OGH 10Os99/82

OGH10Os99/8221.9.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. September 1982

durch den zehnten Senat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini sowie in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Friedrich und Dr. Lachner als Richter unter Beiziehung des Richteramtsanwärters Dr. Stortecky als Schriftführerin in der Strafsache gegen Otto A und einen anderen wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs. 1, 143 (erster und zweiter Fall) StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Otto A und Johann B sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft (hinsichtlich beider Angeklagten) gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Krems an der Donau vom 25. März 1982, GZ 10 Vr 72/81-151, nach öffentlicher Verhandlung - Vortrag des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Anhörung der Ausführungen der Verteidiger Dr. Sakar und Dr. Springer sowie des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser - zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurden Otto A und Johann B der Verbrechen (1.) des (in insgesamt drei Fällen in Gesellschaft und unter Verwendung von Waffen durch überfälle auf Tankstellen begangenen) schweren Raubes nach § 142 Abs. 1, 143 (erster und zweiter Fall) StGB (mit einem Beutewert von zusammen rund 60.000 S), (2.) des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs. 1 StGB (in bezug auf einen Bank-Raub) und (3.) des (in zwei Fällen in Gesellschaft verübten) schweren Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 StGB (mit einem Beutewert von zusammen mindestens 7.300 S) sowie (5.) des - von B in Form eines Tatbeitrags gemäß § 12 dritter Fall StGB begangenen - Vergehens des schweren Betruges nach § 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB (durch Herauslocken eines Bankdarlehens in der Höhe von 60.000 S mittels einer falschen Urkunde) und A überdies (4.) des (während eines Zeitraums von etwa sechs Wochen verübten) Vergehens der Entziehung einer Minderjährigen aus der Macht der Erziehungsberechtigten nach § 195 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Der Sache nach nur gegen den Schuldspruch wegen Komplotts (Faktum 2.) sowie von Seiten des A überdies gegen den wegen Betruges (Faktum 5.) und von Seiten des B außerdem gegen jenen wegen eines Raubes (Faktum 1.a) richten sich die auf § 345 Abs. 1 Z 6 und 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, denen jedoch keine Berechtigung zukommt.

Verfehlt sind zunächst die Verfahrensrügen (Z 6).

Der Angeklagte A reklamiert eine 'Eventual- bzw Zusatzfrage' nach

tätiger Reue im Sinn des § 277 Abs. 2

StGB zur Hauptfrage V. nach Komplott, indessen zu Unrecht. Denn für die Annahme einer Vereinbarung zwischen sämtlichen Komplottanten, nämlich B, der abgesondert verfolgten Susanne C und ihm selbst, den verabredeten Raubüberfall auf die Bezirkssparkasse D nicht zu begehen, boten die in diesem Zusammenhang von ihm relevierten Passagen aus seiner eigenen Verantwortung (S 313/ III) keinen Anhaltspunkt, und das von ihm behauptete bloße Abbrechen einer Beobachtung des Tatobjekts dahin, ob er den geplanten Raub allenfalls allein ausführen könne, hinwieder wäre selbst dann, wenn es als erwiesen angenommen würde, in rechtlicher Hinsicht keineswegs (schon) als eine nach § 277 Abs. 2 StGB strafaufhebende endgültige Verhinderung der beabsichtigten gemeinsamen strafbaren Handlung zu beurteilen. Eine (prozessual hiefür ausschließlich in Betracht kommende) Zusatzfrage (§ 313 StPO) in die vom Beschwerdeführer gewünschten Richtungen hin war demnach durch das in der Verfahernsrüge bezogene Vorbringen in der Hauptverhandlung nicht indiziert.

Gleichfalls nicht zielführend ist der Einwand des Angeklagten B, daß den Geschwornen hinsichtlich des Mitangeklagten A auf Grund seiner vorerwähnten eigenen Verantwortung zu der in Rede stehenden Hauptfrage eine (Zusatz- - richtig:) Eventualfrage (§ 314 StPO) nach Raubversuch (§ 15, 142 Abs. 1, 143 StGB) hätte gestellt werden müssen.

Könnte doch die Annahme einer Verdrängung des (insofern sbusidiären) Komplotts durch einen Versuch des verabredeten Raubes (sowie die dementsprechende Bejahung einer Eventualfrage nach Raubversuch samt dafür vorauszusetzender Verneinung der Hauptfrage nach Komplott) in bezug auf A keineswegs, wie der Beschwerdeführer vermeint, bei ihm eine Straflosigkeit des Komplotts (und deswegen auch ihn betreffend die Verneinung jener Hauptfrage durch die Geschwornen) zur Folge haben: nicht um eine Strafaufhebung geht es dabei, sondern um das Eingreifen einer anderen Strafbestimmung infolge Gesetzeskonkurrenz, welches aber die Strafbargkeit seiner eigenen Tat, nämlich des Komplotts, bestenfalls - sofern nämlich (nach den maßgebenden Verfahrensergebnissen) dann nicht auch bei ihm die Annahme eines (durch eine Eventualfrage zu erfassenden) Tatbeitrags zum Raubversuch durch psychische Unterstützung im Sinn des § 12 dritter Fall StGB in Betracht käme - nicht zu berühren, keinesfalls aber zu beseitigen vermöchte. Zur Bemängelung des den Mitangeklagten A betreffenden Fragenschemas ist der Beschwerdeführer demnach in diesem Belang nicht legitimiert (§ 282 StPO).

Als unzulässig rügt der Angeklagte B ferner die Kumulierung der ihn und A betreffenden Hauptfragen V (nach dem bereits mehrfach erörterten Komplott) sowie I (zum Raub-Faktum 1.a). Auch damit ist er jedoch nicht im Recht.

Nach § 317 Abs. 2 StPO bleibt es der Beurteilung durch den Schwurgerichtshof im einzelnen Fall überlassen, welche Tatsachen in einer Frage zusammenzufassen oder zum Gegenstand besonderer Fragen zu machen sind. Diese Befugnis ist allerdings wohl durch die Erfordernisse einer ihrem Zweck, den Laienrichtern eine möglichst unproblematische Erfassung aller aktuellen Sachverhaltsvarianten mit ihrem Wahrspruch zu ermöglichen, entsprechenden Fragestellung begrenzt (vgl EvBl 1965/176 ua); darnach soll bei mehreren Angeklagten, die der Beteiligung an derselben Tat bezichtigt werden, insbesondere die Gefahr einer aus einer Zusammenfassung der Fragen resultierenden unsachgemäß pauschalen Beurteilung trotz ungleichartiger, nach Zahl und Gewicht der Belastungsmomente verschiedener Beweisergebnisse vermieden werden (vgl Mayerhofer-Rieder, E Nr 28, 29 zu § 317 StPO). Das bloße Leugnen eines von mehreren Mitangeklagten allein steht aber doch einer gemeinsamen Fragestellung, mag sie auch diesfalls verschiedentlich unzweckmäßig sein, nicht unbedingt entgegen, zumal den Geschwornen - worauf sie im gegebenen Fall in der Rechtsbelehrung (S 29) speziell hingewiesen wurden - die Möglichkeit offen steht, den Betreffenden von der Bejahung jener Schuldfrage durch eine entsprechende Einschränkung (§ 330 Abs. 2 StPO) auszuklammern (vgl Mayerhofer-Rieder, aaO, E Nr 27).

Nur eben auf ein derartiges Leugnen der ihm angelasteten Verabredung eines Raubüberfalls gerade auf die zuvor erwähnte Bezirkssparkasse aber (S 327 f/III) beruft sich der Beschwerdeführer bei seinen Einwänden gegen die Fragenkumulierung. Diese sind nach Lage des Falles umso weniger berechtigt, als er, seiner Beschwerdeauffassung zuwider, mit seiner relevierten Verantwortung zugleich (in Verbindung mit seiner folgenden Darstellung, S 330/III) sehr wohl eine dem Tatbestand des § 277 Abs. 1 StGB entsprechende vorausgegangene Komplott-Abrede zugegeben hat; denn der Umstand, daß darnach bei jener Vereinbarung die endgültige Auswahl des Tatobjekts für den im übrigen bereits fest geplanten Raubüberfall aus einem Kreis von drei bestimmten, schon auf ihre bestmögliche Eignung hiezu überprüften Bankfilialen noch kurzfristig offen gelassen wurde, könnte die Annahme, daß die verabredete Straftat solcherart immerhin in groben Umrissen feststand und dementsprechend in ihren wesentlichen Momenten konkretisiert war (vgl ÖJZ-LSK 1977/ 62 ua), nicht in Frage stellen. In Wahrheit geht es daher eigentlich (nur) darum, ob den Geschwornen eine alternative Hauptfrage nach einer vom Angeklagten zugegebenen anderen Tatmodalität hätte gestellt werden sollen, deren Unterbleiben aber jedenfalls keinen für ihn nachteiligen Einfluß auf die Entscheidung (§ 345 Abs. 3 StPO) zu üben vermochte (vgl SSt 23/91 ua).

In Ansehung des Raub-Faktums 1.a hinwieder betreffen die vom Beschwerdeführer relevierten Umstände (Auskundschaften des Tatorts, Finanzierung des Unternehmens, Verleitung zur Tat) weder die Schuldfrage noch den anzuwendenden Strafsatz, sodaß insoweit differente Beweisergebnisse - abgesehen davon, daß die Verfahrensrüge deren Bezeichnung vermissen läßt - einer gemeinsamen Fragestellung für beide Angeklagten (durch die Hauptfrage I) keinesfalls entgegenstünden.

Sofern sich diese Rüge schließlich, wie aus der Beifügung der Worte 'insbesonders' und 'zB' zu den bisher erledigten Einwänden abgeleitet werden könnte, auch noch auf die Fragestellung zu anderen Fakten erstrecken sollte, wäre sie - wie der Vollständigkeit halber bemerkt sei - mangels jeglicher Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich (§ 285 Abs. 1, 285 a Z 2, 344 StPO). Unberechtigt ist aber auch die Bemängelung der Rechtsbelehrung durch beide Angeklagten (Z 8).

Auf das Erfordernis einer Verabredung zu einer gemeinsamen Tatbegehung beim Komplott (Hauptfrage V) wurden die Geschwornen ausdrücklich hingewiesen, auf jenes einer Ernstlichkeit der Vereinbarung - und nichts anderes besagen auch die Wendungen, daß die Komplottanten 'in voller Tatbereitschaft zusammentreten' sowie 'zur Tatverübung einig und ernstlich entschlossen' sein müssen - dem Sinne nach unmißverständlich (S 16, 17 der Rechtsbelehrung); daß bloße Tatbesprechungen und das zunächst nur vorbereitende Auskundschaften von Tatmöglichkeiten demnach den Tatbestand des § 277 Abs. 1 StGB nicht erfüllen, ergibt sich daraus. Das Zurückführen der in die Fragen aufgenommenen gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung auf den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt aber ist nicht Aufgabe der schriftlichen Rechtsbelehrung (§ 321 StPO), sondern der im Anschluß an die mündliche Belehrung (§ 323 Abs. 1 StPO) vorgesehenen Besprechung des Vorsitzenden mit den Geschwornen (§ 323 Abs. 2

StPO). Eine Erläuterung der Bestimmung des § 277 Abs. 2 StGB hinwieder erübrigte sich im Hinblick darauf, daß eine (Zusatz-) Frage darnach gar nicht getellt wurde, die Belehrung aber (außer einer Klarlegung des Verhältnisses der einzelnen Fragen zueinander und der Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage) auf die vorgeschriebenen Erklärungen zu den tatsächlich gestellten Fragen zu beschränken ist (§ 321 Abs. 2 StPO).

Die Notwendigkeit des Vorliegens eines Schädigungs- und Bereicherungsvorsatzes des Täters beim Betrug (Hauptfrage IX) schon im Augenblick der Tatbegehung schließlich wurde den Laienrichter mehrfach vor Augen geführt (S 1, 25, 26 der Rechtsbelehrung), eine Abgrenzung zum Tatbestand des § 108 (Abs. 1) StGB dagegen war mangels einer auf jenen gerichteten Fragestellung entbehrlich. Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte die Angeklagten nach § 28, 143 erster Strafsatz StGB zu Freiheitsstrafen, und zwar A zu sechseinhalb Jahren sowie B zu sechs Jahren.

Dabei wertete es ihr (von A immerhin in bezug auf die wesentlichsten Fakten abgelegtes) Geständnis, ihr Alter von unter 21 Jahren (bei A zu den Tatzeiten) und ihre durch ein Anerkenntnis geäußerte Bereitschaft zur Schadensgutmachung sowie bei B überdies seine vernachlässigte Erziehung als mildernd, ihre (bei A in Richtung Vermögensdelinquenz und bei B hauptsächlich in Richtung Gewalttätigkeit) einschlägigen Vorstrafen, ihren (bei A binnen acht Tagen nach seiner letzten gerichtlichen Verurteilung und bei B während eines anhängigen Strafverfahrens sowie während des offenen Vollzuges einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe erfolgten) Rückfall, das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen mit bei B einem und bei A mehreren Vergehen, die Wiederholung der Raubüberfälle sowie die zweifache Qualifikation des schweren Raubes hingegen als erschwerend.

Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten eine Herabsetzung der über sie verhängten Freiheitsstrafen unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung, die Staatsanwaltschaft dagegen eine Straferhöhung an.

Auch den Berufungen kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu. Daß B (vorerst) trotz der Anhängigkeit eines neuerlichen Strafverfahrens gegen ihn und (in der Folge) ungeachtet seiner darin erfolgten Verurteilung sowie angesichts des ihm darnach bevorstehenden Vollzuges einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe rückfällig wurde, hat ihm das Erstgericht im Hinblick auf die darin zum Ausdruck kommende besondere Hartnäckigkeit seiner gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnenden Einstellung durchaus zu Recht als erschwerend angelastet.

Davon hingegen, daß sämtliche Taten nur aus Unbesonnenheit begangen worden wären, kann nach den Verfahrensergebnissen keine Rede sein. Unter Bedacht auf Art, Ausführung und Begleitumstände der den Berufungswerbern zur Last fallenden Delikte, die zu einem wesentlichen Teil dem Bereich der Schwerkriminalität zuzurechnen sind, vermag auch weder ein Mangel an geistiger Reife bei B noch eine psychische Labilität und (oder) Abhängigkeit des A von der im Tatzeitraum rund sechzehnjährigen Susanne C einen ins Gewicht fallenden Milderungsgrund abzugeben. Gleichermaßen zu Unrecht reklamieren beide Angeklagten wechselweise für sich als mildernd, sie hätten die Taten nur unter der Einwirkung des jeweils anderen sowie der genannten Minderjährigen begangen: daß sie einander gegenseitig zu den strafbaren Handlungen animierten, kann keinem von ihnen als Milderungsumstand zustatten kommen. Das Unterbleiben des verabredeten Raubüberfalls auf die Bezirkssparkasse D schließlich ist ihnen deshalb nicht als mildernd zugute zu halten, weil ihnen insoweit ohnedies nur die Vereinbarung (als Komplott) zur Last fällt und sie sich um deren Unwirksamkeit, jeweils auch in Ansehung einer Tatausführung durch den anderen, keineswegs bemüht haben. Der Staatsanwaltschaft hinwieder ist zwar einzuräumen, daß die bloße Bereitschaft zur Schadensgutmachung, sei es auch durch das formelle Anerkenntnis eines im Strafverfahren geltend gemachten Entschädigungsanspruchs, noch keinen Milderungsgrund darstellt (vgl ÖJZ-LSK 1978/276), doch ist die Ausschaltung dieser Erwägung nach Lage des Falles nicht von besonderer Bedeutung.

Bei den sohin im wesentlichen vom Geschwornengericht zutreffend angenommenen Strafzumessungsgründen erscheinen die über die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen, insbesondere mit Rücksicht einerseits auf den hohen Unrechtsgehalt der Raubüberfälle und des Komplotts sowie auf ihr jeweils durch mehrere (obgleich nicht allzu gravierende) einschlägige Verurteilungen getrübtes Vorleben, anderseits auf ihr Alter sowie auf den Umstand, daß sie vor den urteilsgegenständlichen Straftaten noch nicht das Strafübel eines Freiheitsentzugs erlitten hatten, nach ihrer tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) durchaus als angemessen. Den Berufungen mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte