OGH 12Os99/82

OGH12Os99/821.7.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juli 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Hon. Prof. Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schroth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Oswald A wegen des Verbrechens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1, 129 Z 2 StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. Oktober 1981, GZ 3 a Vr 9907/81-33 a, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Oswald A wegen § 127 Abs. 1, 129 Z 2 StGB, AZ 3 a E Vr 9907/81 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, verletzt das Urteil dieses Gerichtes vom 29. Oktober 1981, GZ 3 a Vr 9907/81-33 a, womit ausgesprochen wurde, daß der Einzelrichter zur Verhandlung und Entscheidung in dieser Sache unzuständig sei, das Gesetz in den Bestimmungen der § 8 Abs. 3, 13 Abs. 2 Z 1

StPO und des § 39 Abs. 2 StGB Dieses Urteil sowie alle darauf beruhenden Verfügungen werden aufgehoben, und dem Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wird aufgetragen, sich der Verhandlung und Entscheidung zu unterziehen.

Text

Gründe:

Aus den Akten 3 a E Vr 9907/81 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, sowie 4 Vr 490/69 und 3 Vr 1069/70 des Jugendgerichtshofes Wien ergibt sich folgender Sachverhalt:

Laut dem von der Staatsanwaltschaft am 9. April 1976 beim Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu AZ 24 b Vr 2382/76 eingebrachten Strafantrag (ON 6 a betreffenden Akten) wird dem am 28. Februar 1954 geborenen, damals beschäftigungslos gewesenen Oswald A zur Last gelegt, das Vergehen des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1

StGB dadurch begangen zu haben, daß er am 16. November 1975 in Wien dem Slijepo B einen Herrenmantel im Wert von 2.000 S mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Die Zuständigkeit des Einzelrichters gründete sich auf § 8 Abs. 3, 13 Abs. 2 Z 1 StPO: Oswald A war nämlich zuvor mit dem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 28. Mai 1969, GZ 4 Vr 490/69-14, wegen Verbrechens des Diebstahls nach den § 171, 174 I d, II a StG zu einer - zunächst unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen - strengen Arreststrafe von einem Monat und mit dem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 30. Oktober 1970, GZ 3 Vr 1069/70-38, bestätigt mit Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 8. Jänner 1971, AZ 14 Bs 225/70 (ON 53 des Vr-Aktes) wegen Verbrechens des Raubes nach den § 190, 192, 194 StG (Tatzeit: 21. August 1970) zu fünfzehn Monaten strengem Arrest verurteilt worden, wobei auf Grund der neuerlichen Verurteilung die bedingte Strafnachsicht bezüglich der erstgenannten Verurteilung widerrufen worden war. Beide Freiheitsstrafen hatte der Genannte in der Zeit vom 2. September 1970 bis 31. Dezember 1971 verbüßt. Am 10. November 1978 wurde gegen den zu jener Zeit als Lagerarbeiter beschäftigten Oswald A beim Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu AZ 24 b Vr 7371/78 ein weiterer Strafantrag wegen Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs. 1, 129 Z 2

StGB erhoben, in welchem ihm zur Last gelegt wird, am 29. Juni 1978 in Wien dem Josef C 22 Stück Valiumtabletten durch gewaltsames Öffnen eines versperrten Kastens mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (ON 13 in ON 28 a, betreffenden Akten).

In der Folge wurden die beiden Strafverfahren gemäß dem § 56 StPO vereinigt.

Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. Oktober 1981, GZ 3 e Vr 9907/81-33 a, wurde ausgesprochen, daß der Einzelrichter zur Verhandlung und Entscheidung in dieser Strafsache unzuständig sei.

Rechtliche Beurteilung

Dieses - über Antrag der Staatsanwaltschaft ergangene und in Rechtskraft erwachsene - Unzuständigkeitsurteil steht mit dem Gesetz nicht in Einklang.

Der Einzelrichter geht ersichtlich von der - irrigen - Annahme aus, daß Oswald A zufolge Vorliegens der Rückfallvoraussetzungen des § 39 StGB Straftaten verdächtig sei, die mit einer das im § 13 Abs. 2 Z 1 StPO bezeichnete Höchstmaß (bei Diebstahl durch Einbruch: fünf Jahre) übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind. Bei dem Oswald A angelasteten Einbruchsdiebstahl haben aber die beiden nach Ansicht des Einzelrichters rückfallbegründenden Verurteilungen außer Betracht zu bleiben, weil seit deren Verbüßung (am 31. Dezember 1971) bis zur Anlaßtat am 29. Juni 1978 mehr als fünf Jahre vergangen sind. Durch die zwischen diesen Vorverurteilungen und der Begehung der nunmehr zur Entscheidung stehenden Straftaten erfolgten weiteren fünf Verurteilungen wegen § 83 Abs. 1; 198 Abs. 1 StGB und 9 Abs. 1 Z 2 SuchtgiftG (vgl ON 32 des Bezugsaktes) ist eine Fristverlängerung (§ 39 Abs. 2 StGB) nicht eingetreten, weil über Oswald A jeweils nur Geldstrafen oder bedingte Freiheitsstrafen verhängt worden sind. Die Voraussetzungen, unter denen das Höchstmaß der angedrohten Freiheitsstrafe um die Hälfte überschritten werden kann, lagen demnach nur bezüglich des am 16. November 1975 verübten (nicht nach § 129 StGB qualifizierten) Diebstahls vor. Da aber die Strafe für die beiden - bei der rechtlichen Beurteilung zwar zu einer Einheit zusammenzufassenden (vgl ÖJZ-LSK 1978/ 58), ansonsten jedoch rechtlich selbständig bleibenden (vgl ÖJZ-LSK 1976/377) - diebischen Angriffe im Falle eines Schuldspruches nach § 129 StGB, also nach der Freiheitsstrafdrohung für jene Tat, bei der zufolge Rückfallsverjährung eine Strafschärfung wegen Rückfalls nicht zulässig ist, zu bemessen sein wird, findet ein übergang der Zuständigkeit vom Einzelrichter auf das Schöffengericht aus dem Grunde des § 39 StGB nicht statt. Die Bestimmung des § 39 StGB wäre nur im Falle eines Schuldspruches lediglich wegen des nicht weiter beschwerten Diebstahlsfaktums vom 16. November 1975 anzuwenden und würde bloß eine überschreitung des Strafrahmens nach § 127 Abs. 1 StGB um die Hälfte des Höchstmasses und sohin die Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu neun Monaten oder einer Geldstrafe bis zu540 Tagessätzen ermöglichen. Der Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien hat daher seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint, sodaß das zitierte Unzuständigkeitsurteil das Gesetz in den Bestimmungen der § 8 Abs. 3, 13 Abs. 2 Z 1

StPO, 39 Abs. 2 StGB verletzt, welcher Verstoß dem Angeklagten Oswald A zum Nachteil gereicht (vgl 9 Os 36, 37/80). Der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher Folge zu geben und wie im Spruche zu erkennen.

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