OGH 13Os95/82

OGH13Os95/8222.7.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Juli 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Faseth, Dr. Bernardini, Dr. Müller und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stolfa als Schriftführers in der Strafsache gegen Peter Viktor A wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengerichts vom 30.März 1982, GZ. 22 Vr 1231/81-38, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schmidt und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter Viktor A (zu I) des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB

und (zu II) des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Linz (zu I) am 24. April 1981 von einem Kellner Getränke im Wert von 170 S sowie von einem Taxilenker eine Droschkenfahrt im Gegenwert von 630 S und ein Darlehen von 170 S betrügerisch erlistet und (zu II) am 26.Mai 1981 von Christine B 500 S Bargeld erpreßt.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde allein im Schuldspruch wegen Verbrechens der Erpressung (II), dem folgender Urteilssachverhalt zugrundeliegt:

Der Angeklagte war vom 8.Mai 1981 bis zu seiner Entlassung am 26.Mai 1981 gemeinsam mit Franz B im selben Raum des landesgerichtlichen Gefangenenhauses Linz in Haft. Dabei erfuhr er, daß die Inhaftierung Franz B vor dessen 12-jährigen Tochter unter der Vortäuschung, er halte sich geschäftehalber in Italien auf, geheimgehalten wurde. Noch am Tag seiner Enthaftung suchte der Angeklagte Christine B, die Gattin seines weiter in Untersuchungshaft gebliebenen Zellengenossen, auf und forderte von ihr 1.500 S mit der wahrheitswidrigen Behauptung, diesen Betrag für ihren Gatten ausgelegt zu haben. Auf die Eröffnung der Frau, über kein Geld zu verfügen, erklärte der Angeklagte erregt, er brauche dieses unbedingt, um nach Wien zu fahren; sollte Christine B ihm den verlangten Betrag nicht geben, würde er ihre Tocher von der Schule abholen und ihr erzählen, daß deren Vater in Wahrheit inhaftiert sei und sich nicht in Italien aufhalte. Diese Drohung nahm der Angeklagte, der wußte, daß es den Ehegatten B ein ernstes und wichtiges Anliegen war, daß ihre Tochter nur allmählich, zur gegebenen Zeit und unter von ihnen bestimmbaren Umständen erführe, wo sich ihr Vater wirklich aufhalte, nicht zurück, als Christine B sinngemäß entgegnete, daß es nicht seine (des Angeklagten) Angelegenheit sei, ihre Tochter über den Verbleib des Vaters zu informieren. Vielmehr bedrohte er Christine B zusätzlich noch mit 'Ohrfeigen', wenn sie ihm den Betrag von 1.500 S nicht aushändige. Christine B übergab dem Angeklagten, der zunächst erfolglos versucht hatte, das Geld betrügerisch zu erlisten und dem es bei seinen nachfolgenden Drohungen geradezu darauf ankam, den entgegenstehenden Willen der Genannten zu beugen und sie so zur Zahlung zu veranlassen, schließlich 500 S, weil sie unter allen Umständen verhindern wollte, daß der Angeklagte ihre Tochter über den Aufenthalt deren Vaters informiere, und weil sie überdies durch die weitere Drohung des aufbrausenden (S. 261 a) Angeklagten, ihr Ohrfeigen zu versetzen - welche Drohung das Erstgericht in subjektiver und objektiver Beziehung als eine solche mit einer Verletzung am Körper ansah (S. 254) - eingeschüchtert war. In seiner Rechtsrüge wendet der Angeklagte zunächst ein, daß seine Ankündigung gegenüber Christine B, ihrer 12-jährigen Tochter die Haft deren Vaters (des Gatten der Bedrohten) zu eröffnen, keine gefährliche Drohung mit einer Verletzung an der Ehre im Sinn des § 74 Z. 5 (§ 144 Abs 1) StGB darstelle, weil eine allfällige Herabminderung der Wertschätzung der Tochter für ihren Vater 'einzig und allein durch die von diesem begangene Straftat bedingt' sei, die Ehegatten B gar nicht mit der Möglichkeit gerechnet hätten, die ihnen (beiden) zur Last gelegten Straftaten endgültig verschweigen zu können, und die Tochter ohne weiteres Zugang zu Veröffentlichungen in der Presse über die gegen ihre Eltern - in der Zwischenzeit abgeführte - Hauptverhandlung gehabt hätte. Diese Einwände versagen.

Rechtliche Beurteilung

Ehre im objektiven Sinn ist die Wertschätzung der Persönlichkeit in der Gesellschaft, Ehre im subjektiven Sinn ist die Bewertung des eigenen Verhaltens als sittlich gut oder schlecht und die damit verbundene größere oder geringere Selbstachtung. Im objektiven Sinn, d. h.

in der Bedeutung als Wertschätzung des einzelnen in der für ihn maßgebenden Umwelt, wird die Ehre in der Bestimmung des § 144 StGB geschützt. Darnach kann jemandes Ehre auch durch die Bekanntgabe unehrenhafter, indes wahrer Tatsachen eine Einbuße erleiden (KH. 2962; vgl. etwa § 113 StGB). Folglich ist es, der Beschwerde zuwider, nicht entscheidend, ob Franz B tatsächlich eine Straftat begangen hatte, wie denn auch die Unschuldsvermutung als rechtstheoretische Figur die gemeiniglich nachteilige Beurteilung einer in Haft gehaltenen Person nicht zu hindern vermag; denn es kann nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, an dem sich die Meinung der Bevölkerung zu orientieren pflegt, nicht angenommen werden, daß jemand grundlos in Haft genommen wird, womit aber seine ehrmindernde Beurteilung naheliegt.

Ebenso fällt nicht ins Gewicht, daß B Tochter von einem Delikt und von der Inhaftierung ihres Vaters möglicherweise später durch eine Berichterstattung in der Presse hätte Kenntnis erlangen können. Auszugehen ist davon, daß die Ehre in ihrem rechtlich-sozialen Gehalt strafrechtlich geschützt wird und daß es sonach für die Wertschätzung von Eltern in den Augen ihrer Kinder einen wesentlichen Unterschied macht, ob diese von ihre Eltern betreffenden ehrenrührigen Umständen durch diese selbst oder allenfalls durch nahestehende Personen zu einem von diesen zu wählenden Zeitpunkt schonend und mit dem Ziel der Aufrechterhaltung bis dahin bestandener natürlicher Gefühlsbeziehungen unterrichtet werden oder ob die Kinder davon unvorbereitet (schockierend) durch Fremde Kenntnis erlangen. So gesehen kann die Beeinträchtigung des Rechtsguts der Ehre durch eine Mitteilung, wie die vom Angeklagten angedrohte, nicht zweifelhaft sein. Die Beurteilung der inkriminierten Ankündigung ist daher frei von Rechtsirrtum. Zuzugeben ist dem weiteren Beschwerdevorbringen, daß eine bloße Drohung mit Mißhandlungen keine 'gefährliche' Drohung, sondern eine Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB begründet, weil unter einer Verletzung am Körper (§ 74 Z. 5 StGB) als nötigungserheblichem Rechtsgut eine tatbestandsmäßige Körperverletzung (§ 83 StGB) zu verstehen ist. Allein das Erstgericht hat, was die Beschwerde übersieht, in der gegenständlichen Androhung von Ohrfeigen keine bloße Drohung mit Mißhandlungen, sondern angesichts der besonderen Situation, in welcher der aufbrausende, ehemalige Häftling einer mehr oder weniger hilf- und schutzlosen Frau, deren Mann in Haft war, gegenüberstand, eine solche mit einer Verletzung am Körper erblickt (S. 254, 260, 261 a). Von dieser, bei der Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrunds bindenden Tatsachenfeststellung weicht die Beschwerde mit ihrem Einwand ab und bringt daher den Nichtigkeitsgrund insoweit nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war darum zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte nach den § 144 Abs 1, 28 Abs 2 StGB und gemäß § 31 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17.Juli 1981, AZ. 1 a E Vr 5757/81 (sechs Monate Freiheitsstrafe wegen § 146 StGB), eine zusätzliche Freiheitsstrafe von vierzehn Monaten.

In ihrer Bemessung waren erschwerend die (einer fakultativen Anwendung des § 39 StGB genügenden) Vorstrafen, das Zusammentreffen mehrerer Delikte, der überaus rasche Rückfall bei der Erpressung (am Tag der Haftentlassung) und die Betrügereien während eines Ausgangs im Strafvollzug. Als mildernd sah das Erstgericht das 'formelhaft

... abgelegte Geständnis' des Angeklagten, die Geringfügigkeit des Schadens und eine teilweise Schadensgutmachung an.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Reduzierung des Strafmaßes an.

Dies zu Unrecht.

Zutreffend hat das Schöffengericht nämlich - ungeachtet des letztlich geringfügigen Schadens - ein ganz erhebliches Schuldausmaß in der Delinquenz während und sofort nach dem Vollzug einer Freiheitsstrafe erblickt (S. 261 a), das als Grundlage für die Bemessung der Strafe (§ 32 Abs 1 StGB) den Ausschlag geben muß. Darnach ist die verhängte Zusatzstrafe aber durchaus angemessen.

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