OGH 13Os143/82

OGH13Os143/8228.10.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Oktober 1982

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Müller-Dachler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengerichts vom 5.März 1982, GZ. 26 Vr 1865/80-82, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Hämmerle und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten wird Folge gegeben und die Strafe auf 1 (ein) Jahr herabgesetzt.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 21.Dezember 1931 geborene Vertreter Walter A wurde des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Es liegt ihm zur Last, am 15.(richtig: 16.)August 1980 (in den frühen Morgenstunden) in Linz Margit B durch gefährliche Drohung mit dem Erschlagen zum außerehelichen Beischlaf genötigt zu haben. Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

In Ausführung der Mängelrüge behauptet der Beschwerdeführer, das angefochtene Urteil sei in sich widersprüchlich, unvollständig, aktenwidrig und offenbar unzureichend begründet. Die geltend gemachten Begründungsmängel liegen jedoch nicht vor. Die in der Beschwerde zitierten Feststellungen, in denen zunächst zum Ausdruck kommt, daß nicht als erwiesen angenommen werde, der Angeklagte habe Margit B durch Schläge oder Drohungen mit Schlägen oder mit dem Umbringen zum außerehelichen Beischlaf genötigt (S. 423), die aber in weiterer Folge eine solche Nötigung doch konstatieren (S. 425), schließen einander deshalb nicht aus, weil sie sich ganz augenscheinlich auf verschiedene Zeiträume, nämlich einerseits auf die Zeit vor und andererseits auf die Zeit nach 3 oder 4 Uhr morgens (als der an der Wohnungstür des Angeklagten geläutet wurde) beziehen.

Unzutreffend ist weiters die Beschwerdebehauptung, im Urteil würde die Aussage der Zeugin B in ihren wesentlichen Teilen unrichtig wiedergegeben, zumal diese Zeugin keineswegs angegeben habe, nach dem Läuten an der Wohnungstür um etwa 4 Uhr morgens mehr- mals zum Geschlechtsverkehr unter dem Eindruck von Drohungen mißbraucht worden zu sein. Margit B hat derartige Angaben sehr wohl gemacht (vgl. S. 399, 406). Daß sie (nach Vorhalt) darüber hinaus erklärte, sie wisse nicht, ob der Angeklagte bis zuletzt Gewalt angewendet oder ob sie 'dann schon freiwillig mitgemacht' habe (S. 406), steht der erstrichterlichen Annahme, daß sie (zumindest nach dem Läuten) durch gefährliche Drohungen zum Beischlaf genötigt wurde, nicht entgegen; denn mit 'freiwillig' war lediglich die Einwilligung nach der durch Nötigung herbeigeführten Willensbeugung gemeint, was unter Berücksichtigung des Zusammenhangs mit den übrigen Angaben der Zeugin dem vom Gericht dieser Erklärung beigemessenen Sinn entspricht.

Im übrigen hat sich der Schöffensenat ohnedies ausführlich mit den - seiner Meinung nach nur teilweise Glauben verdienenden - Angaben der Zeugin B, aber auch mit den Widersprüchen zwischen diesen Angaben und der Verantwortung des Angeklagten auseinandergesetzt und in ausreichender und denkrichtiger Weise angeführt, weshalb Nötigungshandlungen (§ 202 Abs. 1 StGB) erst für die Zeit ab 3 oder 4 Uhr morgens des 16.August 1980

(Läuten an der Wohnungstür) erwiesen sind (S. 434 ff.). Mit den diese Schlußfolgerungen anzweifelnden Beschwerdeausführungen wird kein formaler Begründungsmangel in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO aufgezeigt, sondern lediglich der im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Versuch unternommen, die Beweisergebnisse anders zu deuten.

Es geht aber nicht nur die Mängel-, sondern auch die Rechtsrüge fehl.

Soweit der Beschwerdeführer behauptet, der Schuldspruch sei durch die getroffenen Feststellungen, denen zufolge nicht als erwiesen angenommen wurde, daß er Margit B zum Beischlaf nötigte, nicht gedeckt, genügt es, zu wiederholen, daß sich diese Konstatierungen auf die Zeit vor dem Läuten an der Wohnungstür beziehen, wogegen der Schuldspruch das Verhalten des Angeklagten nach 3 oder 4 Uhr morgens zum Gegenstand hat.

Rechtsirrig ist die vom Beschwerdeführer vertretene Ansicht, der Tatbestand des § 202 Abs. 1 StGB sei dann nicht erfüllt, wenn sich die Frau, die sich zunächst zu einem Beischlaf bereitfand, in der Folge, mag nun auch Gewalt angewendet worden sein, wiederum zu einem Geschlechtsverkehr überreden läßt (S. 483):

Genötigt (im Sinn des § 202 Abs. 1 StGB) ist das Opfer, wenn es sich unter dem (physischen oder psychischen) Druck der Gewalt oder - wie hier - der Drohung (vgl. dazu die Legaldefinition des § 74 Z. 5 StGB) dazu entschließt, den außerehelichen Beischlaf zu dulden (Leukauf-Steininger, Komm.2, RN. 8 zu § 202 StGB). Ergeben sich nun - wie im vorliegenden Fall konstatiert - beim intimen Zusammensein zwei Phasen, die sich dadurch voneinander unterscheiden, daß die Frau zunächst der Durchführung mehrerer Geschlechtsverkehre zustimmt, in der Folgezeit jedoch (hier: nach einem durch das mehrfach erwähnte Läuten gegen 3 oder 4 Uhr beendeten Schlaf) weitere Beischlafsakte in einer dem Partner erkennbaren Weise ablehnt, worauf Nötigungshandlungen gesetzt werden, um die Frau (nach Beugung ihres - nunmehr widerstrebenden - Willens) zu weiterem Intimverkehr zu veranlassen, verantwortet der Täter insoweit, als es sodann unter dem Eindruck der Nötigung zu Beischlafsakten kommt, den (vollendeten) Tatbestand nach § 202 StGB

Das Erstgericht läßt keinen Zweifel daran, daß B nach dem Läuten an der Wohnungstüre eben nicht mehr freiwillig zum Beischlaf bereit war, sondern sich hiezu nur unter dem Druck der gefährlichen Drohung entschloß, sodaß (als Folge der Willensbeugung) lediglich eine resignierende (und somit tatbestandsmäßige) Einwilligung vorlag. Schließlich trifft es auch nicht zu, daß das Urteil zur subjektiven Tatseite keine entsprechenden Feststellungen enthält. In den Entscheidungsgründen kommt vielmehr klar zum Ausdruck, daß der Angeklagte Margit B nicht nur objektiv, sondern auch vorsätzlich (siehe insbes.

S. 444 f. in Verbindung mit den übrigen bezughabenden Urteilsfeststellungen) durch gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf nötigte.

Mithin wurden vom Erstgericht alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Verbrechens nach § 202 Abs. 1 StGB festgestellt und rechtsrichtig beurteilt.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 202 Abs. 1 StGB und gemäß § 31 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichts Urfahr-Umgebung vom 26.September 1980, AZ. U 143/79 (Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB - zwei Monate Zusatzfreiheitsstrafe), eine weitere Zusatzfreiheitsstrafe von achtzehn Monaten. Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht die einschlägigen Vorstrafen, welche (sogar) nach § 39 StGB 'rückfallsqualifizierend' (richtig:

rückfallsbegründend, weil § 39 StGB eine fakultative Strafzumessungsnorm, jedoch keine Qualifikation darstellt, siehe dazu 13 Os 64/75, verstärkter Senat, veröffentlicht u.a. in EvBl. 1975/269, RZ. 1975/94, SSt. 46/40) sind, als erschwerend; hingegen erachtete es die leichte Gelegenheit (zur sexuellen Betätigung) als mildernd. Das Schöffengericht verlieh in diesem Zusammenhang seiner Ansicht Ausdruck, daß es einen wesentlichen Unterschied mache, ob jemand zum außerehelichen Beischlaf genötigt wird, der sich a priori dazu nicht bereit finden wollte, oder ob diese Nötigung gegenüber einer Frau, im vorliegenden Fall Margit B, die vorher freiwillig geschlechtlich verkehrte und dann weitere Geschlechtsakte ablehnt, angewandt wird.

Mit ihren Berufungen streben der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe, die Staatsanwaltschaft (unter Hinweis auf die Vorstrafenbelastung des Angeklagten, die Wiederholung der abgenötigten Beischlafsakte und das rücksichtslose Vorgehen) deren Erhöhung an.

Der Berufung des Angeklagten kommt Berechtigung zu:

Zwar verstieß das Erstgericht bei der Beurteilung des Erschwerungsgrunds nach § 33 Z. 2 StGB nicht gegen das Doppelverwertungsverbot, weil es von der - wie erwähnt, fakultativen - Strafbemessungsnorm des § 39 StGB nicht Gebrauch machte, sondern lediglich (gewissermaßen in abstracto) auf das Vorliegen dieser Voraussetzungen hinwies. Auch reklamiert der Angeklagte den Milderungsgrund des bloßen Versuchs zu Unrecht, weil sich hiefür in den maßgebenden Urteilsfeststellungen keine Grundlage findet. Unter den vom Erstgericht zutreffend aufgezeigten Umständen des konkreten Falls erachtet der Oberste Gerichtshof jedoch, von den erstinstanzlichen Strafzumessungsgründen ausgehend, denen - wie die Staatsanwaltschaft zutreffend hinweist - die Wiederholung der abgenötigten Beischlafsakte als erschwerend hinzuzufügen ist, eine Freiheitsstrafe von einem Jahr als angemessen.

Hiebei handelt es sich - im Gegensatz zur Meinung des Schöffengerichts - nicht um eine Zusatzstrafe. Nimmt nämlich ein nach der nunmehr abgeurteilten Tat gefälltes Urteil (hier: jenes des Bezirksgerichts Urfahr-Umgebung vom 26.September 1980) auf ein früheres Urteil (hier: des Landesgerichts Linz vom 16.Jänner 1979, AZ. 26 E Vr 2059/78) gemäß § 31 StGB Rücksicht, so kommt eine Bedachtnahme auf das spätere der beiden Urteile nur dann in Betracht, wenn die nunmehr urteilsgegenständliche Tat schon vor dem Urteil im ersten Verfahren begangen worden ist; denn wäre die jetzt gegenständliche Tat (zwischen erstem und zweitem Urteil) im zweiten Verfahren abgeurteilt worden, so hätte im zweiten Urteil nicht gemäß § 31 StGB auf das erste Urteil Rücksicht genommen werden können. Da also die gegenständliche Nötigung zum Beischlaf zwar vor dem zweiten, aber nach dem ersten der früheren Urteile verübt, im zweiten Urteil aber § 31 StGB ohnehin schon herangezogen wurde, ist § 31 StGB jetzt nicht mehr anzuwenden, um eine Doppelbegünstigung des Angeklagten zu vermeiden (LSK. 1980/51; im gleichen Sinn Leukauf-Steininger2, RN. 16 zu § 31 StGB).

Dem öffentlichen Ankläger, der mit seinem Rechtsmittel auf die Erledigung der Berufung des Angeklagten zu verweisen war, ist noch zu erwidern, daß eine über das deliktsspezifische Maß hinausgehende und daher als Erschwerungsumstand ins Gewicht fallende Rücksichtslosigkeit bei der Tatverübung den Urteilsfeststellungen zufolge kaum angenommen werden kann. Die Vorstrafen des Angeklagten wurden vom Schöffengericht - wie schon ausgeführt - gewissenhaft gewürdigt.

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