OGH 12Os24/82

OGH12Os24/826.5.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Mai 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schroth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann A wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1, 311, 223 Abs 2, 313 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 1. Dezember 1981, GZ 26 Vr 4472/80-55, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Riedl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, in Punkt II. des Schuldspruches (Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2, 313 StGB) und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Johann A wird für das ihm laut Punkt I.) weiterhin zur Last fallende Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird ihm die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Die Aussprüche über den Ersatz der Kosten des Strafverfahrens und über die Verweisung der Privatbeteiligten Werner und Gabriele B auf den Zivilrechtsweg werden aus dem Ersturteil übernommen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15. Februar 1931 geborene Landwirt Johann A des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (Punkt I/ des Urteilsspruches) und des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2, 313 StGB (Punkt II/ des Urteilsspruches) schuldig erkannt.

Zum Punkt I) des Schuldspruches wird ihm angelastet, als Bürgermeister der Gemeinde Itter, Bezirk Kitzbühel, mithin als Beamter, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als Baubehörde erster Instanz in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, mit dem Vorsatz, dadurch Werner und Gabriele B an ihren Rechten zu schädigen, wissentlich mißbraucht zu haben, indem er 1) im Bescheid vom 22. Juni 1979, Zl 153-o-7/79, mit welchem dem Franz C für den Neubau einer Produktionshalle (für eine Marmelade- und Honigerzeugung) mit Garage auf der Grundparzelle 668/1 der KG Itter die Baubewilligung erteilt wurde, im Untergeschoß dieses Bauvorhabens zur Grundparzelle 668/2 des Ehepaares B einen Grenzabstand von 3 Meter festgelegt hat, obwohl bei der Bauverhandlung am 18. Mai 1979 das Ansuchen des Bauwerbers auf einen Bauabstand von 5 Meter eingeschränkt worden war, und 2) im Dezember 1979 es sodann pflichtwidrig (§ 40 Tiroler Bauordnung) unterlassen hat, den bescheidwidrig ausgeführten Bau des Franz C, bei dem der Aushub der Baugrube das Abrutschen eines Teiles des Nachbargrundstückes der Eheleute B bewirkt hatte und die Kellermauer an der Grundstücksgrenze errichtet worden war, einzustellen, obwohl von den Anrainern am 5. Dezember 1979 ein bezüglicher Antrag gestellt worden war.

Zum Punkt II) des Schuldspruches wird ihm ferner als Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2, 313 StGB vorgeworfen, unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit verfälschte Urkunden zum Beweis der Tatsache, daß anläßlich der Bauverhandlung am 18. Mai 1979 der Grenzabstand des Bauvorhabens des Franz C von der Parzelle 668/2 mit 3 Meter begehrt und festgelegt worden war, in der Weise gebraucht zu haben, daß er im Baubewilligungsbescheid der Gemeinde Itter vom 22. Juni 1979 auf die in einer Anlage zur Verhandlungsschrift enthaltenen baupolizeilichen Bedingungen und auf den gleichzeitig genehmigten (einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides bildenden) Plan verwies, in denen jeweils der in der Bauverhandlung fixierte Grenzabstand von 5 Meter nachträglich auf 3 Meter ausgebessert worden war (Punkt 5 der Anlage zur Verhandlungsschrift und Lageplan 1 : 500 des Tekturplanes zum Einreichplan vom Oktober 1978). Von der Anklage, das Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt auch dadurch begangen zu haben, daß er im Dezember 1979 eine (neuerliche) Bauverhandlung betreffend das Bauvorhaben des Franz C (zu dessen Erweiterung) anberaumt hat, obwohl ein im § 27 Abs 1 Tiroler Bauordnung zwingend vorgesehenes schriftliches Bauansuchen nicht vorlag, und vom Anklagevorwurf wegen Vergehens der falschen Beurkundung im Amt nach § 311 StGB wurde Johann A hingegen gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Die Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 8 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Einen den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund verwirklichenden Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung seines Antrages, den Gemeindesekretär Erwin D als Zeugen ergänzend darüber zu vernehmen, daß dem zugestellten Baubewilligungsbescheid vom 22. Juni 1979 auch die baupolizeilichen Bedingungen beigeschlossen gewesen seien (vgl S 306 f d.A). Der geltend gemachte Verfahrensmangel ist jedoch nicht gegeben.

Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer hinreichend Gelegenheit gehabt hätte, von dem in derselben Hauptverhandlung ohnehin vernommenen Zeugen D die gewünschte Auskunft zu verlangen, ist der zum abweislichen Zwischenerkenntnis im Urteil nachgetragenen Begründung des Erstgerichtes (vgl S 335 f d.A) darin beizupflichten, daß es für die Beurteilung entscheidungswesentlicher Fragen einer Klärung des unter Beweis gestellten Tatumstandes nicht bedurfte. Denn für die Lösung der Schuldfrage ist es letztlich ohne Bedeutung, ob Dr. Anton E als Rechtsvertreter der betroffenen Anrainer von der vorgenommenen önderung des Grenzabstandes von 5 Meter auf 3 Meter in der Anlage zur Verhandlungsschrift dehalb nicht rechtzeitig Kenntnis erlangt hat, weil diese Urkunde nicht dem an seine Mandanten zugestellten Baubewilligungsbescheid beigeschlossen war oder weil diese die Unterlagen nicht an ihn weitergegeben haben, oder ob die Ergreifung eines Rechtsmittels gegen den Baubewilligungsbescheid etwa versehentlich unterlassen worden ist. Durch die Ablehnung einer ergänzenden zeugenschaftlichen Vernehmung des Erwin D konnten sohin Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt werden. Verfehlt ist auch der auf den Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Beschwerdeeinwand, es liege eine Anklageüberschreitung vor, weil in der Anklage der Vorwurf erhoben werde, der Angeklagte habe den in Rede stehenden Baubewilligungsbescheid mit einem Grenzabstand von 3 Meter zur Grundparzelle des Werner und der Gabriele B erlassen, obwohl bei der Bauverhandlung ein solcher von 5 Meter beschlossen worden sei, wogegen im Urteil darauf abgestellt werde, daß bei der Bauverhandlung das Ansuchen auf einen Bauabstand von 5 Meter eingeschränkt worden sei. Denn durch ein Abgehen des Gerichtes von der Auffassung des Anklägers über den konkreten Geschehnisablauf geht nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl ÖJZ-LSK 1977/118, 1978/343 uva) die Identität der Tat noch keineswegs verloren. Gegenstand der Anklage bildet nämlich die Beteiligung des Angeklagten an einem bestimmten Vorfall. An die Darstellung der Anklage über den konkreten Ablauf jeder einzelnen Phase des vom Ankläger verfolgten Vorganges ist das Gericht jedoch genau so wenig gebunden, wie an die vom Ankläger vorgenommene rechtliche Beurteilung. Um den Zusammenhang aller für den Deliktserfolg erheblichen Tatsachen zu erkennen und zu einer richtigen Beurteilung dieser Tatsachen zu gelangen, ist oftmals ein übergreifen über den durch die Anklage gezogenen Tatsachenkreis unvermeidlich, und das Gericht hat eine Verurteilung gegebenenfalls auch dann auszusprechen, wenn seine Auffassung über die Einzelheiten des inkriminierten Vorganges von jener des Anklägers abweicht. In einem solchen Fall besteht auch keine Verpflichtung des Gerichtes, die Parteien auf eine von der Anklage verschiedene Beurteilung bestimmter Tatsachen aufmerksam zu machen (vgl Mayerhofer-Rieder II/1, Nr 113 zu § 262 StPO); zudem wäre eine Verletzung der Vorschrift des § 262 StPO an sich nicht mit Nichtigkeit bedroht (vgl ÖJZ-LSK 1977/340).

Die Rechtsrüge, in der sich der Beschwerdeführer mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO im wesentlichen gegen die Annahme des Schöffensenats wendet, er habe seine Befugnis, als Baubehörde erster Instanz in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht und hiebei mit Schädigungsvorsatz gehandelt, erweist sich zum Teil als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, im übrigen jedoch als unbegründet:

Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte wider besseres Wissen den Baubewilligungsbescheid vom 22. Juli 1979 mit Bezugnahme auf die (ihm bekannten) Verfälschungen des in der Bauverhandlung festgelegten Grenzabstandes von 5 Meter auf 3 Meter in der Anlage zur Verhandlungsschrift und im Bauplan erlassen. Er tat dies, obwohl er darauf aufmerksam gemacht worden war, daß bei einer neuerlichen Abänderung der baupolizeilichen Bedingungen eine Bauverhandlung abgeführt werden muß, und obwohl er wußte, daß der Bausachverständige Ing. F von vornherein zu einer solchen önderung negativ Stellung genommen und schon bei der Bauverhandlung am 18. Mai 1976 darauf hingewiesen hatte, daß infolge der Hanglage des Nachbargrundstückes bei Einhalten eines geringeren Grenzabstandes mit einer Schädigung jenes Baugrundes zu rechnen war, wie sie in der Folge auch wirklich eingetreten ist. Daraus leitet das Schöffengericht - denkfolgerichtig - ab, daß der Angeklagte die Anrainer nicht nur in ihrem konkreten Recht auf ein Verfahren und einen Bescheid nach der Tiroler Bauordnung schädigen wollte, sondern auch, indem er dem Rat eines Fachmannes zuwiderhandelte, den tatsächlichen Schaden am Nachbargrundstück bewußt in Kauf genommen hat (vgl S 326 f d.A). überdies nahm es als erwiesen an, daß der Angeklagte, nachdem bereits infolge der konsenswidrigen Verbauung bis zur Grundstücksgrenze der Nachbargrund in erheblichem Maße in Mitleidenschaft gezogen worden war, seiner Pflicht, gemäß § 40 Tiroler Bauordnung die von den Betroffenen beantragte Einstellung der Bauausführung zu verfügen, bewußt nicht nachgekommen ist, den Bauwerber sogar angeleitet hat, ein entsprechendes Ansuchen zu stellen, und trotz Fehlens eines schriftlichen Antrages hierüber, ohne den Einstellungsantrag der Eheleute B zu erledigen, eine Bauverhandlung anberaumt und durchgeführt hat (vgl S 327 f d.A). Mit der Behauptung, 'aus den Feststellungen des Erstgerichtes im Zusammenhang mit der Verantwortung des Angeklagten' könne nicht widerspruchsfrei abgeleitet werden, daß er bewußt seiner im § 40 Tiroler Bauordnung normierten Verpflichtung nicht nachgekommen sei, er sei nur bestrebt gewesen, eine 'rechtliche Sanierung' der getroffenen Maßnahmen durchzuführen, ohne eine (weitere) Schädigung des Nachbargrundstückes befürchten zu müssen, setzt sich der Beschwerdeführer über die Entscheidung der Tatfrage zur inneren Tatseite getroffenen Konstatierungen des Gerichtes, von denen bei der Erledigung der Rechtsrüge auszugehen ist, hinweg. Desgleichen negiert er die Urteilsannahme, wonach das Bauansuchen des Franz C in der Bauverhandlung vom 18. Mai 1979 auf einen Grenzabstand von 5 Meter eingeschränkt worden war und der Baubewilligungsbescheid vom 22. Juli 1979 auf nachträglich verfälschten Urkunden beruht. In diesem Umfang erschöpft sich das Beschwerdevorbringen, das im wesentlichen nur eine Wiederholung der vom Erstgericht für widerlegt erachteten Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung darstellt, in einer Bekämpfung der für den Schuldspruch wesentlichen Tatsachenfeststellungen und der ihnen zugrundeliegenden Beweiswürdigung nach Art und Zielsetzung einer im Nichtigkeitsverfahren gegen ein schöffengerichtliches Urteil unstatthaften Schuldberufung.

Ein Eingehen auf die Frage, ob die Anberaumung einer Bauverhandlung für den 21. Dezember 1979 ohne Vorliegen eines schriftlichen Bauansuchens einen Mißbrauch der Amtsgewalt darstellt, erübrigt sich, weil insoweit ohnedies ein - unangefochten gebliebener - Freispruch gefällt worden ist. Ebensowenig bedarf es mangels eines Schuldspruches in dieser Richtung einer Erörterung, ob die Erlassung des Bescheides vom 23. Jänner 1980, welcher in der Folge erfolgreich angefochten worden ist, ein weiteres im Sinne des § 302 Abs 1 StGB tatbildliches Verhalten des Angeklagten darstellt.

In rechtlicher Hinsicht ist dem Bschwerdeführer noch folgendes entgegenzuhalten:

Das Wesen des Tatbestandes nach § 302 Abs 1 StGB besteht im Mißbrauch, dh in der rechtswidrigen Ausübung oder Nichtausübung der Befugnis des Beamten, als Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen. Auf der inneren Tatseite wird vorausgesetzt, daß der Mißbrauch dieser Befugnis wissentlich (§ 5 Abs 3 StGB) erfolgt und vom (zumindest bedingten) Vorsatz des Täters getragen ist, dadurch einen anderen in seinen Rechten zu schädigen. Hiebei kommt sowohl ein Schaden an Vermögesrechten, als auch eine Beeinträchtigung sonstiger konkreter (öffentlicher oder privater) Rechte in Betracht.

Wie das Erstgericht richtig erkannt hat, hat der Angeklagte, der in seiner Eigenschaft als Bürgermeister im Rahmen der örtlichen Baupolizei, mithin als Organ einer Gemeinde bei der in den Bereich der Hoheitsverwaltung fallenden Vollziehung der Tiroler Bauordnung (LGBl Nr 42/1974), tätig geworden ist (vgl ÖJZ-LSK 1979/133), einen Befugnismißbrauch zunächst dadurch begangen, daß er bewußt rechtswidrig einen Baubewilligungsbescheid erließ, der weder der Bestimmung der (für landwirtschaftliche Mischgebiete maßgebenden /§ 14 Abs 2 lit c Tiroler RaumordnungsG, LGBl Nr 10/1972/), einen Mindestabstand von 4 Meter zur Grundstücksgrenze normierenden lit b des § 7 Abs 1 Tiroler Bauordnung, noch den in der Bauverhandlung auf Grund des Gutachtens des Bausachverständigen Ing. F in einer Anlage zur Verhandlungsschrift niedergelegten und vom Bauwerber durch entsprechende Einschränkung seines Bauansuchens akzeptierten baupolizeilichen Auflagen zum Schutz der Nachbarrechte (§ 30 Abs 4 Tiroler Bauordnung) entsprach.

Zudem mißachtete er bewußt die Bestimmung des § 40 Abs 3 Tiroler Bauordnung, die bei konsenswidriger Bauausführung die Untersagung der Fortsetzung der Arbeiten vorschreibt, indem er das bezügliche Ansuchen der Anrainer unerledigt ließ, andererseits jedoch bemüht war, möglichst rasch die eigenmächtig vorgenommene önderung des Bauvorhabens durch den Baubescheid zu sanieren und die Eheleute B durch Erlassung eines Untersagungsbescheides einzuschüchtern (vgl S 326 d.A). Daß dieses wissentlich mißbräuchliche und gesetzwidrige Vorgehen des Angeklagten bei der Baubewilligung und bei der Unterlassung pflichtwidriger Amtsausübung bezüglich einer im Gesetz zwingend vorgesehenen Mängelbehebung und Baueinstellung geradezu zwangsläufig wichtige Interessen der Eheleute B beeinträchtigte (vgl hiezu ÖJZ-LSK 1981/39), wenn er gesetzlichen Vorschriften über die Bauabstände zu den Grundstücksgrenzen zuwiderhandelte und zum Schutz der Nachbarrechte erforderliche Auflagen außer acht ließ, sogar bewußt in Kauf nahm, daß infolge der Hanglage des Nachbargrundstückes bei Einhalten eines geringeren Grenzabstandes eine tatsächliche Schädigung eintreten werde, und es dabei bewenden ließ, als ein derartiger Schaden am Nachbargrundstück tatsächlich bereits zu erkennen war, liegt auf der Hand und bedurfte keiner näheren Erörterung.

Die Annahme, daß der Angeklagte durch das inkriminierte Tatverhalten seine Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften wissentlich mißbraucht und mit dem Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) gehandelt hat, die Eheleute B an ihren Rechten zu schädigen, erweist sich demnach auf der Basis der getroffenen Tatsachenfeststellungen auch in rechtlicher Hinsicht als unbedenklich.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann A war sohin zu verwerfen.

Aus Anlaß seiner Nichtigkeitsbeschwerde war jedoch von Amts wegen wahrzunehmen, daß das Urteil insofern mit einer vom Angeklagten nicht geltend gemachten, ihm jedoch zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit gemäß der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO behaftet ist, als dem Angeklagten neben dem Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB auch das Vergehen der Urkundenfälschung angelastet wurde.

Bei der Prüfung des Verhältnisse zwischen einem echten Sonderdelikt und einem allgemeinen Delikt ist nämlich grundsätzlich davon auszugehen, daß das Sonderdelikt das allgemeine, dessen Merkmale bei der Begehung des Sonderdelikts in concreto verwirklicht werden - mithin § 302 Abs 1 StGB insoweit eine unter Ausnützung einer Amtsstellung begangene Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2, 313 StGB -, dann verdrängt, wenn alle Merkmale des allgemeinen Delikts im konkreten Fall im Rahmen des Sonderdelikts zumindest in einer seiner Phasen gesetzt worden sind und das allgemeine Delikt in seiner Gesamtauswirkung nicht mit strengerer Strafe bedroht ist (vgl ÖJZ-LSK 1979/230, Leukauf-Steininger2, RN 71 zu § 28).

Die genannten Kriterien sind vorliegend gegeben, weil es sich bei der Handlungsweise des Angeklagten im Zusammenhang mit der Erlassung des Baubewilligungsbescheides vom 22. Juni 1979 um einen auf einem einheitlichen Willensentschluß beruhenden Tatkomplex handelt, bei dem der Gebrauch der verfälschten Urkunden nach dem Tatplan des Angeklagten geradezu eine Voraussetzung für den Erfolg des durch die Erlassung des Baubewilligungsbescheides verübten Amtsmißbrauchs und im Geschehnisablauf eine Teilphase des letzteren darstellt. Bildeten doch sowohl die baupolizeilichen Bedingungen laut der Anlage zur Verhandlungsschrift, als auch die unter einem genehmigten Baupläne einen integrierenden Bestandteil des Bescheides, worauf in diesem ausdrücklich hingewiesen wird. Demnach war das gesamte den Punkten I/1) und II) des Schuldspruchs zugrundeliegende Tatverhalten des Beschwerdeführers insgesamt nur als Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt zu qualifizieren und dessen gesonderte rechtliche Beurteilung auch als damit tateinheitlich begangene Urkundenfälschung gemäß § 223 Abs 2, 313 StGB rechtlich verfehlt und wie im Spruche aus dem Schuldspruch auszuschalten. Bei der erforderlich gewordenen Strafneubemessung nahm der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Wiederholung des Amtsmißbrauches, als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel an. Da sich am Schuld- und Unrechtsgehalt der Straftat durch den Wegfall des Vergehens der Urkundenfälschung nichts wesentliches geändert hat, die Verfehlungen des Angeklagten schon im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einer genauen Einhaltung der Bauvorschriften nicht als gering beurteilt werden können, im übrigen von einem längeren Zurückliegen der Straftaten nicht gesprochen werden kann, erscheint eine siebenmonatige, im übrigen bedingt nachgesehen Freiheitsstrafe, wie sie vom Erstgericht verhängt wurde, tatschuldangemessen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390 a StPO

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