OGH 12Os64/82

OGH12Os64/827.6.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Juni 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schroth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Anton A und Thomas Mario B wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs. 1, 143

erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von den Angeklagten Anton A und Thomas Mario B gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Jugendschöffengericht vom 24. Februar 1982, GZ. 8 Vr 728/81-22, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, nach Verlesung der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten sowie Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Presslauer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 3.März 1965 geborene Hilfsarbeiter Anton A und der am 17.Februar 1966 geborene Schüler Thomas Mario B des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs. 1, 143

erster Fall StGB schuldig erkannt; nach Inhalt des Urteils haben sie am 7.Juli 1981 in Braunau/Inn in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) dadurch, daß sie Maria C deren Tasche entrissen und ihr einen Stoß versetzten, wodurch Maria C zu Boden stürzte und eine Distorsion am linken Sprunggelenk und Hämatome am Oberarm und am linken Unterschenkel erlitt, mit Gewalt gegen eine Person fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld im Betrag von ca. 7.700 S und Zigaretten im Wert von 180 S mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (Punkt I./1) des Schuldspruches).

Anton A wurde überdies auch noch des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 StGB schuldig erkannt (Punkt I./2) des Schuldspruches). Nur die Verurteilung wegen Verbrechens des schweren Raubes bekämpfen beide Angeklagte mit einer gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde, in der sie die Z. 5

des § 281 Abs. 1 StPO - sachlich auch jenen der Z. 4 - geltend machen; Thomas Mario B beruft sich darüber hinaus auch auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO

Rechtliche Beurteilung

Soweit in Ausführung der Mängelrüge vorgebracht wird, Unklarheiten der Verletzungsanzeige und des Urteils über die Art und den Umfang der Verletzungen, die Maria C bei dem Raub erlitten habe, sowie weiters darüber, an welcher Seite der Zeugin C der Angeklagte A vorbeigelaufen sei und ob er sie dabei überhaupt gestoßen habe, hätten die persönliche Einvernahme der genannten Zeugin nötig gemacht und das Gericht hätte sich nicht mit der auf § 252 Abs. 1 Z. 1 StPO gestützten Verlesung ihrer Angaben begnügen dürfen, übersieht er, daß das Urteil nach § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO nur dann nichtig ist, wenn das Gericht die erhobenen Beweise unvollständig gewürdigt, nicht aber, wenn es die möglichen Beweisquellen unvollständig ausgeschöpft hat. Eine solche Mangelhaftigkeit des Verfahrens kann aus dem Grund der Z. 4 des § 281 Abs. 1 StPO gerügt werden, wenn in der Hauptverhandlung entsprechende Anträge gestellt worden sind. Hiefür fehlt es den Beschwerdeführern jedoch schon an der formellen Legitimation, weil sie in der Hauptverhandlung der Verlesung der Aussagen der Zeugin im Vorverfahren weder widersprochen noch einen auf ihre persönliche Vernehmung abzielenden Antrag gestellt haben (vgl. Mayerhofer-Rieder2, E.Nr. 82-84 zu § 281 Z. 5 und Nr. 92 und 96 zu § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO). Im übrigen lagen dem Gericht aber auch ärztliche Zeugnisse vor, die eine persönliche Vernehmung der Zeugin wegen Krankheit nicht tunlich erscheinen ließen (ON. 18); die Natur ihrer Leiden (Arteriosklerose, Bluthochdruck, psychische Labilität) läßt bei dem hohen Alter der Zeugin (geboren 1902) nicht erwarten, daß sie in angemessener Zeit so weit wieder hergestellt sein wird, um vor Gericht persönlich erscheinen und aussagen zu können. Die Verlesung ihrer Angaben entsprach daher auch der Vorschrift des § 252 Abs. 1 Z. 1 StPO Die Beschwerdeführer behaupten in ihrer Mängelrüge weiters, die Feststellungen des Erstgerichtes über die Lokalisation der Verletzungen, die die Zeugin Maria C bei dem durch die Tat der Beschwerdeführer verursachten Sturz erlitt, seien widersprüchlich und auch die - offenbar erst wesentlich später - verfaßte Verletzungsanzeige weise Unklarheiten auf. Hierauf ist ihnen zunächst zu erwidern, daß sie sich zu Beginn der Hauptverhandlung ausdrücklich des ihnen angelasteten schweren Raubes schuldig bekannten (S. 119, 125). Im übrigen wird mit dem bezüglichen Vorbringen kein für das Verfahren entscheidungswesentlicher Umstand aufgezeigt. Denn für die Beurteilung einer Tat als (schwerer) Raub ist eine Verletzung des Raubopfers gar nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, daß die Sachwegnahme mit Gewalt (oder durch Drohung) erfolgt. Im übrigen bestehen die von der Nichtigkeitsbeschwerde behaupteten Widersprüche gar nicht, hat doch das Gericht in übereinstimmung mit der Verletzungsanzeige und der Aussage der Zeugin C eine Distorsion des linken Sprunggelenkes und ein Hämatom am linken Unterschenkel, zu dessen Bereich auch das Sprunggelenk gehört, sowie ein weiteres Hämatom am Oberarm (ohne Seitenbezeichnung) festgestellt. Ob dieses letztere Hämatom, wie in der Verletzungsanzeige (S. 23) angeführt, am rechten Oberarm, oder aber, wie von der Zeugin behauptet (S. 26) am linken Ellenbogen war, kann als nicht entscheidungswesentlicher Nebenumstand füglich dahingestellt bleiben, daß die Zeugin C vom Beschwerdeführer A gestoßen wurde, hat das Gericht auf Grund ihrer für unbedenklich erachteten Aussage festgestellt (S. 26, 143), wobei es diese Konstatierung auch noch darauf stützte, daß auch der Beschwerdeführer B das Geräusch eines Sturzes vernommen hat (S. 144). Entgegen der in der Nichtigkeitsbeschwerde vertretenen Meinung kann aus der Art der Verletzung nicht auf die Richtung des durch den Stoß veranlaßten Sturzes geschlossen werden, befand sich doch an der rechten Körperseite der Zeugin das Stiegengeländer, das die Sturzrichtung beeinflussen konnte (vgl. S. 17 und die Lichtbilder über die Tatortsituation). Aus demselben Grund bedurfte es auch keiner Feststellung darüber, an welcher Seite der Zeugin der Angeklagte A vorbeigelaufen ist, als er ihr die Handtasche entriß. Der Vollständigkeit halber kann noch bemerkt werden, daß selbst wenn man, wie dies in der Nichtigkeitsbeschwerde - abweichend von den Urteilsfeststellungen (S. 141, 144) - getan wird, davon ausgehen wollte, daß der Zeugin C die Tasche unter gewaltsamer Ausschaltung oder überwindung ihres widerstrebenden Behauptungswillen durch einen - wenn auch überraschenden - Angriff unter Einsatz körperlicher Kraft des Täters entrissen, ihr aber kein Stoß versetzt wurde, die Tat als Raub zu beurteilen wäre, weil hiefür nach Lage des Falles (Angriff gegen eine erkennbar alte und gebrechliche Person, die durch den Angriff zum Sturz kam) selbst einmaliges Reißen an der Tasche zur Herstellung des für den Raub essentiellen Begriffs der Gewalt genügen würde (LSK. 1976/77 zu § 142 Abs. 1 StGB; Kienapfel, BT II, RN. 41 zu § 142 StGB). Die Mängelrüge erweist sich sohin in keiner Richtung als berechtigt. Wenn schließlich der Angeklagte Thomas Mario B mit dem offenbaren Ziel einer Beurteilung seiner Tat als (bloßer) Gesellschaftsdiebstahl nach § 127 Abs. 2 Z. 1 StGB unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO vorbringt, die durch den Stoß ausgeübte Gewalttätigkeit des Mitangeklagten Anton A sei vom Willen des Beschwerdeführers B nicht umfaßt gewesen, weil dieser nur damit einverstanden gewesen sei, daß einer alten Frau die Handtasche entrissen werde, so ist er zunächst erneut auf sein Schuldbekenntnis zu verweisen (S. 119). Im übrigen umfaßt aber die Vereinbarung, einer Person einen Gegenstand gegen ihren Behauptungswillen zu entreißen, auch die Verübung eines Raubes. Es kann somit nicht davon gesprochen werden, daß Anton A durch die von ihm gewählte Tatausführung den gemeinsam gefaßten Plan überschritten hätte und der Beschwerdeführer B hiefür nicht verantwortlich gemacht werden könne. Da er zur Hilfeleistung und Absicherung am Tatort anwesend war und die Tat dem gemeinsam vorher gefaßten Plan gemäß ausgeführt wurde, ist dem Schöffengericht bei der Beurteilung des Verhaltens dieses Beschwerdeführers als Gesellschaftsraub nach § 143 erster Fall StGB kein Rechtsirrtum unterlaufen (Leukauf- Steininger2, RN. 7 zu § 143 StGB; Kienapfel, BT II, RN. 7 zu § 143). Beide Nichtigkeitsbeschwerden erweisen sich insgesamt als unbegründet und waren daher zu verwerfen. Das Jugenschöffengericht verurteilte die Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung der § 11 JGG. und 41 StGB, bei A auch des § 28 StGB zu für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen und zwar Anton A in der Dauer von zwei Jahren, Thomas Mario B in der Dauer von eineinhalb Jahren. Bei der Strafzumessung nahm es als erschwerend bei A das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen und die Umstände an, daß er den Diebstahl begangen hat, obwohl er wußte, daß bereits ein Strafverfahren wegen Raubes gegen ihn anhängig war und daß er bei Begehung der Tat die Hilflosigkeit einer alten Frau ausgenützt hat, bei B die Anstiftung des A sowie den Umstand, daß er die Hilflosigkeit einer alten Frau ausgenützt hat, wertete hingegen als mildernd bei beiden Angeklagten das teilweise, zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis, den bisher ordentlichen Lebenswandel und den guten Ruf sowie den Umstand, daß sie sich der Zufügung größeren Schadens freiwillig enthalten haben sowie die (teilweise) Schadensgutmachung, bei A überdies auch die Anstiftung durch B. Die Berufungen der Angeklagten, welche Strafherabsetzung, allenfalls die Verhängung von Rahmenstrafen begehren, sind nicht begründet. Die Verhängung von Rahmenstrafen erweist sich im Hinblick auf die Gewährung bedingter Strafnachsicht nicht als zweckmäßig. Im übrigen vermögen die Berufungswerber keine zusätzlichen, vom Erstgericht nicht gewürdigten Milderungsgründe vorzubringen, weil die Geständnisse und die Schadensgutmachung ohnedies als mildernd angenommen wurden und das Alter der Angeklagten in der weitgehenden Anwendung des § 41 StGB Berücksichtigung gefunden hat. Da überdies als erschwerend noch die (leichte) Verletzung des Opfers den Angeklagten anzurechnen wäre, der gute Ruf in dem Milderungsgrund des bisher ordentlichen Lebenswandels aufgeht, entsprechen die verhängten Strafen durchaus dem (nicht geringen) Schuld- und Unrechtsgehalt der im Vordergrund stehenden Raubtat und den allgemeinen Strafzumessungsregeln nach § 32 StGB Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung fußt auf § 390 a StPO

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