OGH 12Os124/82

OGH12Os124/827.10.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Hon. Prof. Dr. Steininger, Dr. Schneider und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stortecky als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz Georg A und Johann B wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den § 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Johann B sowie die Berufung des Angeklagten Franz Georg A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 21. April 1982, GZ. 20 k Vr 6854/81-92, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Siebenaller und Dr. Siegl, sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 10. September 1956 geborene Franz Georg A und der am 12. Mai 1957 geborene Johann B des Verbrechens des schweren Raubes nach den § 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB schuldig erkannt. Den Genannten liegt zur Last, am 6. Juni 1981

in Wien im einverständlichen Zusammenwirken als Beteiligte (§ 12 StGB) der Elisabeth C (in einer Aufzugskabine) mit Gewalt gegen ihre Person fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Franz Georg A ihr mit einer Hand den Mund zuhielt und die Handtasche entriß, in welcher sich eine Geldbörse mit etwa 800 S Bargeld, drei Kugelschreiber, ein Schlüsselbund und Briefmarken befanden, während Johann B die Lifttüre öffnete, um nach etwaigen Beobachtern Ausschau zu halten.

Die Geschwornen hatten die anklagekonform gestellte Hauptfrage 1./ des Inhalts, ob Franz Georg A und Johann B den am 6. Juni 1981 im einverständlichen Zusammenwirken als Beteiligte verübten Raub an Elisabeth C solcherart ausgeführt hätten, daß Franz Georg A die Frau umklammerte, ihr mit einer Hand den Mund zuhielt und sie zu Boden drückte, während ihr Johann B die Handtasche entriß, stimmeneinhellig mit der Einschränkung bejaht, daß Franz Georg A der Elisabeth C mit einer Hand den Mund zuhielt und ihr die Handtasche entriß, in der sich eine Geldbörse mit etwa 800 S Bargeld, drei Kugelschreiber, ein Schlüsselbund und Briefmarken befanden, während Johann B die Lifttüre öffnete, um nach etwaigen Beobachtern Ausschau zu halten.

Die für den Fall der Verneinung der Hauptfrage 1./ in Ansehung des Angeklagten B den Geschwornen gestellte Eventualfrage nach dem Verbrechen der Hehlerei gemäß dem § 164 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 3 letzter Fall StGB (Zahl 2./ des Fragenschemas) blieb demnach unbeantwortet.

Die übrigen Hauptfragen (Zahlen 3./ bis 7./ des Fragenschemas) nach fünf weiteren von Franz Georg A allein begangenen Raubtaten wurden von den Geschwornen jeweils stimmeneinhellig verneint und demzufolge wurde A im Ersturteil von der Anklage wegen Raubes in den betreffenden Fällen gemäß dem § 259 Z. 3 StPO (richtig: § 336 StPO) - rechtskräftig - freigesprochen.

Der Angeklagte Johann B bekämpft seinen Schuldspruch wegen Verbrechens des Raubes nach den § 142 Abs. 1, 143 1. Fall StGB mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 9 und (ersichtlich) 12 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Der Beschwerdeführer erblickt eine Undeutlichkeit und Widersprüchlichkeit des zur Hauptfrage 1./ ergangenen Wahrspruchs der Geschwornen im Sinne des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes im wesentlichen darin, daß dieser Wahrspruch, laut welchem sich sein von den Geschwornen als erwiesen angenommenes Tatverhalten nur im Öffnen der Lifttüre und im Ausschauhalten nach anderen Personen erschöpfe, keine schlüssige Aussage darüber enthalte, ob sein Vorhaben auch darauf gerichtet gewesen sei, damit einen Tatbeitrag zu dem gleichzeitig in seiner Gegenwart vom Mitangeklagten A an Elisabeth C (durch gewaltsame Wegnahme der Handtasche) verübten Raub zu leisten. Hiebei läßt jedoch der Beschwerdeführer außer acht, daß der mit diesem Vorbringen von ihm geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der Z. 9 des § 345 Abs. 1 StPO, der nur auf eine Undeutlichkeit, Unvollständigkeit oder Widersprüchlichkeit der Antworten der Geschwornen auf die an sie gerichteten Fragen abstellt, ausschließlich aus dem Wahrspruch der Geschwornen selbst und nicht etwa - wie dies der Beschwerdeführer unternimmt -

aus einem Vergleich des Wahrspruchs mit bestimmten Verfahrensergebnissen (hier: mit seiner leugnenden Verantwortung in der Hauptverhandlung) abgeleitet werden kann. Die Geschwornen haben nach dem Inhalt der von ihnen stimmeneinhellig, wenngleich mit der bereits dargelegten Einschränkung bejahten Hauptfrage 1./ ausdrücklich festgestellt, daß der Angeklagte Johann B im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Gewalt gegen das Tatopfer (durch Zuhalten des Mundes und Entreißen der Handtasche) ausübenden Mitangeklagten A gehandelt hat, indem er während dieses Tatgeschehens die Lifttüre öffnete, um nach etwaigen Beobachtern Ausschau zu halten. Angesichts dieser aus dem Wahrspruch hervorgehenden klaren Aussage zur subjektiven Tatseite, derzufolge von den Geschwornen auch ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken des Angeklagten B mit dem Mitangeklagten A bei Begehung des Raubes an Elisabeth C als erwiesen angenommen worden ist, verbleibt aber für die vom Beschwerdeführer behauptete Undeutlichkeit oder Widersprüchlichkeit dieses Wahrspruchs kein Raum, wird doch darin dem Angeklagten B der Sache nach unmißverständlich und in schlüssiger Weise Raubgenossenschaft im Sinne des § 143 1. Fall StGB mittels - den Mitangeklagten A bei der Tatausführung begünstigender - Aufpasserdienste zur Last gelegt, die er im einverständlichen Zusammenwirken mit A am Tatort im Zeitpunkte der vom Mitangeklagten gegen das Tatopfer ausgeübten Gewalt geleistet hat.

Rechtliche Beurteilung

Die ersichtlich auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 12 des § 345 Abs. 1 StPO gestützte Rechtsrüge (das Zitat des '§ 41 Abs. 2 StPO' in der Beschwerdeschrift - S 125/

II. Band - beruht offensichtlich auf einem Schreibfehler) läßt eine gesetzmäßige Ausführung vermissen, will doch der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang bloß seiner - einverständliches Handeln mit dem Mitangeklagten A bei Begehung des Raubes an Elisabeth C in Abrede stellenden -

leugnenden Verantwortung zum Durchbruch verhelfen, wobei er sich gleichzeitig über das im Wahrspruch der Geschwornen zum Ausdruck gebrachte Tatsachensubstrat, insbesondere über das dort in subjektiver Beziehung als erwiesen angenommene einverständliche Zusammenwirken des Angeklagten B mit dem Mitangeklagten A bei Verübung der Raubtat, hinwegsetzt. Im Rechtsmittelverfahren gegen Urteile der Geschwornengerichte ist aber die Richtigkeit der Gesetzesanwendung ausschließlich auf Grund der im Wahrspruch getroffenen Feststellungen zu prüfen. Eine Rechtsrüge kann daher nicht - wie dies hier der Beschwerdeführer unternimmt - auf angebliche oder tatsächliche Beweisergebnisse gestützt werden, die keinen EEingang in den Wahrspruch gefunden haben. Die im Wahrspruch getroffenen Tatsachenfeststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite sowie die diesen Tatsachenfeststellungen zugrundeliegende Beweiswürdigung sind aber einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entrückt.

Abgesehen davon ist die Rechtsrüge des Beschwerdeführers schon deshalb einer argumentationsbezogenen sachlichen Erwiderung nicht zugänglich und auch insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt, als von ihm unter dem geltendgemachten - wie erwähnt mit '§ 41 Abs. 2 StPO' bezeichneten - Nichtigkeitsgrund zwar die Rechtsrichtigkeit der Subsumtion der im Wahrspruch der Geschwornen zur Hauptfrage 1./ festgestellten Tat als schwerer Raub nach dem § 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB bestritten, nicht jedoch dargelegt wird, aus welchem Grund seiner Meinung nach der in diesem Wahrspruch umschriebene Sachverhalt einer anderen und welcher Strafbestimmung zu unterstellen sei, wie dies aber zu einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung des vom Beschwerdeführer offenkundig herangezogenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes (§ 345 Abs. 1 Z. 12 StPO) erforderlich wäre.

Die sohin zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann B war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB über Franz Georg A eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Jahren und über Josef B eine solche von fünf Jahren. Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht (bei beiden Angeklagten) als erschwerend die mehrfachen und empfindlichen, auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Vorstrafen sowie den raschen Rückfall, hinsichtlich A auch die Verleitung Bs zur (Raub-)Tat; hingegen berücksichtigte es die relativ geringe Beute, die vernachlässigte Erziehung und die - wenn auch sehr geringfügige - teilweise Schadensgutmachung (durch Rückstellung eines geraubten Kugelschreibers in der Hauptverhandlung), in Ansehung des Angeklagten A auch sein Geständnis, welches zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, bei B die eher untergeordnete Tatbeteiligung und die Verleitung durch den Mittäter A als mildernd.

Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten die Herabsetzung der Freiheitsstrafen an.

Beiden Berufungen kann Berechtigung nicht zuerkannt werden:

Das Geschwornengericht stellte nämlich hinsichtlich beider Angeklagten die (besonderen) Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig fest und unterzog sie einer zutreffenden Würdigung. Es vernachlässigte auch nicht die allgemeinen, für die Strafbemessung geltenden Normen (§ 32 StGB).

Keiner der von den Angeklagten in ihren Berufungen reklamierten zusätzlichen Milderungsumstände ist gegeben:

Eine 'geringe Gewaltanwendung' wie sie der Angeklagte A behauptet, ist angesichts des von den Geschwornen (durch Bejahung der Hauptfrage 1.) festegestellten Sachverhalts, nämlich Zuhalten des Mundes und Entreißen der Handtasche (worauf das Raubopfer zu Sturz kam - vgl dazu u.a. S. 57/II. Band), all dies in einer Aufzugskabine, also auf engem Raum, nicht gegeben.

Die Alkoholisierung kann deshalb nicht strafmildernd wirken, weil die Voraussetzungen des § 35 StGB nicht vorliegen; sie sind übrigens gar nicht substantiiert behauptet worden.

Der Umstand, daß das Raubopfer unverletzt blieb, bewirkt keinen Milderungsgrund. Vielmehr fiele eine leichte Körperverletzung als erschwerend, eine schwere Verletzung sogar als strafsatzerhöhende Erfolgsqualifikation ins Gewicht.

Aber auch die Annahme des Milderungsumstandes einer 'gewissen aufstoßenden Gelegenheit' (gemeint: einer besonders verlockenden Gelegenheit in der Bedeutung des § 34 Z. 9 StGB) entbehrt einer urteils- und aktenmäßigen Deckung. Eine gemeinsame Fahrt im Aufzug verleitet doch in keiner Weise zur Begehung eines Handtaschenraubes!

Soweit der Berufungswerber A seine 'menschenunwürdige Behandlung durch die Kriminalbeamten' (beim Bezirkspolizeikommissariat Donaustadt der Bundespolizeidirektion Wien) behauptet, könnte dieser Umstand als Milderungsgrund im Sinn des Strafgesetzbuches nicht herangezogen werden.

Die vom Angeklagten B behauptete Unbesonnenheit liegt nicht vor. Wenngleich die Tat nicht aufgrund reiflicher überlegung verübt worden ist, verlangt die Annahme von Unbesonnenheit in der Bedeutung des Milderungsgrundes nach § 34 Z. 7 StGB auch, daß der Tat keine kriminelle Neigung oder grundsätzliche Geringschätzung fremder Interessen zugrunde liegt (Leukauf-Steininger, Komm.2, RN 13 zu § 34 StGB unter Hinweis auf die EBRV 1971, 127). Diese Voraussetzungen sind nach dem Vorleben der Angeklagten, das durch acht (A) bzw. sechs (B) auf gleicher schädlicher Neigung beruhende Vorstrafen gekennzeichnet ist, und nach der Art der Tatverübung zu negieren. Schließlich vermag auch der Umstand, daß der Angeklagte B seit seiner letzten Verurteilung gearbeitet hat, keinen Milderungsgrund darzustellen.

Der von beiden Angeklagten begehrten Gewährung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB kann keinesfalls entsprochen werden, weil weder die Milderungsgründe die Erschwerungsumstände beträchtlich überwiegen, noch spezialpräventive Gründe die Anwendung des § 41 StGB zulassen.

Zu letzterem Belang genügt ein (neuerlicher) Hinweis auf die beträchtliche Vorstrafenbelastung der Berufungswerber. Insgesamt ergibt sich somit, daß die vom Geschwornengericht ausgemessenen Freiheitsstrafen keiner Reduktion bedürfen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.

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