Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und gemäß § 43 Abs 1 StGB die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28.September 1933 geborene Alfred A des Verbrechens der schweren Erpressung nach den § 144 Abs 1, 145
Abs 2 Z. 1 und 2 StGB schuldig erkannt.
Das Erstgericht traf hiezu folgende wesentlichen Feststellungen:
Alfred A ist als Oberschulwart im Bundesgymnasium Urfahr in Linz beschäftigt. Als solcher ist er Vorgesetzter der dort tätigen Reinigungsfrauen, zu denen in der Zeit von Mai 1977 bis Oktober 1978 auch die verheiratete Hertha B zählte.
Diese fand am Angeklagten Gefallen und nützte jede Gelegenheit, ihn zu sehen. Da der Angeklagte sexuellen Abenteuern nicht abgeneigt war, ergab sich aus den von ihm und Hertha B gesuchten Kontakten ein intimes Verhältnis. Auf Grund des Verhaltens seiner Frau schöpfte der Gatte der Hertha B, Johann B, den Verdacht, daß zwischen ihr und dem Angeklagten ein ehebrecherisches Verhältnis bestehe, und stellte den Angeklagten im Oktober 1977 deswegen zur Rede. Zumindest aus diesem Vorfall war dem Angeklagten bekannt, daß Johann B eifersüchtig war. Kurz nach dieser Unterredung verlangte der Angeklagte von Hertha B 2.000 S und drohte, ihrem Mann Informationen über ihre Untreue zu geben, wenn sie nicht bezahle. Hertha B beschaffte sich die 2.000 S am 10.November 1977
bei ihrem Bekannten Hermann C als Darlehen und erzählte ihm später, daß sie das Geld benötigte, weil sie erpreßt werde. Die 2.000 S übergab sie sodann dem Angeklagten, von dem sie von Jänner 1978 bis Oktober 1978 in der Weise weiterhin erpreßt wurde, daß er immer wieder Geldbeträge von ihr forderte und damit drohte, ihrem Mann zu erzählen, daß sie von fremden Männern abgeholt werde. Hertha B ließ sich dadurch einschüchtern und vereinbarte mit dem Angeklagten, daß sie ihm jeweils zum Monatsende 500 S in einem Kuvert in einer Besenkammer hinterlege; dieses Geld ersparte sie sich von ihrem Lohn. Tat sie dies einmal nicht, erreichte die Familie B ein Telefonanruf, bei dem sich der Anrufer nicht meldete, was die Eifersucht des Johann B noch verstärkte. Insgesamt übergab Hertha B dem Angeklagten auf Grund der Drohungen von November 1977 bis etwa Oktober 1978 die Summe von 6.000 S. Diese Taten hat der Angeklagte nach überzeugung des Schöffengerichts in der Absicht begangen, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
Rechtliche Beurteilung
Seinen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Alfred A mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 4, 5 und 9 lit a, sachlich aber auch auf Z. 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der in keinem Punkt Berechtigung zukommt.
Als Verfahrensmangel rügt der Beschwerdeführer die Abweisung seiner in der Hauptverhandlung vom 30.März 1981
gestellten Anträge auf Einholung eines gerichtspsychiatrischen Sachverständigengutachtens über den Geisteszustand der Hertha B, welche die verfahrensgegenständlichen Behauptungen und Vorwürfe unter krankheitsbedingten Wahnvorstellungen erhoben habe, sowie auf Durchführung eines Lokalaugenscheins in den Räumlichkeiten des Bundesgymnasiums Urfahr zum Beweis dafür, daß die Darstellung der Hertha B über eine Hinterlegung von Geldbeträgen 'technisch unmöglich' bzw. 'mit den Tatsachen nicht in Einklang zu bringen' sei (S. 84 f.).
Da der Beschwerdeführer diese (vom Erstgericht bereits in der vertagten Hauptverhandlung abgelehnten) Beweisanträge in der gemäß dem § 276 a StPO neu durchgeführten (der Urteilsfällung unmittelbar vorangegangenen) Hauptverhandlung vom 5.Oktober 1981 nicht wiederholt hat, fehlt es - trotz Verlesung des Protokolls über die Hauptverhandlung vom 30.März 1981 - schon an den formellen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Geltendmachung des angerufenen Nichtigkeitsgrunds (vgl. dazu u.a. Mayerhofer-Rieder II/2, Nr. 30 ff. zu § 281 Abs 1 Z. 4 StPO).
Zudem hat das Erstgericht, in den Zeugenaussagen des Johann und der Hertha B gedeckt, als erwiesen angenommen, daß der kurzfristige Aufenthalt der Hertha B im Wagner-Jauregg-Krankenhaus auf einen durch den 'Psycho-Terror' ihres Gatten hervorgerufenen nervlichen Zustand zurückzuführen war (S. 156). Demzufolge sowie auf Grund des in der Hauptverhandlung von der Zeugin gewonnenen Eindrucks bestanden für das Schöffengericht keine Bedenken gegen die Fähigkeit der Hertha B, Wahrnehmungen zu machen und diese wahrheitsgetreu wiederzugeben; mit dem Hinweis des Beschwerdeführers auf (angebliche) innere Widersprüche der Zeugenaussage kann die Aussagefähigkeit der Zeugin jedenfalls nicht in Frage gestellt werden. Die Voraussetzungen für eine Psychiatrierung, die übrigens nur mit Zustimmung der Zeugin Hertha B hätte durchgeführt werden dürfen, lagen daher nicht vor (vgl. u.a. SSt. 49/55 und die dort zitierte wietere Judikatur). Beizupflichten ist dem Erstgericht aber auch darin, daß von der Durchführung eines Lokalaugenscheins kein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung zu erwarten war, weil durch das Ergebnis einer solchen Beweisaufnahme nicht ausgeschlossen werden könnte, daß ein Kuvert mit Geld auf die von Hertha B geschilderte Weise hinterlegt worden ist.
Einen formellen Begründungsmangel (§ 281 Abs 1 Z. 5 StPO) erblickt der Beschwerdeführer zunächst darin, daß das Erstgericht einerseits, seiner Verantwortung folgend, annahmen, zwischen ihm und Hertha B habe ein intimes Verhältnis bestanden, womit es der Glaubwürdigkeit dieser Zeugin den Boden entziehe, andererseits aber die Konstatierungen über die inkriminierten Erpressungen gerade auf die Zeugenaussage der Hertha B stützt, ohne sich mit dieser Aussage (in ihrer Problematik) näher auseinanderzusetzen.
In diesem Belange ist das angefochtene Urteil jedoch weder undeutlich, noch mit einem inneren Widerspruch behaftet, unvollständig oder offenbar nur unzureichend begründet: Darnach stellte der Angeklagte der Hertha B in Aussicht, falls sie nicht bezahle, werde er ihrem Gatten Informationen über ihre Untreue liefern und insbesondere erzählen, daß sie von fremden Männern abgeholt werde (S. 137, 153), um dessen Eifersucht zu verstärken; direkte Drohungen mit einer Offenlegung der intimen Beziehungen zwischen dem Angeklagten und Hertha B wurden nicht festgestellt. Daß das Gericht zwar als erwiesen angenommen hat, daß zwischen dem Angeklagten und Hertha B - entgegen ihrer Aussage - ehebrecherische Beziehungen bestanden, ihrer Zeugenaussage bezüglich der von ihr behaupteten Erpressungen jedoch Glauben geschenkt hat, stellt an sich keinen Begründungsmangel dar: Warum es insoweit der Darstellung der Hertha B gefolgt ist, begründete das Gericht in einleuchtender Weise damit, daß deren Angaben mit jenen des Hermann C im Einklang stehen und auch durch die Zeugenaussage der Marianne D gestützt werden, wonach ihr Hertha B (gleichfalls) von einer Erpressung Mitteilung gemacht hat (S. 155). Es hat damit zwar in gedrängter Form (§ 270 Abs 2 Z. 5 StPO), aber durchaus schlüssig die Erwägungen dargelegt, durch welche es die überzeugung von der Richtigkeit des gegen den Angeklagten erhobenen Schuldvorwurfs gewonnen hat.
Darüber hinaus war das Gericht nicht verpflichtet, alle im Beweisverfahren hervorgekommenen Umstände schlechthin einer Erörterung zu unterziehen und sich mit sämtlichen vorgebrachten Einwänden gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin Hertha B im Detail zu befassen. So gesehen kann aus dem Unterbleiben der Erörterung eines Widerspruchs zwischen den Zeugenaussagen der Hertha B und des Johann B über die Einbringung einer Scheidungsklage und des angeblichen Ruhens dieses Verfahrens, der von Johann B erwähnten schweren Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten oder der Frage, warum Hertha B zwar einen Rechtsanwalt konsultiert, diesem gegenüber aber von eine Erpressung keine Erwähnung gemacht und damals (sowie - entgegen dem Beschwerdevorbringen - auch später) keine Anzeige wegen Erpressung erstattet hat, eine Unvollständigkeit der Urteilsgründe nicht abgeleitet werden. Daß Hertha B durch die Androhung von Mitteilungen an ihren eifersüchtigen Gatten, die ihn in seinen Vermutungen über ihre Untreue bestärken mußten, eingeschüchtert wurde (wofür auch der von ihr erwähnte anonyme Anruf einer Frau /S. 143 / ein zusätzliches Indiz bildet), liegt auf der Hand und bedurfte somit keiner näheren Begründung.
Soweit die Beschwerde aber darauf abzielt, die Verläßlichkeit der Zeugin Hertha B generell in Zweifel zu hiehen und darzutun, daß diese möglicherweise unter dem Druck ihres Gatten die Erpressung nur zu ihrer Entlastung erfunden habe, unternimmt sie lediglich einen im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen und sohin unbeachtlichen Angriff auf die - zureichend und schlüssig begründete - Beweiswürdigung des Schöffengerichts.
In seiner Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO) macht der Beschwerdeführer geltend, das ihm angelastete Verhalten stelle keine (gefährliche) Drohung (§ 74 Z. 5 StGB) dar, weil eine Mitteilung an Johann B, seine Gattin Hertha B werde von einem Mercedes-Fahrer abgeholt, noch keine Herabsetzung ihrer Wertschätzung hätte
bewirken können.
Auch dieser Einwand versagt.
Eine gefährliche Drohung als Mittel einer Erpressung setzt voraus, daß eine Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen angedroht wird, die (objektiv) geeignet ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten übels begründete Besorgnisse einzuflößen. Als Verletzung an der Ehre ist hiebei jede Minderung des Ansehens und der Achtung einer Person in den Augen der für sie maßgeblichen Umwelt zu verstehen.
Darunter fällt insbesondere auch jede Bekanntgabe eines ehebrecherischen oder ehewidrigen Umgangs, durch welche eine Ehefrau vor ihrem Ehemann kompromittiert wird (u.a. 12 Os 115/76, 12 Os 174/80).
Vorliegend ging es keineswegs bloß um die Androhung der Mitteilung, Hertha B werde von einem fremden Mann gelegentlich abgeholt, sondern um die Ankündigung von Informationen, die bei Johann B den Verdacht erhärten sollten, daß seine Gattin ehebrecherische Beziehungen unterhalte (was in bezug auf den Angeklagten auch zutraf), mit dem Ziel, der Frau Schweigegeld abzunötigen.
Das Inaussichtstellen derartiger Hinweise auf mögliche Eheverfehlungen ist aber nichts anderes als eine Drohung mit einer Verletzung der Geschlechtsehre.
Wie das Erstgericht richtig erkannte, kam einer solchen Drohung unter den gegebenen Verhältnissen die Eignung zu, bei der Bedrohten begründete Besorgnisse hervorzurufen. Da dem Angeklagten bekannt war, daß Johann B Verdacht geschöpft hatte und hochgrad eifersüchtig war, erschien die Ankündigung jedweder Mitteilung, welche Johann B in seinen Vermutungen über die Untreue seiner Gattin bestärken sollten, geeignet, Hertha B einzuschüchtern und zur Zahlung der geforderten Geldbeträge zu veranlassen, zumal sie auf Grund diverser anonymer Anrufe ernstlich befürchten mußte, der Angeklagte werde seine Ankündigung wahrmachen, falls sie nicht weiterhin seinen Forderungen nachkäme.
Das festgestellte Verhalten des Angeklagten verwirklicht demnach den Tatbestand der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB
Sachlich aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 10 StPO wendet sich die Beschwerde schließlich gegen die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung. Hiebei bleibt jedoch unberücksichtigt, daß nach den Konstatierungen des Erstgerichts Hertha B nicht nur im November 1977
dem Angeklagten 2.000 S übergaben, sondern in der Folge zwischen Jänner und Oktober 1978 - also innerhalb eines längeren Zeitraums (§ 145 Abs 1 Z. 2 StGB) - auf Grund seiner wiederholten Drohungen auch jeweils zum Monatsende je 500 S in einem Briefumschlag in einer Besenkammer der Schule hinterlegt und auf diese Weise insgesamt 6.000 S bezahlt hat, wobei die Absicht des Angeklagten bei seinen Tathandlungen darauf gerichtet war, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Erpressungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (S. 154, 156 f.). Der gegen die Qualifikation des § 145 Abs 2 Z. 1 StGB gerichtete Teil der Rechtsrüge weicht dergestalt von den getroffenen Tatsachenfeststellungen ab, sodaß die Beschwerde hier nicht gesetzmäßig ausgeführt wird.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten gemäß § 145 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Bei der Strafbemessung wertete es - zutreffend und unangefochten - die Hertha B zugefügten seelischen Qualen als erschwerend, hingegen die Unbescholtenheit des Angeklagten und den geringen (materiellen) Schaden als mildernd. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren bedingte Nachsicht an.
Dem erstangeführten Begehren kann schon deshalb Berechtigung nicht zuerkannt werden, weil die Voraussetzungen der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 41 StGB - nur im Fall deren Gewährung könnte die mit dem gesetzlichen Mindestausmaß bestimmte Strafe reduziert werden - nicht erfüllt sind. Denn die zitierten Milderungsgründe überwiegen (dem Gewicht nach) den (vorstehend wiedergegebenen) Erschwerungsgrund nicht beträchtlich. Die Behauptung des Berufungswerbers, die Strafe wäre nach § 144 StGB auszumessen gewesen, geht ins Leere, weil der der Strafbemessung zugrunde zu legende Schuldspruch wegen schwerer Erpressung erging, sodaß die Strafdrohung der Vorschrift des § 145 StGB zu entnehmen war. Hingegen erweist sich das Begehren um Gewährung der bedingten Strafnachsicht (§ 43 Abs 1 StGB) als berechtigt:
Unter Berücksichtigung der Person des zur Zeit der Tat ca. 45 Jahre alten Rechtsbrechers, seines unbescholtenen Vorlebens und seines straffreien Verhaltens nach der Tat gelangte der Oberste Gerichtshof zur überzeugung, daß trotz des dem Delikt zugrunde liegenden schweren Verschuldens die Annahme gerechtfertigt ist, die bloße Androhung der Vollziehung der einjährigen Freiheitsstrafe werde genügen, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, zumal auch generalpräventive Erwägungen (allein) nicht die Vollziehung der Strafe gebieten.
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