1982, 11,15

Uhr, gemäß § 38 Abs 1 StGB auf die verhängte Strafe angerechnet

wird.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Das Jugendschöffengericht erkannte den am 18. Dezember 1964 geborenen, sohin jugendlichen Karosseriespenglerlehrling Zeki A (im Urteil irrig: B; s S 31

d. A) des Vergehens der gewerbsmäßigen gleichgeschlechtlichen Unzucht nach § 210 StGB, begangen zwischen Sommer 1981 und 15. April 1982 in Wien mit zahlreichen Personen männlichen Geschlechts, schuldig und verurteilte ihn nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 11 Z 1 JGG zu einer (unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 (zwei) Monaten.

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Er macht geltend, daß er nach seinen Verhältnissen das Unrecht der Tat wegen eines (ihm nicht vorzuwerfenden) Rechtsirrtums nicht habe erkennen können.

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Beschwerdeführer unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a, sachlich jedoch lit b, des § 281 Abs 1 StPO behauptet, das Erstgericht habe die Rechtsfrage nach dem in Rede stehenden Schuldausschließungsgrund unrichtig gelöst, verkennt er, daß einerseits das Erstgericht nicht bloß auf ein - wie er meint - 'moralisches Unrechtsbewußtsein' abgestellt hat, und andererseits das Bewußtsein der Strafbarkeit eines Verhaltens keine Voraussetzung für die Bestrafung des Täters ist. Nicht schuldhaft handelt nach § 9 Abs 1 StGB ein Täter dann, wenn ihm das Unrecht der Tat durch einen (nicht vorwerfbaren) Rechtsirrtum verhüllt ist (Leukauf-Steininger StGB2 § 3 RN 24; SSt 50/14 ua; vgl auch ÖJZ-LSK 1978/345); weiß er hingegen (auch nur ganz allgemein) um das rechtliche Verbotensein seines Verhaltens - wobei schon bedingtes Unrechtsbewußtsein genügt -, dann liegt ein Rechtsirrtum im Sinne des § 9 Abs 1 StGB nicht vor (Leukauf-Steininger aaO RN 3; SSt 47/39 ua). Auch in der Entscheidung EvBl 1978/46 (= JBl 1978, 436), auf die sich der Beschwerdeführer beruft, hat der Oberste Gerichtshof durchaus im Einklang mit seiner ständigen Rechtsprechung (vgl seither zB SSt 50/14, EvBl 1979/194 und 1982/65) auf das Erkennen des Unrechts durch den Täter abgestellt und dieses Wissen um die soziale Untragbarkeit und damit (im gegebenen Fall: straf-)rechtliche Relevanz eines Verhaltens von der (bloßen) Einsicht in dessen moralische Unerlaubtheit abgegrenzt (vgl dazu Rudolphi in JBl 1981, 291 f). Daß sich aber der Angeklagte Zeki A des in seinem Verhalten gelegenen Unrechts bewußt war, hat das Jugendschöffengericht im Urteil festgestellt, hat es doch die Behauptung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, nicht gewußt zu haben, daß seine Handlungsweise (rechtlich) verboten (und strafbar) sei, als tatsachenwidrige Schutzbehauptung abgelehnt. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob dem Beschwerdeführer, etwa weil ihm nach der langen Dauer seines Aufenthalts in Österreich, seiner hier erworbenen Schulbildung und dem Grad seiner gesellschaftlichen und kulturellen Integration die Teilhabe am allgemeinen Rechtsbewußtsein in Österreich, was die Pönalisierung der männlichen homosexuellen Prostitution anlangt (vgl EvBl 1982/ 65), ebenso zugänglich war wie im Regelfall einem gleichaltrigen österreichischen Jugendlichen, der Mangel eines Unrechtsbewußtseins vorzuwerfen wäre, sodaß es deshalb gleichwohl bei seiner strafrechtlichen Haftung für die Vorsatztat des § 210 StGB bliebe (§ 9 Abs 2 und 3 StGB).

Gleichermaßen unberechtigt ist die Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO), die sich gegen die nach dem zuvor Gesagten für die Verneinung eines Rechtsirrtums im Sinne des § 9 StGB (allein) entscheidungswichtige Urteilsannahme richtet, der Angeklagte habe bei Ausübung der gewerbsmäßigen gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Unrechtsbewußtsein gehandelt. Das Jugendschöffengericht hat diese Konstatierung zureichend begründet, indem es ausführte, das Fehlen eines derartigen Unrechtsbewußtseins sei bei dem seit mehr als zehn Jahren (mit seiner Familie) in Österreich lebenden Angeklagten, der hier die Pflichtschule (wenngleich eine Allgemeine Sonderschule) besucht (und eine Berufsausbildung begonnen) hat, nicht glaubhaft und es müsse ihm das Unrecht der männlichen homosexuellen Prostitution auch bei seinen regelmäßigen Kontakten mit den diese Spielart der Gewerbsunzucht (gleich ihm) Ausübenden und deren Kunden aus dem Gesamtverhalten der Beteiligten offenbar geworden sein. Von einer Unvollständigkeit, logischen Mängeln oder gar einer bloßen Scheinbegründung des Urteils kann insoweit, der Beschwerde zuwider, keine Rede sein. Mit dem Einwand, die Schlußfolgerungen des Urteils seien nicht zwingend, wird kein formaler Begründungsmangel aufgezeigt, sondern nur (in im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässiger und daher unbeachtlicher Weise) die freie Beweiswürdigung des Erstgerichtes bekämpft.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlaß war jedoch (gemäß § 290 Abs 1 StPO) von Amts wegen wahrzunehmen, daß das Urteil - zum Nachteil des Angeklagten - insoweit mit Nichtigkeit nach der Z 11

des § 281 Abs 1 StPO behaftet ist, als die Anrechnung jener Vorhaft (verwaltungsbehördlichen Verwahrungshaft) unterblieben ist, die der Angeklagte im vorliegenden Verfahren in der Zeit vom 15. April 1982, 19 Uhr, bis zum 16. April 1982, 11 Uhr 15, erlitten hat (S 3, 11, 17). Gemäß § 38 Abs 1

StGB war diese Vorhaft auf die verhängte Strafe anzurechnen (ÖJZ-LSK 1982/37).

Bei der Strafbemessung wertete das Jugendschöffengericht als erschwerend den überaus langen Deliktszeitraum und die Häufigkeit der Tathandlungen, als mildernd hingegen das Geständnis und die bisherige Unbescholtenheit.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Erteilung einer Ermahnung gemäß § 12 (Abs 2) JGG an Stelle der Freiheitsstrafe an. Die Berufung ist zulässig (vgl 10 Os 11/78, 11 Os 20/ 78, 12 Os 30/78, 9 Os 23/82 ua), jedoch nicht berechtigt. Die Erteilung einer Ermahnung an Stelle der Verhängung einer (geringen) Geld- oder Freiheitsstrafe kann nur dann in Betracht kommen, wenn sie spezialpräventiv hinreicht, um den (jugendlichen) Rechtsbrecher von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Im vorliegenden Fall hat der Berufungswerber die Tat innerhalb eines langen Zeitraums mehrfach wiederholt. Es bedarf daher der Verhängung einer zwar geringen (und überdies bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe, um ihm das Unrecht seines Verhaltens entsprechend vor Augen zu führen und ihn davon abzuhalten, in Hinkunft weitere strafbare Handlungen (gleicher oder ähnlicher Art) zu begehen, sodaß es an den Voraussetzungen für die (bloße) Erteilung einer Ermahnung fehlt.

Auch der Berufung mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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