OGH 9Os87/82

OGH9Os87/8214.9.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. September 1982

unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger, Dr. Walenta, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Rathmanner als Schriftführer in der Strafsache gegen Helga A wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach § 146, 147 Abs. 3, 148 (zweiter Fall) StGB über die von der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. März 1982, GZ 5 d Vr 601/82-19, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Maurer, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Presslauer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Helga A wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, in den Punkten 10./ und 11./ des Schuldspruches und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 3. September 1945 geborene Helga A des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen (richtig: gewerbsmäßigen schweren) Betruges nach § 146, 147 Abs. 3, 148 (zweitem Fall) StGB schuldig erkannt. Ihr liegt zur Last, in der Zeit von Mitte 1978 bis August 1981 in Wien gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachstehend genannte Personen durch die Vorgabe, lukrative Münztransaktionen durchführen zu können, und Angestellte von Kreditunternehmungen durch die Vorgabe, eine rückzahlungsfähige und rückzahlungswillige Darlehensnehmerin zu sein, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zur übergabe von Geldbeträgen und damit zu Handlungen verleitet zu haben, welche die betreffenden Personen bzw Kreditinstitute an ihrem Vermögen schädigten, und zwar 1./ Heinz B zur übergabe von insgesamt 100.000 S;

2./ Heinrich C zur übergabe von 50.000 S;

3./ Dr. Anton D zur übergabe von insgesamt 500.000 S (Schaden 380.000 S);

4./ Gertrude E zur übergabe von insgesamt 550.000 S (Schaden 450.000 S);

5./ Margarete F zur übergabe von 170.000 S;

6./ Gerda G zur übergabe von insgesamt 230.000 S;

7./ Friederike H zur übergabe von 130.000 S;

8./ Erika I zur übergabe von 132.000 S;

9./ Dr. Fritz J zur übergabe von 480.000 S;

10./ die X-Bank zur Ausfolgung von 120.000 S;

11./ die Y-Bank (R) zur Ausfolgung von 62.000 S;

12./ die Q-Bank zur Ausfolgung von 333.884 S;

13./ die S-Bank zur Ausfolgung von 72.992 S.

In Ansehung eines Faktums wurde Helga A gemäß § 259 Z 2 StPO

freigesprochen.

Die Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Gründe

der Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Soweit sich die Mängelrüge unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe auf die Fakten 10) und 11) des Urteilssatzes bezieht, muß ihr Berechtigung zuerkannt werden:

In der Tat hat nämlich das Erstgericht die Angaben der als Zeugen vernommenen Angestellten der X-Bank und der Y-Bank (siehe S 132 f) mit völligem Stillschweigen übergangen, wonach die jeweiligen Kreditaufnahmen im November 1976 bzw im September 1977, also vor dem vom Schöffengericht mit 'Mitte 1978' angenommenen Zeitpunkt der Entstehung eines Betrugsvorsatzes bei der Angeklagten, stattfanden. Da dieser Begründungsmangel einen zur Beurteilung der subjektiven Tatseite wesentlichen Umstand betrifft, mußte das Urteil insoweit in Stattgebung der Beschwerde aufgehoben und eine Verfahrenserneuerung angeordnet werden.

Rechtliche Beurteilung

In Ansehung der verbleibenden Teile des Schuldspruches vermag die Beschwerdeführerin jedoch keinen Begründungsmangel aufzuzeigen:

Eine ausdrückliche Erörterung des Zeitpunktes der Kreditaufnahme bei der S-Bank war entbehrlich, weil dieser nach den Verfahrensergebnissen jedenfalls innerhalb des vom Erstgericht angenommenen Deliktszeitraumes gelegen ist und daher kein der Konstatierung eines diesbezüglichen Betrugsvorsatzes der Angeklagten entgegenstehendes Beweisergebnis, welches gesondert zu erörtern gewesen wäre, darstellt. Gleiches gilt für die die Kreditaufnahme bei der Q-Bank betreffenden Einwände, weil weder der Umstand, daß neben der Angeklagten, welche sich zu diesem Faktum schuldig bekannt hat (S 127 f d.A), auch ihr Ehemann Reinhold A als Inhaber des Kreditkontos aufscheint (Beilage B zum Hauptverhandlungsprotokoll ON 18 d.A), noch der Umstand, daß die monatlichen Rückzahlungsraten in jenem Zeitraum, in dem der Kreditgeber gleichzeitig der mit einer Kompensationsmöglichkeit in Ansehung des Monatsgehaltes ausgestattete Arbeitgeber der Angeklagten war, eingehalten worden sind, gegen die Richtigkeit der Annahme spricht, daß die Angeklagte (auch) diese Kreditschuld betrügerisch eingegangen ist. Auch die von der Beschwerdeführerin behauptete Widersprüchlichkeit der Feststellungen über die Verwendungsbestimmung der betrügerisch erlangten Beträge ist nicht gegeben. Vom Erstgericht wird im Einklang mit der diesbezüglichen Verantwortung der Angeklagten (siehe insbesondere S 126 f d.A) zum Ausdruck gebracht, daß Helga A zu Geld kommen und sich Einnahmen verschaffen wollte, um die Beträge für private Zwecke, insbesondere den Lebensunterhalt der Familie, zu verwenden (S 142 f, 147 d.A). Die Frage, ob die Verwendung des Geldes im Ergebnis zu ihrem eigenen oder zum Vorteil anderer erfolgte, betrifft der Auffassung der Beschwerdeführerin zuwider keine entscheidende Tatsache, weil gewerbsmäßige Begehung eines Betruges zwar die Absicht des Täters voraussetzt, sich selbst den Vorteil aus der wiederkehrenden Deliktsbegehung zuzuwenden, welche Voraussetzung jedoch auch dann erfüllt ist, wenn der Betrüger die zufolge Vollbringung der Tat in seinem Vermögen eingetretene Bereicherung für Aufwendungen zugunsten anderer Personen heranziehen will. Dieser Fall ist nämlich von der in der Beschwerde ins Auge gefaßten Konstellation eines sogenannten fremdnützigen Betruges zu unterscheiden, bei dem eine unmittelbare Bereicherung eines Dritten angestrebt und demgemäß nicht auf die für eine gewerbsmäßige Begehung im Sinne des § 70 StGB essentielle täterbezogene Einnahmenerzielung abgestellt wird. Nur wenn der Tatplan nicht einmal eine vorübergehende Bereicherung des Täters vorsehen, sondern vielmehr im Wege eines derartigen fremdnützigen Betruges eine unmittelbare Vermehrung des Vermögens eines Dritten angestrebt werden würde, käme gewerbsmäßige Begehung mangels einer Absicht des Täters, sich selbst Einnahmen zu verschaffen, nicht in Betracht. Eine solche Fallgestaltung ist jedoch nach den insoweit widerspruchsfreien Konstatierungen des Erstgerichtes auszuschließen. Soweit die Beschwerdeführerin auch die Feststellungen zur inneren Tatseite hinsichtlich der Punkte 1./ bis 9./, 12./ und 13./ des Schuldspruches als unzureichend begründet bekämpft, unternimmt sie nach Art und Zielsetzung ihres Vorbringens lediglich einen im Rechtsmittelverfahren gegen Urteile der Schöffengerichte unzulässigen und solcherart unbeachtlichen Angriff auf die erstgerichtliche Beweiswürdigung, ohne aufzeigen zu können, daß die vom Schöffensenat insbesondere aus der Verantwortung der Angeklagten, die sich schuldig bekannt hat, abgeleiteten Schlußfolgerungen mit den Denkgesetzen oder der Lebenserfahrung nicht vereinbar seien oder doch so weit hergeholt erscheinen, daß das Urteil mit logischen Fehlern behaftet wäre. Analoges gilt für die in diesem Zusammenhang der Sache nach aufgestellte Behauptung, daß aus den vom Erstgericht berücksichtigten Verfahrensumständen auch andere, für die Angeklagte günstigere Konklusionen abgeleitet werden könnten, weil auch damit keine Nichtigkeit im Sinne der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO in gesetzmäßiger Weise dargetan, sondern in Wahrheit die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz einer prozeßordnungswidrigen Kritik unterzogen wird.

Auch die auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Rechtsrüge erweist sich als nicht zielführend, weil die von der Beschwerdeführerin unterstellte unrichtige rechtliche Ansicht über den Tatbestand des Betruges und daraus resultierende Feststellungsmängel dem Ersturteil keineswegs zu entnehmen sind. Abgesehen davon, daß die wirtschaftliche Situation des Täters im Tatzeitpunkt kein Tatbestandsmerkmal des Betruges darstellt, hat das Erstgericht die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vermißten Konstatierungen ohnehin getroffen (S 142 d.A), indem es feststellte, in der Angeklagten sei (Mitte 1978) 'in dieser besonders tristen Lage' der Plan gereift, durch fortlaufende betrügerische Transaktionen zu Geld zu kommen.

Eine rechtliche Notwendigkeit der Feststellung der Reihenfolge der von der Angeklagten eingegangenen Verpflichtungen bestand nicht. Der diesbezügliche Einwand könnte allenfalls unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels Bedeutung haben, jedoch hat das Erstgericht seiner Begründungspflicht - von den oben erwähnten beiden Punkten des Schuldspruches abgesehen - auch ohne derartige chronologische Aufzählung zu entsprechen vermocht.

Das unter Hinweis auf zwei schriftliche Zahlungsversprechen gegenüber den Geschädigten Wolfgang und Margarete F (Beilage 2 zum Hauptverhandlungsprotokoll ON 18 d.A) und gegenüber dem Geschädigten Dr. Fritz J (Beilage 1 zum Hauptverhandlungsprotokoll ON 18 d.A) vom 17. Dezember 1980 bzw vom 15. Dezember 1981 das Vorliegen des Strafaufhebungsgrundes der tätigen Reue nach § 167 StGB behauptende Vorbringen, welches eine Nichtigkeit der Punkte 5./ und 9./ des Schuldspruches im Sinne der Z 9 lit b des § 281 Abs. 1 StPO reklamiert, ist schon deshalb unberechtigt, weil das Erstgericht die einzelnen betrügerischen Angriffe auf einen einheitlichen, aus dem gleichen Willensentschluß entsprungenen Vorsatz zurückgeführt hat, sodaß nur eine rechtzeitige, freiwillige und vollständige Schadensgutmachung bei allen Fakten, nicht aber in einzelnen Fällen tätige Reue bewirkt hätte (Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN 21 zu § 167; SSt 50/18). Da schon aus diesem Grund ein isoliertes Vorliegen des Strafaufhebungsgrundes (allein) in Ansehung der Fakten 5./ und 9./ des Schuldspruches nicht in Betracht kommt, erübrigt es sich, näher darauf einzugehen, daß die bezeichnete Beilage 1 zum Hauptverhandlungsprotokoll nur das Versprechen der Gutmachung eines Teiles des von Dr. Fritz J erlittenen Schadens betrifft, weshalb nicht einmal bei einer gesonderten Beurteilung in diesem Fall den Voraussetzungen des § 167 Abs. 2 Z 2 StGB Genüge getan wäre.

Schließlich erweist sich auch die aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO erfolgende Bekämpfung der Annahme der Gewerbsmäßigkeit des Betruges als unbegründet, weil im Einklang mit der von der Beschwerdeführerin offenbar mißverstandenen Literatur und Judikatur davon auszugehen ist, daß der Wille des Täters, von ihm selbst erlangte Beute für andere zu verwenden, gewerbsmäßige Begehung der Straftat nicht ausschließt; entscheidend ist lediglich, daß der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederkehrende Begehung einer strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, wogegen die weiteren beabsichtigten Dispositionen über diese Einnahme bereits außerhalb der Begriffsbestimmung des § 70 StGB liegen.

Die - abgesehen von den Schuldspruchsfakten 10) und 11) - unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die Teilaufhebung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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