OGH 11Os54/82

OGH11Os54/8228.4.1982

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollak als Schriftführers in der Strafsache gegen Walter A wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs. 1 Z. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengerichtes vom 19. Jänner 1982, GZ. 26 Vr 3.432/79-63, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil - teilweise auch gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO - aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter A des Vergehens der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs. 1 Z. 1 StGB sowie des Vergehens nach dem § 114 ASVG. schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, daß er I. in der Zeit vom 6.Dezember 1976 bis 30.Oktober 1979 als Geschäftsführer der X-Werbung Ges.m.b.H., die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit dieser Gesellschaft herbeiführte, insbesondere dadurch, daß er übermäßigen Aufwand trieb, nicht die entsprechenden Kenntnisse zur Führung dieses Unternehmens besaß oder sich qualifizierter Mitarbeiter bediente und leichtsinnig Kredit in Anspruch nahm sowie II. in der Zeit vom Mai bis Oktober 1979 als Geschäftsführer der X-Werbung Ges.m.b.H., die Dienstgeberin war, Beiträge der Dienstnehmer dieser Gesellschaft zur Sozialversicherung in der Höhe von 23.623,69 S einbehielt und dem zuständigen Sozialversicherungsträger, der Tiroler Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte, vorenthielt.

Rechtliche Beurteilung

Der ersichtlich nur gegen den erstgenannten Schuldspruch gerichteten, auf die Z. 3, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu.

Der Tatbestand des Vergehens der fahrlässigen Krida in der im § 159 Abs. 1 Z. 1 StGB umschriebenen Erscheinungsform erfordert die - auf welche Art immer - fahrlässige Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit durch einen Schuldner mehrerer Gläubiger (bzw. durch einen leitenden Angestellten dieses Schuldners im Sinn des § 161 StGB). Das angefochtene Urteil entbehrt - wie der Beschwerdeführer zutreffend darlegt - ausreichender, entsprechend begründeter Tatsachenfeststellungen nicht nur über den Zeitpunkt, ab welchem die X-Werbung Ges.m.b.H., deren Geschäftsführer der Angeklagte war, sich als Schuldner mehrerer Gläubiger darstellte, sondern vor allem auch darüber, ob sowie ab wann (wesentlich wegen der Frage der Beendigung der deliktischen Tätigkeit nach dem § 159 Abs. 1 Z. 1 StGB; vgl. EvBl. 1980/130) die Gesellschaft infolge der fahrlässigen Verhaltensweise des Angeklagten mangels flüssiger Mittel unfähig war, binnen angemessener Frist und bei redlicher wirtschaftlicher Gebarung alle ihre fälligen Verbindlichkeiten gegenüber ihren mehreren Gläubigern zu erfüllen (vgl. EvBl. 1981/63 u. a.).

Die Bezeichnung und rechtliche Qualifikation der Tathandlungen im Urteilsspruch ersetzt nicht die für die Prüfung auf Rechtsrichtigkeit erforderliche Feststellung des wesentlichen Sachverhalts in den Urteilsgründen (vgl. Mayerhofer-Rieder II/2, § 281 Z. 9 a, Nr. 8 u.a.).

Das Erstgericht erwähnt im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zwar, daß das - noch näher zu erörternde -

Verhalten des Angeklagten Ursache (siehe jedoch in diesem Zusammenhang auch S. 160/II, letzter Absatz) der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft war (S. 159/II), unterließ jedoch im Rahmen der Feststellungen die Anführung eines die Annahme fahrlässiger Herbeiführung eines derartigen Zustandes deckenden Tatsachensubstrats.

Der Hinweis auf eine für den Tatbestand der fahrlässigen Krida weder erforderliche noch hinreichende überschuldung (S. 147 ff./II) der Firma kann diese fehlenden Konstatierungen ebensowenig ersetzen wie die Ausführungen (S. 146/II) über nicht näher konkretisierte Exekutionen 'ab 1977', weil nicht nur ungeklärt blieb, ob die nicht fristgemäße Abdeckung einzelner Verbindlichkeiten in einer bloßen Nachlässigkeit oder in einem nur vorübergehenden Liquiditätsmangel (Zahlungsstockung) begründet war (vgl. Liebscher, WK., § 159, Randnote 11), sondern auch der Erhebungsbericht der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Tirol vom 30. Oktober 1979 (S. 99 ff./I) sowie die Aussage des Masseverwalters Dr. Albert B (S. 117/II) keine Erörterung fanden, wonach bei guter Auftragslage (z.B. neben der rückstandsfreien Begleichung der Strom- und Telefongebühren sowie der monatlichen Mieten) bis in das Jahr 1979 hinein die meisten Exekutionsverfahren infolge Zahlung eingestellt wurden (vgl. auch S. 280/I).

Im Hinblick auf das Fehlen ausreichender Feststellungen über den Zeitpunkt der veranlaßten Anschaffungen, die jeweilige wirtschaftliche Lage der Gesellschaft sowie die Konditionen sämtlicher aufgenommenen Kredite und das Unternehmenskonzept des Angeklagten überhaupt ist aber in weiterer Folge auch eine rechtliche Beurteilung seines Tatverhaltens in der Frage, ob er im Namen und für Rechnung der Gesellschaft einen übermäßigen Aufwand trieb und leichtsinnig Kredite aufnahm bzw. bei der ihm für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft als ursächlich angelasteten Geschäftsführung fahrlässig (§ 6 StGB) handelte, nicht möglich (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO). Aus der (im wesentlichen bloß rückblickend betrachtet) objektiven Unzweckmäßigkeit und aus dem wirtschaftlichen Mißerfolg einer Geschäftsführung allein, ohne Kenntnis des die einzelnen Geschäftsfälle betreffenden Konzepts des Geschäftsführers und ohne Erörterung sämtlicher behaupteter Gründe für dessen Scheitern (vgl. u. a.

ON. 47/II), kann die Annahme der Fahrlässigkeit bei Herbeiführung einer Zahlungsunfähigkeit (noch) nicht abgeleitet werden (vgl. Liebscher a.a.O. RN. 19; 10 Os 118/81).

In der Frage der Unterlassung der Beiziehung qualifizierter Mitarbeiter muß das Erstgericht in der Urteilsbegründung selbst einräumen (S. 155/II), daß der Angeklagte insbesonders durch die Betrauung der Steuerberatungskanzlei Dr. C und auch spätere Bemühungen alles unternahm, um seiner Verpflichtung zur Führung einer entsprechenden Buchhaltung nachzukommen.

Schon diese vom Beschwerdeführer der Sache nach (obgleich zum Teil unter ziffernmäßig unrichtiger Bezeichnung) zutreffend relevierten Begründungs- (Z. 5) und Feststellungsmängel (Z. 9 lit. a) machen eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz in Ansehung des Urteilsfaktums I unumgänglich, sodaß nach Anhörung der Generalprokuratur bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war (§ 285 e StPO), ohne daß es noch einer Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens bedarf. Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde war gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO mangels diesbezüglicher Anfechtung von Amts wegen überdies wahrzunehmen, daß auch das Urteilsfaktum II insofern mit materieller Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO behaftet ist, als die angefochtene Entscheidung - ungeachtet des Fehlens eines Geständnisses - jeglicher tatsächlicher Feststellungen zur subjektiven Tatseite (vgl. Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze, S. 26) des Vergehens nach dem § 114 ASVG., insbesonders auch für den nach der Verhaftung des Angeklagten am 5.Oktober 1979 liegenden, ersichtlich bis 31.Oktober 1979 angenommenen (siehe S. 315 ff./I) Tatzeitraum entbehrt.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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