OGH 10Os80/82

OGH10Os80/8229.6.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juni 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Glock als Schriftführer in der Strafsache gegen Alois A wegen des Vergehens des schweren Diebstahles nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 3, 128 Abs. 1 Z 4 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Februar 1982, GZ 7 a Vr 6241/81-61, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, sowie der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Mühl und des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Bassler, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe unter Bedachtnahme gemäß § 31, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 1. Februar 1982, GZ 5 U 4236/81-6, auf 22 Monate herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27. Juli 1947 geborene, zuletzt beschäftigungslose Alois A der Vergehen (I.) des schweren Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 3, 128 Abs. 1 Z 4 StGB, (II.) des schweren Betruges nach § 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB sowie (III.) der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2

(erster Fall) StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er (zu I.) fremde bewegliche Sachen in einem S 5.000 übersteigenden Wert anderen mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar (1.) am 14. August 1981 in Wien dem Alfons B unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch ihm von dem Genannten aufgetragene Reparaturarbeiten in dessen Wohnung geschaffen worden war, einen tragbaren Fernsehapparat, ausländisches Geld, Manschettenknöpfe, Ringe, eine Uhr und eine Kette mit Anhängern im Gesamtwert von S 15.000, sowie (2.) in der Nacht zum 18. Oktober 1981 in Hollenstein an der Ybbs der Josefine C einen Kupferkrug, eine Kupfertasse, einen Aschenbecher, ein Plastiketui, einen ledernen Sonnenhut, ein Taschentuch, ein Zahnstocherfaß, ein Päckchen Gummiringe, eine Karnevalmütze, ein Glas, einen Tonbecher, eine Kleiderbürste, zwei Kerzen, eine Tonschüssel, einen Pullover, einen Rucksack, drei Taschentücher mit Spitzenrand und einen Knabenanzug im Gesamtwert von S 500;

(zu II.) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachstehend angeführte Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitete, die sie oder andere am Vermögen schädigten, wobei der Schaden S 5.000 überstieg, und zwar (1.) am 24. Mai 1981 in Wien Emil D durch Auftreten als zur Rückzahlung fähiger und gewillter Kreditnehmer zur Gewährung eines Darlehens von S 300, (2.) in der Zeit vom 22. August bis 4. September 1981 (S 259 d.A) in Wien unter Benützung falscher Urkunden, nämlich durch Ausgeben von zwölf Schecks mit nachgemachter Unterschrift des Kontoinhabers Alfons B, Angestellte verschiedener Geschäfte zur Ausfolgung von Waren bzw Angestellte der E zur Einlösung der Schecks, wodurch die E um insgesamt S 27.390 geschädigt wurde;

(zu III.) Ende Juli 1981 in Wien ein ihm anvertrautes Gut, dessen Wert S 5.000 überstieg, nämlich ihm von Heidelore F zur Vornahme von Einzahlungen übergebene Bargeldbeträge in der Höhe von S 11.000, mit dem Vorsatz sich zueignete, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Der Angeklagte Alois A bekämpft das schuldigsprechende Erkenntnis (der Sache nach mit Ausnahme dessen Punktes I.1.) mit einer auf die Z 5, 9 lit a und c sowie 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Die Mängelrüge bezeichnet die zum (Betrugs-)Faktum II.

1. getroffene Urteilsfeststellung, der Angeklagte sei zur (für den nächsten Tag versprochenen) Rückzahlung des Darlehens von S 300 an Emil D von vornherein nicht gewillt (und auch nicht imstande) gewesen, mit der Argumentation als unvollständig begründet, das Gericht habe die durch die Aussage der Zeugin Heidelore F bekräftigte) Verantwortung des Beschwerdeführers nicht gewürdigt, er sei rückzahlungswillig gewesen und habe eine entsprechende (Geld-)Forderung gegen einen Dritten aus der Veräußerung seines Anteils an einem Heurigenbetrieb gehabt; in Wahrheit ist jedoch weder den Depositionen des Angeklagten in der Hauptverhandlung, aus der erwähnten Veräußerung sei 'nichts Rechtes geworden', weil sein Schwager 'immer Besitzstörungsklagen und so eingebracht' habe, weshalb er (der Angeklagte) sein Geld 'auch nie bekommen' habe (S 290 d.A) noch der Aussage der Zeugin F, wonach der Erwerber dem Angeklagten zwar 'viel mehr Geld hätte auszahlen müssen' (als den ihr vom Angeklagten veruntreuten Betrag), dies aber 'nie gemacht' und ihres Wissens 'auch gar nicht die Möglichkeit gehabt habe, A auszubezahlen' (S 291 d.A), das Vorhandensein eines Vermögenswertes zu entnehmen ist, über den der Angeklagte auf solche Weise (kurzfristig) hätte verfügen können (und wollen), daß dadurch eine Schädigung des Emil D vermieden worden wäre. Das Erstgericht war deshalb nicht gehalten, sich mit diesen (unwesentlichen) Verfahrensergebnissen im Urteil auseinanderzusetzen. Soweit der Angeklagte unter Anrufung der Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO und ausdrückliches Zurückgreifen auf die Mängelrüge hinsichtlich beider Betrugsfakten (II.1. und 2.) 'Feststellungsmängel' des Urteils im Sinne des genannten Nichtigkeitsgrundes darin erblickt, daß das Schöffengericht in beiden Fällen einen auf (Täuschung und) Vermögensschädigung gerichteten Vorsatz des Angeklagten als erwiesen annahm, statt ihm zu glauben, er habe 'die eingegangenen Verpflichtungen abdecken wollen' (und habe gerechnet, dazu auch imstande zu sein), und zum Faktum III (Veruntreuung von S 11.000 zum Nachteil der Heidelore F) den im Urteil konstatierten Bereicherungsvorsatz jederzeit wegen der ihm offen gestandenen Möglichkeit, die ihm anvertrauten Beträge zu refundieren, negiert, beschwert er sich in grundsätzlicher völliger Verkennung des Wesens des behaupteten Mangels unzulässig darüber, daß das Gericht über die Verfahrensergebnisse nicht in der von ihm (Angeklagter) nun relevierten, sondern in der aus dem Urteil ersichtlichen Weise abgesprochen hat. Die solcherart im Ergebnis auf eine Umwürdigung der Beweisergebnisse und damit auf einen Angriff gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung hinauslaufende Rüge, leitet sohin den angeblichen Rechtsirrtum nicht, so wie dies das Gesetz für die Geltendmachung materieller Nichtigkeitsgründe fordert, aus einem Vergleich des urteilsmäßig festgestellten Sachverhalts mit den in Betracht kommenden Tatbeständen des materiellen Strafrechts ab und entbehrt damit einer gesetzmäßigen Ausführung.

Zum Teil unrichtig (auch) als Begründungsmangel (Z 5) bezeichnete weitere Feststellungsmängel nach Z 9 lit c (richtig lit b) und Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO behauptet der Beschwerdeführer schließlich noch darüber, daß er sowohl bei der dem Diebstahlstatbestand unterstellten Wegnahme von Sachen geringen Wertes aus dem Besitz der Josefine C (Urteilsfaktum I.2.) als auch bei dem an Emil D begangenen Betrug mit nur geringem Schaden jeweils in einer 'Zwangslage' gehandelt habe, deretwegen sein bezügliches Verhalten im ersten Fall als Entwendung nach § 141 StGB, im zweiten aber als Notbetrug gemäß § 150 StGB zu beurteilen und sohin ohne die nach dem zweiten Absatz der bezogenen Gesetzesstellen jeweils erforderliche Ermächtigung der Verletzten nicht verfolgbar oder, sofern doch eine Verfolgungsermächtigung vorliegen sollte, jedenfalls mit geringerer Strafe zu ahnden sei.

Rechtliche Beurteilung

Handeln in einer Zwangslage kann jedoch nur dann zur Privilegierung des Täters nach den § 141 oder 150 StGB führen, wenn diese dem Begriff der in § 141 an erster Stelle, in § 150 aber ausschließlich als privilegierendes Tatmotiv genannten Not entspricht; eine solche ist anzunehmen, falls es dem Täter an den dringendsten Lebenserfordernissen fehlt und er diesem Mangel durch die Entwendung oder den Notbetrug abhelfen wollte (EvBl 1981/108; Leukauf-Steininger StGB2 § 141 RN 11 und 12, § 150 RN 5). Einer Notlage in der dargelegten Bedeutung kann aber der in der Nichtigkeitsbeschwerde genannte Beweggrund des Geldbedarfes, um sich vor einer (nicht näher konkretisierten) Bedrohung seitens des Schwagers aus Wien absetzen zu können, keinesfalls gleichgehalten werden, ganz abgesehen davon, daß der Angeklagte damit im Verfahren vor dem Erstgericht (S 289 d.A) nur den zum Nachteil des Alfons B begangenen Diebstahl und allenfalls die in der Folge damit im Zusammenhang zu bringenden Scheckbetrügereien erklären wollte - bei welchen schon mangels Geringfügigkeit eine entsprechende Privilegierung nicht in Betracht käme -, wogegen er für den hier in Rede stehenden Diebstahl an Josefine C überhaupt kein Tatmotiv und für den Darlehensbetrug an Emil D die Notwendigkeit einer Autoreparatur als Beweggrund vorgebracht hat (S 289, 290 d.A). Die in allen Punkten unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Alois A war darum zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 28, 128 Abs. 1 StGB zu zwei Jahren Freiheitsstrafe. Dabei wertete es seine einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von mehreren Vergehen und die Tatwiederholung beim Betrug wie beim Diebstahl als erschwerend, sein Geständnis und die teilweise Schadensgutmachung dagegen als mildernd.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Strafherabsetzung anstrebt, kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Bei der Strafbemessung war auf das Urteil des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 1. Februar 1982, GZ 5 U 4236/

81-6, mit welchem über den Berufungswerber wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verhängt wurde, gemäß § 31 StGB Bedacht zu nehmen. Bei gemeinsamer Aburteilung des gegenständlichen Deliktes mit der oben genannten Straftat wäre eine Freiheitsstrafe von (insgesamt nur) zwei Jahren der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) gerecht geworden;

demgemäß war die im vorliegenden Verfahren ausgemessene Freiheitsstrafe auf 22 Monate zu reduzieren.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte