OGH 4Ob81/82

OGH4Ob81/8214.9.1982

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Friedl und Dr. Resch sowie die Beisitzer Dr. Alfred Kepl und Dr. Gerald Mezriczky als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Thomas P*****, vertreten durch Dr. Gerhard Eder, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Friedrich R*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Rohringer, Rechtsanwalt in Tamsweg, wegen 123.179 S sA (Revisionsinteresse 119.847 S sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 5. April 1982, GZ 31 Cg 18/82-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichts Tamsweg vom 25. August 1981, GZ Cr 10/80-25, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.789,22 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 357,72 S USt und 960 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte vom Beklagten den Betrag von 123.179 S samt Nebengebühren als restliche Gage für den Monat Jänner 1980 sowie für Februar 1980 bis 15. 4. 1980, anteilige Sonderzahlungen, Feiertagsentschädigung, Entschädigung für Arbeit an einem freien Tag, Ersatz der Vollpension und entgangenen Lohnsteuerjahresausgleich. Er habe mit dem Beklagten vereinbart, dass er vom 7. 12. 1979 bis 15. 4. 1980 in dessen Tanzlokal als Discjockey arbeiten werde. Der Beklagte habe ihn jedoch am 21. 1. 1980 grundlos entlassen, allerdings trotz der fristlosen Entlassung seine Dienste an diesem Tag noch bis zur Sperrstunde beansprucht.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, und wendete ein, der Kläger habe trotz Mahnung und Androhung der Entlassung häufig seinen Dienst zu spät angetreten. Er sei daher mit Recht entlassen worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte ist Besitzer eines Hotels mit Bar in Obertauern. Am 23. 11. 1979 schlossen die Streitteile mit einem vom Kläger zur Verfügung gestellten Vertragsformular für die Zeit vom 7. 12. 1979 bis 15. 4. 1980 einen Vertrag über die Beschäftigung des Klägers beim Beklagten als Discjockey. Als Arbeitsbeginn war zwischen den Streitteilen 20:30 Uhr vereinbart. Das Abendessen wurde vom Personal des Hotels zwischen 19:30 Uhr und 20:00 Uhr eingenommen. Der Kläger kam zum Essen meist zu spät, nach dem Essen ging er meist noch duschen. Der Beklagte legte großen Wert auf Pünktlichkeit. Trotzdem kam der Kläger öfters (vier- bis fünfmal) um ca 10 Minuten zu spät zum Dienst. Der Beklagte sagte nach den beiden ersten Vorfällen nichts, verwarnte jedoch den Kläger nach dem dritten Mal und sagte, dass er ihn entlassen werde, wenn er noch einmal zu spät komme. Nach dem vierten Mal wurde der Kläger vom Beklagten neuerlich ermahnt. Im Falle des Zuspätkommens legten als Notlösung entweder der Beklagte oder der Kellner oder die Barkellnerin Platten oder Kassetten auf. Der Grund für das Zuspätkommen war zB einmal, dass der Kläger im V*****-Haus noch eine Sportsendung im Fernsehen anschauen wollte.

Am 13. oder 14. 12. 1980 hatte der Kläger in der BRD einen Gerichtstermin und kam aus diesem Grund (vom Beklagten entschuldigt) erst um ca 22:00 Uhr in die Bar.

Am 18. oder 20. 12. 1980 fuhr der Kläger von Klagenfurt im PKW der Karin P***** mit, um seine Arbeit in Obertauern anzutreten. Karin P***** fuhr trotz Schneefalls über den Katschberg-Pass und benützte nicht den Tunnel. Auf einem Steilstück blieb der PKW hängen. Da weder Karin P***** noch der Kläger Schneeketten auflegen konnten, verzögerte sich die Weiterfahrt um ca 30 bis 45 Minuten. Der Kläger verständigte den Beklagten von der Verzögerung und traf erst um ca 21:15 Uhr bis 21:30 Uhr in Obertauern ein. Der Beklagte erklärte dem Kläger gegenüber, er könne gehen, wenn er noch einmal zu spät komme. Für den 21. 1. 1981 war im Lokal des Beklagten eine Tombola angekündigt. Vor diesem Abend war der Kläger im Hallenbad. Er wollte kurz vor 20:30 Uhr noch duschen, was ihm vom Beklagten untersagt wurde. Der Kläger hielt sich jedoch nicht daran, ging noch duschen und kam um ca 20:40 Uhr in die Bar. An diesem Abend war die Warmwasserzufuhr durch einen Defekt durch ca 10 bis 30 Minuten unterbrochen. Der Beklagte erklärte nunmehr dem Kläger, er brauche morgen (22. 1. 1981) nicht mehr arbeiten, heute sei sein letzter Arbeitstag. Der Kläger wollte seine Sachen einpacken, der Beklagte bestand aber darauf, dass er diesen Abend (insbesondere Durchführung der Tombola) noch arbeite. Der Beklagte kümmerte sich auch um eine Ersatzkraft für den Abend, konnte jedoch keine auftreiben. Als der Kläger am 22. 1. 1981 seine Arbeit wieder antreten wollte, untersagte ihm der Beklagte die Weiterarbeit.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, die häufigen Verspätungen des Klägers hätten seine Entlassung gerechtfertigt. Durch die Weiterarbeit am Entlassungstag sei das Entlassungsrecht nicht verwirkt worden, weil es dem Beklagten nicht zumutbar gewesen sei, bei Fehlen einer Ersatzkraft den Tombola-Abend „platzen zu lassen".

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung des Klägers teilweise Folge, sprach diesem den der Höhe nach unbestrittenen Betrag von 3.332 S sA an Feiertagsentschädigung und Arbeit an einem freien Tag zu und bestätigte die Abweisung des Mehrbegehrens von 119.847 S sA. Das Berufungsgericht verhandelte die Streitsache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem, traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht und teilte auch dessen Rechtsansicht, dass ein Entlassungstatbestand vorliege und das Entlassungsrecht nicht verwirkt sei. Daher seien alle aus der angeblich ungerechtfertigten Entlassung abgeleiteten Ansprüche des Klägers nicht berechtigt. Hingegen stehe dem Kläger die begehrte Entschädigung für die Arbeit an einem freien Tag und die Feiertagsentschädigung zu.

Gegen den abweisenden Teil des Urteils richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, es im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung abzuändern oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erblickt der Kläger darin, dass das Berufungsgericht den Zeugen Robert V***** nicht vernommen habe.

Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor.

Der Zeuge Robert V***** wurde vom Kläger zum Beweis dafür beantragt, dass der Beklagte schon vor der Entlassung geäußert habe, er müsse trachten, den Kläger los zu werden. Das Berufungsgericht hielt die Vernehmung des Zeugen deshalb nicht für erforderlich, weil diese behauptete Absicht des Beklagten für die Frage, ob der Kläger einen Entlassungsgrund gesetzt habe, bedeutungslos sei. Im Übrigen passe es durchaus in das Gesamtbild, dass der mit der Pünktlichkeit (richtig wohl: Unpünktlichkeit) des Klägers unzufriedene Beklagte Überlegungen angestellt habe, das Dienstverhältnis zum Kläger zu lösen. Damit hat aber das Berufungsgericht der Meinung Ausdruck verliehen, auch eine bewiesene derartige Äußerung des Beklagten ändere nichts am festgestellten Sachverhalt. Die Prüfung, ob zur Gewinnung der erforderlichen Feststellungen noch weitere Beweise notwendig sind, stellt jedoch einen Akt der unanfechtbaren Beweiswürdigung dar. Aber auch die Rechtsrüge ist nicht begründet.

Der Kläger meint, die Vorinstanzen hätten zu Unrecht dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, dass gemäß Punkt 7. des Engagementvertrags jede Art von mündlichen Abmachungen ungültig sei, wenn sie nicht nachträglich schriftlich fixiert werde. Da der Arbeitsbeginn nicht schriftlich vereinbart worden sei, seien die Vorinstanzen offenbar von einer mündlichen diesbezüglichen Vereinbarung ausgegangen, ohne Punkt 7. des schriftlichen Vertrags zu beachten. Es fehle an einer Feststellung, dass die Streitteile vom vereinbarten Formvorbehalt abgegangen seien.

Die Rüge ist nicht gerechtfertigt.

Der Kläger übersieht, dass die Parteien nach ständiger Rechtsprechung von der vereinbarten Form jederzeit einverständlich und zwar gemäß § 863 ABGB auch stillschweigend wieder abgehen können (Arb 7008; MietSlg 30.118 uva). Wenn daher die Parteien, wie dies dem eigenen Vorbringen des Beklagten im Beweissicherungsverfahren Nr 12/80 entspricht, mündlich den Dienstbeginn mit 20:30 Uhr vereinbart hatten und auch in der Folge von diesem Dienstbeginn ausgegangen sind, dann haben sie damit schlüssig zu erkennen gegeben, dass sie - zumindest hinsichtlich des im schriftlichen Vertrag nicht geregelten Beginnes der Dienstzeit - auch ohne schriftliche Vereinbarung gebunden sein wollten.

Der Kläger meint schließlich, die Vorinstanzen seien zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Beklagte sein Entlassungsrecht durch das Verlangen, der Kläger müsse auch nach der ausgesprochenen Entlassung noch weiter arbeiten, nicht verwirkt habe. Es hätten Feststellungen auch darüber getroffen werden müssen, ob der Kläger nur die Tombola durchgeführt habe oder auch während des restlichen Abends noch tätig gewesen sei.

Dem kann nicht beigepflichtet werden.

Ob eine vorzeitige Lösung eines Arbeitsverhältnisses kurz befristet ausgesprochen werden kann, ist strittig. Die Rechtsprechung anerkennt derartige Lösungen des Arbeitsverhältnisses ausnahmsweise dann, wenn sich der Erklärende auf einen wichtigen Grund stützt (Arb 6391; Arb 7255; Arb 8381 ua). Soweit Martinek-Schwarz (AngG3 416) meinen, die Inanspruchnahme einer solchen Frist müsse dem Prinzip des sozialen Schutzes entsprechen und daher im Interesse des anderen Teils erfolgen, weshalb sie nicht aus Gründen möglich sei, die in der Sphäre des Arbeitgebers gelegen seien, kann den Autoren nicht uneingeschränkt beigepflichtet werden. Die von ihnen zur Stützung ihrer Ansicht zitierte Entscheidung Arb 7255 sagt zu dieser Frage überhaupt nichts, während die Entscheidung Arb 6391 unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung nur meint, die Entscheidung SZ 7/178 habe sich bei der Zulassung einer Kündigung mit kürzerer Frist an Stelle einer Entlassung von der Erwägung leiten lassen, dass bei Vorliegen eines Entlassungsgrundes die Gewährung eines zeitlichen Spielraums bis zur Endigung des Dienstverhältnisses zu Gunsten des Dienstnehmers wirke.

Bei der Beurteilung, ob ein zeitliches Hinausschieben der Wirksamkeit einer Entlassung zulässig ist, kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Auch in den Fällen, in denen der Dienstgeber eine Entlassung mit späterem Wirksamkeitstermin ausspricht, muss daher geprüft werden, welche Gründe hiefür maßgebend waren und ob sich etwa aus der Weiterbeschäftigung des Dienstnehmers trotz Vorliegens eines Entlassungsgrundes ergibt, dass dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses auch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zugemutet werden kann.

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Entlassung des Klägers wegen wiederholtem verspäteten Erscheinen zum Dienst ausgesprochen, er jedoch verhalten wurde, seinen Dienst am Entlassungstag noch zu verrichten, weil an diesem Tag eine Tombola angesetzt war und der Beklagte trotz seiner Bemühungen keine Ersatzkraft für diesen Abend auftreiben konnte. Berücksichtigt man, dass der Ausfall des Discjockeys an diesem Abend, insbesondere aber eine durch sein sofortiges Ausscheiden notwendig werdende Absage der Tombola zu der vorgeschrittenen Zeit zu einem erheblichen Schaden für das erst kurze Zeit in Betrieb genommene Unternehmen des Beklagten geführt hätte, für den der Kläger ersatzpflichtig werden konnte, dann lag Bestehen des Beklagten auf der Dienstleistung des Klägers am Entlassungstag auch in dessen Interesse, so dass darin keine Verwirkung des Entlassungsrechts des Beklagten erblickt werden kann. Auch war der Entlassungstatbestand mit dem neuerlichen verspäteten Dienstantritt des Klägers bereits abgeschlossen und für die Dauer seiner Beschäftigung bloß an diesem Abend ein gleichartiger Verstoß des Klägers ausgeschlossen. Ob der Kläger an diesem Abend nur die Tombola durchgeführt hat oder darüber hinaus bis zum Dienstschluss als Discjockey tätig war, ist dabei ohne Bedeutung. Dass aber die Entlassung gerechtfertigt war, weil der Kläger trotz Androhung seiner Entlassung den Dienst wiederholt ohne entschuldbare Verhinderung verspätet angetreten hat, wird in der Revision nicht bestritten.

Da somit die Entlassung mit Ablauf des 21. 1. 1981 rechtswirksam war, stehen dem Kläger über diesen Zeitpunkt hinaus keine Ansprüche aus dem Dienstverhältnis und auch kein Anspruch auf Schadenersatz wegen nicht abgeführter Lohnsteuer zu.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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