Spruch:
Im Verfahren gegen Walter A wegen § 88 Abs. 1
und Abs. 4 (erster Fall) StGB, AZ. U 162/80 des Bezirksgerichtes Haugsdorf, verletzt der in den Entscheidungsgründen des Urteils des Kreisgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 16.November 1981, AZ. 9 a Bl 95/81, enthaltene Ausspruch, es fehle 'am Rechtswidrigkeitsbzw. Risikozusammenhang zwischen dem Verstoß des Angeklagten gegen die zitierte Norm (des § 24 Abs. 3 lit. d StVO.) und dem eingetretenen Schadensereignis', das Gesetz in den Bestimmungen der § 6 und 88 StGB Diese Gesetzesverletzung wird festgestellt.
Text
Gründe:
I. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Haugsdorf vom 15.Juli 1981, GZ. U 162/80-15, wurde der am 1.April 1928
geborene Landwirt Walter A des Vergehens der fahrlässigen (schweren) Körperverletzung nach § 88 Abs. 1
und 4 (erster Fall) StGB schuldig erkannt, weil er am 7.August 1980 in Pernersdorf dadurch, daß er seinen Mähdrescher auf der Fahrbahn der Bundesstraße 45 parkte, obwohl es sich hiebei um eine Fahrbahn mit Gegenverkehr, bei der nicht wenigstens zwei Fahrstreifen freiblieben, handelte, wodurch Horst B mit seinem PKW. auf den Mähdrescher auffuhr und hiebei eine schwere Körperverletzung, nämlich Serienrippenbrüche, eine schwere Kopfverletzung mit Gehirnerschütterung sowie Prellungen am Körper, erlitt, den Genannten fahrlässig am Körper verletzte.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen parkte der Beschuldigte am 7.August 1980 um ca. 20,30 Uhr seinen Mähdrescher in Pernersdorf vor dem Haus Nr. 145 so, daß der Abstand von dessen rechter Seite bis zur Hauswand 1,10 m betrug und die linke Seite der Maschine derart in die Fahrbahn hineinragte, daß bis zu der in deren Mitte verlaufenden Leitlinie nur ein Abstand von 20 cm verblieb. Gegen 21,40 Uhr fuhr Horst B mit dem von ihm gelenkten PKW. auf das Heck des unbeleuchtet abgestellten Mähdreschers auf. Zu dieser Zeit herrschte Dunkelheit; in der Nähe des Unfallsortes war allerdings eine Straßenlampe eingeschaltet. Die Umrisse des Mähdreschers waren aus einer Entfernung von 60 m deutlich als dunkler Schatten wahrzunehmen; bei Annäherung eines PKWs. mit eingeschaltetem Abblendlicht bewirkte die Reflexion der Rückstrahler eine Erkennbarkeit der Maschine aus einer Entfernung von 90 bis 100 m, so daß ein PKW-Lenker bei gehöriger Aufmerksamkeit und einer Geschwindigkeit von 50 km/h sein Fahrzeug problemlos rechtzeitig zum Stillstand bringen konnte.
Das Verschulden des Beschuldigten erblickte das Bezirksgericht Haugsdorf in seinem Verstoß gegen das Parkverbot des § 24 Abs. 3 'lit. c' (ersichtlich gemeint: lit. d) StVO.
Zufolge Berufung des Angeklagten ergänzte das Kreisgericht Korneuburg als Berufungsgericht zunächst das Beweisverfahren durch Beischaffung und Verlesung des Bescheides der NÖ. Landesregierung vom 21.Mai 1974, Zl. GB/2-3002/91-1974, über die eingeschränkte Zulassung des gegenständlichen Mähdreschers auf allen Straßen mit öffentlichem Verkehr. Sodann gab es der Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit mit Urteil vom 16.November 1981, AZ. 9 a Bl 95/81 (= GZ. U 162/80-22), Folge, hob das angefochtene Urteil auf und wies die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung dem Bezirksgericht Retz zu. Es brachte zum Ausdruck, daß es am 'Rechtswidrigkeits- bzw. Risikozusammenhang' zwischen dem vom Erstgericht angenommenen Verstoß gegen das Parkverbot des § 24 Abs. 3 lit. d StVO. und dem Unfall fehle, weil sich dieser in gleicher Weise zutragen hätte können, wenn der Mähdrescher am Unfallsort nicht geparkt, sondern (nach der Straßenverkehrsordnung erlaubterweise) gehalten hätte. Die Urteilsaufhebung und Verfahrensergänzung hielt das Berufungsgericht gleichwohl für erforderlich, weil im Ersturteil die Fahrlinie des Fahrzeuges des Verletzten und die seitliche Versetzung und überdeckung der beiden Fahrzeuge bei der Kollision nicht festgestellt werde; nur so könne aber geprüft werden, ob den Angeklagten wegen Verstoßes gegen die von der Verwaltungsbehörde bei der eingeschränkten Zulassung des Mähdreschers gemachten Auflagen ein Verschulden an dem Unfall treffen.
Rechtliche Beurteilung
II. Die - in der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes aus dem Problemkreis der objektiven Erfolgszurechnung herausgegriffene und vom Obersten Gerichtshof gleichfalls isoliert betrachtete - Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, es fehle am Risikozusammenhang zwischen dem Verstoß gegen § 24 Abs. 3 lit. d StVO. und dem verfahrensgegenständlichen Unfall, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Strafrechtlich verantwortlich für einen von ihm verursachten Erfolg ist ein Täter (unter anderem) nur dann, wenn die Folge seines objektiv sorgfaltswidrigen Verhaltens mit diesem auch spezifisch normativ verknüpft ist, sich also - mit anderen Worten gesagt - im eingetretenen Erfolg eine jener Gefahren verwirklicht, der die verletzte (Sorgfalts-) Schutznorm gezielt entgegenwirken will (vgl. Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 96 ff., und Wiener Kommentar, RN. 64 ff. zu § 6 sowie RN. 62 ff.
zu § 80; Kienapfel, BT I, RN. 139 zu § 80, und ZVR. 1977 162 ff.; Leukauf-Steininger, Kommentar2, RN. 27 ff. Vorbem. § 1 und RN. 7 ff. zu § 80; sowie Steininger, ÖJZ. 1981, 368 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen aus Lehre und Rechtsprechung). Daraus ergibt sich - angewendet auf den vorliegenden Fall - daß der eingetretene Erfolg (bei Vorliegen der sonstigen Zurechnungskriterien) dem Walter A (objektiv) zuzurechnen ist, wenn die von ihm nach den Urteilsannahmen - die in sachverhaltsmäßiger Beziehung allerdings den im Zulassungsbescheid für den Mähdrescher verfügten Verkehrsbeschränkung nicht Rechnung tragen - übertretene Vorschrift des § 24 Abs. 3 lit. d StVO. (nur oder auch) Unfällen wie dem gegenständlichen vorbeugen will. Ob dies zutrifft und der Schutzbereich der erwähnten Norm (speziell) Gefahren dieser Art umfaßt, ist an Hand einer sorgfältigen teleologischen Interpretation zu beurteilen; dabei ist der konkrete Schutzzweck der betreffenden Sorgfaltsnorm aus dem Norminhalt selbst abzuleiten (vgl. ÖJZ-LSK. 1980/153), gegebenenfalls aber auch die Einordnung der Norm in einen bestimmten Normenkomplex bzw. ihre Funktion innerhalb dieses Komplexes zu berücksichtigen, weil sich mitunter (erst) daraus die spezifische Zweckbestimmung der Norm ableiten läßt.
Diesbezüglich hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Halte- und Parkverbote bezwecken - vordergründig -
die Freihaltung der Fahrbahn von Fahrzeugen, die gewollt und nicht
durch das Verkehrsgeschehen erzwungen (§ 2 Z. 26 StVO.) für kurze Zeit (§ 2 Z. 27 StVO.) oder längere Zeitdauer (§ 2 Z. 28 StVO.) abgestellt werden. Sie wurden vom Gesetzgeber ersichtlich aus verschiedenen Gründen und mit unterschiedlichen Zielsetzungen erlassen; einige von ihnen dienen erkennbar (nur) dem Interesse der Anrainer vor Belästigungen (siehe dazu insbesondere § 24 Abs. 1 lit. i, Abs. 3 lit. b und f StVO.), andere wieder der Flüssigkeit des Verkehrs von Massenbeförderungsmitteln (§ 24 Abs. 1 lit. e, Abs. 3 lit. c) oder des Individualverkehrs. Letztlich sind im Gesetz aber auch mehrere derartige Verbote enthalten, die erkennbar nicht nur die Flüssigkeit, sondern auch die Sicherheit des vorbeiflutenden Verkehrs bezwecken und demnach insoweit als Schutznormen aufzufassen sind, die den sich aus einem gesetzwidrigen Halten und/oder Parken resultierenden Gefahren für den Fließverkehr vorbeugen wollen (siehe dazu insbesondere § 24 Abs. 1 lit. b, g, h, Abs. 3 lit. d und g).
Im § 24 Abs. 1 StVO. werden (unter den lit. a bis i) Verkehrsflächen bezeichnet, auf denen Halten und Parken verboten ist; in den im § 24 Abs. 3 StVO. (unter lit. a bis h) angeführten Fällen wird lediglich das Parken verboten. Die Gründe für diese verschieden restriktive Verbotsregelung sind ohne weiteres einsichtig. Sie liegen zum Teil in den Erfordernissen des Massenverkehrs und bedürfen daher in diesem Zusammenhang keiner näheren Erörterung; selbst sie sind allerdings für das in Rede stehende Problem insoweit relevant, als sie (auch) auf die Gewährleistung der Verkehrssicherheit abzielen. Auf der Fahrbahn abgestellte Gegenstände (Fahrzeuge) behindern (erschweren) den Fließverkehr. Sie veranlassen die Lenker von Fahrzeugen zu einer (für den Folgeverkehr mitunter unerwarteten) Brems- oder Ausweichhandlung und bedeuten solcherart für alle übrigen Verkehrsteilnehmer eine gewisse Gefahr. Diese wird allerdings im allgemeinen - solange nur eine Erschwerung der Vorbeifahrt eintritt und das Fahrzeug kein Hindernis bildet, das gemäß § 89 a StVO. ehestens zu entfernen ist (vgl. dazu ZVR. 1978/103 und 226 u.a.) - im Interesse eines geordneten, flüssigen und den gegebenen technischen Möglichkeiten gerecht werdenden Verkehrsablaufes vom Gesetzgeber in Kauf genommen; ja es wird von diesem sogar toleriert, daß ein Kraftfahrer mit seinem Fahrzeug auf Fahrbahnen mit Gegenverkehr so hält (§ 2 Z. 27 StVO.), daß für den fließenden Verkehr keine zwei Fahrstreifen freibleiben; denn auch dieses Risiko ist ob seiner Kürze der Bedeutung des Straßenverkehrs für die Allgemeinheit adäquat und kann mithin nach Ansicht des Gesetzgebers noch akzeptiert werden. Verboten ist aber gemäß § 24 Abs. 3 lit. d StVO. bei Vorliegen der dort beschriebenen örtlichen Gegebenheiten bzw. Verhältnisse das Parken, also das Abstellen des Fahrzeuges für längere Zeit (§ 2 Z. 28 StVO.); denn durch ein solches werden in der Regel zahlreiche Verkehrsteilnehmer, unter Umständen der gesamte Folgeverkehr, nicht nur kurzfristig behindert, sondern beim Vorbeifahren, soweit dies bei der gegebenen Verkehrslage überhaupt möglich ist, jedenfalls für ins Gewicht fallende Zeiträume in Gefahr gebracht; sind sie doch gezwungen, wegen des ihren Fahrstreifen (ganz oder teilweise) blockierenden Fahrzeuges auf den dem Gegenverkehr vorbehaltenen Fahrstreifen zu wechseln (§ 11 Abs. 1 StVO.), was insbesondere bei starkem Verkehrsaufkommen immer wieder zu kritischen Situationen auf der Gegenfahrbahn und mitunter - etwa beim brüsken Abbrechen des Ausweichvorganges - auch zum Auffahren auf das ein Hindernis bildende Fahrzeug führt (vgl. hiezu auch ZVR. 1982/94).
So besehen stellt § 24 Abs. 3 lit. d StVO. eine das erlaubte Risiko (zeitmäßig) begrenzende Norm dar, die gezielt der mit der Dauer des Parkens wachsenden Gefahr von Unfällen der eingangs beschriebenen Art entgegenwirken will. Es kann daher daraus, daß das Gesetz das (kurzfristige) Halten auf solchen Fahrbahnteilen erlaubt und sich der Unfall möglicherweise auch bei einem solchen ereignet hätte - anders als das Berufungsgericht vermeint - nicht auf einen fehlenden Risikozusammenhang geschlossen werden.
Da sich die zur Aufhebung des schuldigsprechenden erstinstanzlichen Urteils führende Gesetzesverletzung durch das Berufungsgericht jedenfalls nicht zum Nachteil des Beschuldigten auswirkt, mußte es bei ihrer Feststellung sein Bewenden haben. Durch diese wird die Bindung des Erstgerichtes an die - nach dem Gesagten verfehlte - Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht beseitigt (siehe dazu § 447 Abs. 1, 293 Abs. 2 StPO;
vgl. JBl. 1982, 103). Demzufolge wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren einen Schuldspruch - bei in tatsachenmäßiger Hinsicht gleichgelagertem Sachverhalt und Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für die (objektive und subjektive) Erfolgszurechnung, die selbst bei gegebenem Risikozusammenhang nicht vorliegen müssen -
nur auf allfällige, im Sinne des aufhebenden Urteils des Berufungsgerichtes zu prüfende (weitere) Sorgfaltsverstöße des Angeklagten in bezug auf die ihm mit Bescheid des Amtes der NÖ. Landesregierung vom 21.Mai 1974, Zl. GB/2-3002/91-1974 (erliegend unter ONr. 19 im bezirksgerichtlichen Akt), auferlegten Pflichten im Falle einer Teilnahme am Straßenverkehr mit dem gegenständlichen Fahrzeug stützen können.
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