OGH 11Os50/82

OGH11Os50/8212.5.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Mai 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollak als Schriftführers in der Strafsache gegen Fritz A und einen anderen wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten Fritz A erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde des Johann B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 10. September 1981, GZ 3 e Vr 7.81-9, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Horak sowie Dr. Strommer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Fritz A wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im diesen Angeklagten betreffenden Schuldspruch wegen Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 StGB und daher auch in dem ihn betreffenden Strafausspruch aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang dieser Aufhebung in der Sache selbst erkannt wird:

Fritz A wird für den unberührt bleibenden Teil des Schuldspruchs wegen Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 (sechs) Monaten sowie gemäß dem § 389

StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Von der weiteren Anklage, er habe in der Nacht zum 15. April 1981 in Wien Ilse C durch gefährliche Drohung, nämlich die Äußerungen, sie würde von Johann B und ihm umgebracht, wenn sie von dem unter Punkt 1 des Urteilssatzes bezeichneten Sachverhalt etwas verrate, sowie sie dürfe sich nach dem Aussteigen nicht umdrehen, ansonsten sie erschossen würde, wobei Johann B von Fritz A einen 'Puffer' verlangte, zur Unterlassung der Anzeigeerstattung zu nötigen versucht, wird er gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Fritz A verworfen.

Mit seiner Berufung wird er auf diese Entscheidung verwiesen. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann B wird (zur Gänze) verworfen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Fritz A und Johann B des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs. 1 StGB und des Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil sie in der Nacht zum 15. April 1981 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter 1. Ilse C mit Gewalt gegen ihre Person, nämlich durch Würgen, sowie durch eine im Anschluß daran gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, nämlich durch die Äußerung, falls sie sich weigere, würden andere Sachen gefunden werden, um sie dazu zu zwingen, zum außerehelichen Beischlaf nötigten; 2. Ilse C durch gefährliche Drohung, nämlich die Äußerungen, sie würde von beiden umgebracht, wenn sie von dem unter Punkt 1. bezeichneten Sachverhalt etwas verrate, sowie sie dürfe sich nach dem Aussteigen nicht umdrehen, ansonsten sie erschossen würde, wobei Johann B von Fritz A einen 'Puffer' verlangte, zur Unterlassung der Anzeigeerstattung zu nötigen versuchten.

Diese Schuldsprüche bekämpfen die beiden Angeklagten mit (getrennt ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden, in welchen Fritz A den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a, Johann B die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO geltend macht.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Fritz A:

Dieser Beschwerdeführer bringt in seiner Rechtsrüge vor, er sei zu Unrecht der bezeichneten Tat schuldig erkannt worden, weil weder er noch der Zweitangeklagte Gewalt anwendeten oder eine gefährliche Drohung aussprachen, um Ilse C zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen. Der vom Erstgericht festgestellte Würgegriff des Zweitangeklagten um den Hals der Zeugin C habe, ebenso wie die dabei ausgesprochene Drohung, nur dazu gedient, sie zum Verbleiben im PKW zu veranlassen. Auf die Abnötigung des außerehelichen Beischlafs sei der Vorsatz beider Angeklagter zu diesem Zeitpunkt noch nicht gerichtet gewesen. Die mit der Aufforderung, sich zu entkleiden, verbundene spätere Drohung des Zweitangeklagten gegenüber Ilse C, 'falls sie sich weigere, würden andere Sachen gefunden werden, um sie dazu zu zwingen', sei objektiv nicht geeignet gewesen, dem Opfer gegründete Besorgnisse einzuflößen. Dies gelte auch für die vom Zweitangeklagten ausgesprochene Drohung zur Verhinderung der Anzeigeerstattung durch C; einem Schuldspruch des Beschwerdeführers wegen dieser Tat stehe überdies entgegen, daß er in diesem Faktum nicht Mittäter war und die Äußerung des Zweitangeklagten auch dann nicht zu verantworten habe, wenn sie tatbestandsmäßig wäre.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Vorbringen ist zum Schuldspruch wegen Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf zu entgegnen: Wenn auch die Gewaltanwendung des Zweitangeklagten unmittelbar dazu diente, Ilse C am Verlassen des PKW zu hindern, so gehörte sie damit doch auch - entgegen dem Beschwerdevorbringen - bereits zur Verwirklichung des Tatplans, der nach den erstgerichtlichen Feststellungen (S 107) zu diesem Zeitpunkt bereits darauf gerichtet war, Ilse C an einen abgelegenen Ort zu bringen und dort mit ihr den Geschlechtsverkehr auszuüben. Wenn daher der Zweitangeklagte den Versuch der Ilse C, aus dem Fahrzeug zu flüchten, dadurch vereitelte, daß er seinen Arm um ihren Hals legte, fest zudrückte und erklärte, wenn sie so etwas noch einmal versuche, so könne sie etwas erleben, wobei er sodann seinen Arm in der Nähe des Halses der C beließ, um gegebenenfalls neuerlich so gegen sie Gewalt ausüben zu können, so stellte dies bereits die Anwendung von Gewalt gegen das Opfer in Ausführung der von beiden Tätern beabsichtigten Tat dar, war damit tatbestandsmäßig und dem Erstangeklagten, der bei dieser Gewaltanwendung anwesend und nach den Urteilsannahmen damit einverstanden war, ebenfalls zuzurechnen, zumal er an der zweiten Phase des Tatgeschehens, nämlich der Ausübung des Beischlafs, der Ilse C dergestalt abgenötigt worden war, aktiv mitwirkte.

Verfehlt ist auch das weitere Beschwerdevorbringen, die Äußerung, falls sie (C) sich weigere, würden andere Sachen gefunden werden, um sie dazu (nämlich zum Entkleiden und der Hingabe zum außerehelichen Geschlechtsverkehr) zu zwingen, stelle angesichts der Persönlichkeit der Bedrohten keine gefährliche Drohung im Sinn des § 74 Z 5 StGB dar. Die Eignung der Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen, sodaß - wie der Beschwerdeführer an sich zutreffend bemerkt - bloß eingebildete Furcht des Bedrohten nicht ausreicht. In gleicher Weise ist aber auch besonderer Mut oder besondere Gleichgültigkeit gegenüber dem angedrohten übel auf Seiten des in concreto Bedrohten nicht entscheidend. Das urteilsfremde Beschwerdevorbringen, Ilse C stamme aus einem Milieu, in dem die festgestellte Äußerung nicht geeignet sei, einer Frau begründete Besorgnisse einzuflößen, betrifft daher eine rechtlich unerhebliche Frage: Entscheidend ist allein, ob einer zwei Männern in einsamer Gegend gegenüberstehenden Frau durch die wiedergegebene Äußerung begründete Besorgnisse eingeflößt werden konnten, was eindeutig zu bejahen ist. Nur der Vollständigkeit halber sei noch beigefügt, daß der Gebrauch vulgärer Ausdrücke den Schluß auf besondere Furchtlosigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber Drohungen nicht gestattet und auch nicht einzusehen ist, warum die Bedrohte deshalb den Eindruck haben sollte, die Täter seien nicht in der Lage, das ihr angedrohte übel auch wirklich herbeizuführen.

Berechtigung kommt hingegen der Rüge des Beschwerdeführers zu, soweit er gegen seinen Schuldspruch im Faktum 2

dartut, daß er an dieser Tat nicht im Sinn des § 12 StGB beteiligt war. Unmittelbarer Täter und daher auch Mittäter nach dem ersten Fall dieser Gesetzesstelle kann nämlich nur sein, wer dem Tatbild entsprechende Ausführungshandlungen zumindest teilweise setzt. Dies trifft für den Beschwerdeführer, der nach den Urteilsfeststellungen weder selbst eine Drohung äußerte, noch die Drohung des Zweitangeklagten durch Gesten oder andere schlüssige Handlungen (wie etwa Reichen des von diesem verlangten 'Puffers') unterstrich, nicht zu. Eine Bestimmung des Zweitangeklagten zu seiner Tat nahm das Erstgericht ebensowenig an wie einen sonstigen Tatbeitrag des Beschwerdeführers. Der Umstand allein, daß dieser Angeklagte der in seiner Anwesenheit ausgestoßenen Drohung des Zweitangeklagten nicht widersprach, worauf das Erstgericht den in Rede stehenden Schuldspruch stützte (S 111), reicht zur Annahme seiner Mittäterschaft nicht hin, sodaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten in diesem Umfang Folge zu geben und in Ansehung des seinen Schuldspruch wegen Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zugrundeliegenden Anklagevorwurfes mit Freispruch vorzugehen war.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann B:

In seiner Mängelrüge nach dem § 281 Abs. 1 Z 5 StPO macht dieser Beschwerdeführer eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung geltend, weil sie sich nicht mit seiner Verantwortung, größere Mengen Alkohol konsumiert zu haben und 'alkoholisiert' gewesen zu sein, befaßte. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß es keine für die rechtliche Beurteilung entscheidende Tatsache darstellt, ob ein Täter 'alkoholisiert' war. Relevant ist vielmehr nur die Frage, ob ihm (etwa zufolge übermäßigen Alkoholgenusses) die Zurechnungsfähigkeit im Sinn des § 11 StGB fehlte. Im übrigen befaßte sich das Erstgericht ohnedies mit der Verantwortung des Zweitangeklagten, die auf eine stärkere Berauschung zur Tatzeit hinauslief, und stellte unter Hinweis auf das teilweise erhalten gebliebene Erinnerungsvermögen sowie die übereinstimmenden und als glaubwürdig gewerteten Aussagen der Zeuginnen Ilse C und Michaela D fest, daß der Beschwerdeführer nicht volltrunken war (S 106, 109 f). Die Rechtsrüge des Beschwerdeführers B nach dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO, mit der er seine Zurechnungsunfähigkeit zur Tatzeit darzutun versucht, steht mit diesen Feststellungen des angefochtenen Urteils im Widerspruch und ist daher nicht gesetzmäßig ausgeführt. Von den der Rechtsrüge zugrundezulegenden Urteilsfeststellungen entfernt sich der Beschwerdeführer in unzulässiger Weise auch mit seinem - offenbar Vollendung der Tat negierenden und daher im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO einen Schuldspruch wegen (bloß) versuchter Nötigung zum Beischlaf anstrebenden - weiteren Vorbringen, er habe den Geschlechtsverkehr nicht durchgeführt, weil er dazu (physisch) nicht in der Lage gewesen wäre.

Schließlich wirft Johann B dem Ersturteil auch zu Unrecht einen Mangel an zur rechtlichen Beurteilung erforderlichen Feststellungen vor, weil es sich nicht mit seiner Verantwortung auseinandersetze, Ilse C habe sich ihm freiwillig hingegeben. Einer derartigen Verantwortung bediente sich nämlich dieser Beschwerdeführer gar nicht, vielmehr gab er zu, daß er der Zeugin wegen ihrer Weigerung eine 'Watsche' androhte (S 69), weshalb sie sich ängstigte (S 70); nachher habe die Frau auf der Heimfahrt geweint (S 70); er habe angenommen, daß sie die Tat nicht wollte (S 71). Für das Erstgericht bestand daher keinerlei Veranlassung, sich mit der Frage eines Irrtums des Beschwerdeführers über das von ihm angeblich vermutete Einverständnis des Tatopfers auseinanderzusetzen.

Die weitgehend nicht gesetzmäßig ausgeführte, im übrigen aber unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann B war daher zu verwerfen.

Bei der infolge des Teilfreispruchs bei Fritz A erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof keinen Umstand als erschwerend oder mildernd.

In Anbetracht des geringeren Tatunrechts wegen Wegfalls eines Faktums und der vom Erstgericht angenommenen minderen Tatbeteiligung war bei diesem Angeklagten eine maßvolle Reduzierung der vom Erstgericht verhängten Freiheitsstrafe auf sechs Monate geboten. Der Gewährung einer bedingten Strafnachsicht nach dem § 43 Abs. 1 StGB standen neben dem Tathergang auch Erwägungen der Generalprävention entgegen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Fritz A auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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