OGH 9Os31/82

OGH9Os31/8223.4.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. April 1982 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Kliment als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter-Franz A wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 (erster Fall) StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14. Dezember 1981, GZ 3 d Vr 11.487/80-72, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Maurer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem zu Punkt 3/a des Urteilssatzes erfolgten Schuldspruch wegen des (vollendeten) Vergehens der Veruntreuung in bezug auf einen am 26. November 1980 von Gertraud B erhaltenen Geldbetrag von 11.705,50 S und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Peter-Franz A ist schuldig, er hat am 27. November 1980 in Wien durch Vorlage der von Gertraud B am Vortag über 11.705,50 S erhaltenen Schecks bei der Filiale Schuhmeierplatz der kontoführenden X zur Einlösung versucht, einen ihm zur Abführung an die P anvertrauten Geldbetrag sich mit dem Vorsatz zuzueignen, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Peter-Franz A hat hiedurch sowie durch die ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs (Punkte 1/, 2/ und 3/b bis d) weiterhin zur Last fallenden Taten das Vergehen der teils vollendeten, teils versuchten Veruntreuung nach §§ 133 Abs. 1 und 2 (erster Fall), 15 StGB begangen und wird hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 133 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 (achtzehn) Monaten verurteilt.

Die Aussprüche über die Anrechnung der Vorhaft, über die Ansprüche der Privatbeteiligten und über die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens werden aus dem angefochtenen Urteil übernommen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die getroffene Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der nunmehr 24-jährige Peter-Franz A des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 (erster Fall) StGB schuldig erkannt, weil er in Wien ein ihm anvertrautes Gut in einem 5.000 S übersteigenden Wert, nämlich Bargeld oder Inhaberschecks in einem Gesamtwert von 97.595,50 S, welche ihm von nachgenannten Versicherungswerbern zur Abführung an die P im Wege über die Firma Q-Versicherungsmakler GmbH oder die Firma D übergeben worden waren, sich mit dem Vorsatz zugeeignet hat, sich durch Verwendung dieses Gutes für eigene Zwecke unrechtmäßig zu bereichern, und zwar 1. im September 1980:

a) einen am 9. September 1980 von Sylvia E erhaltenen Betrag von 500

S;

  1. b) einen von Arnold F erhaltenen Betrag von S 11.232 S;
  2. c) einen am 11. September 1980 von Leopold G erhaltenen Betrag von 800 S;

    2. im Oktober 1980:

    a) einen am 28. Oktober 1980 von Sylvia H erhaltenen Betrag von

11.731 S;

b) einen am 1. Oktober 1980 von Herta I erhaltenen Betrag von 10.255

S;

c) einen 'Mitte Oktober' von Elfriede J erhaltenen Betrag von 10.005

;

d) einen am 9. Oktober 1980 von Monika K erhaltenen Betrag von

10.563 S;

3. im November 1980:

a) einen am 26. November 1980 von Gertraud B erhaltenen Betrag von 11.705,50 S;

b) einen am 3. November 1980 von Susanne L erhaltenen Betrag von 200

S;

c) einen am 3. November 1980 von Christian M erhaltenen Betrag von

14.626 S;

d) einen am 18. November 1980 von Renate N erhaltenen Betrag von 10.000 S;

e) einen am 13. November 1980 von Ingrid O erhaltenen Betrag von

5.978 S.

Von der weiteren Anklage wegen Vergehens nach § 198 Abs. 1 StGB wurde Peter-Franz A gemäß § 259 Z 3 StPO (rechtskräftig) freigesprochen.

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. In Ausführung der Mängelrüge macht der Beschwerdeführer zum Faktum 3/a (Gertraud B) geltend, es liege hier insofern eine 'Aktenwidrigkeit' vor, als das Erstgericht feststelle, daß es dem Angeklagten gelungen sei, Gertraud B (die er am Vortag zur Unterfertigung eines Antrages auf Abschluß eines Versicherungsvertrages gewonnen hatte) zur Stornierung dieses Vertrages zu überreden, während in Wahrheit Gertraud B selbst auf diese Stornierung gedrängt habe. Damit stelle aber das anschließende Zerreissen des Antragsformulars und der Zahlungsbestätigung durch den Beschwerdeführer nicht, wie das Urteil annimmt, einen Versuch der Vernichtung von Beweisurkunden dar, sondern die im Hinblick auf die von B gewünschte Vertragsstornierung richtige Vorgangsweise. Im übrigen sei, wie der Beschwerdeführer schließlich - damit auch den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO relevierend - vorbringt, in diesem Faktum der Tatbestand der Veruntreuung weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht verwirklicht, da Gertraud B bereits am 27. November 1980, dem Tag nach der Vertragserrichtung, die Sperre der dem Beschwerdeführer übergebenen Schecks veranlaßte und anschliessend den Vertrag stornierte.

Das vom Erstgericht bloß illustrativ erwähnte (S 381, 415) Zerreißen des Versicherungsantrages und der Zahlungsbestätigung, worauf die Mängelrüge abstellt, betrifft keine entscheidende Tatsache im Sinne des geltendgemachten formellen Nichtigkeitsgrundes; ebensowenig entscheidungswesentlich ist aber auch die Frage, ob die Initiative zur Stornierung des Versicherungsantrages vom Beschwerdeführer oder von der Zeugin Gertraud B ausgegangen ist. Auf das bezügliche Vorbringen in der Mängelrüge braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden.

Rechtliche Beurteilung

Im Ergebnis berechtigt ist aber die Beschwerde, soweit sie im Faktum B in rechtlicher Beziehung - jedenfalls der Sache nach - die (gänzliche) Verwirklichung des Tatbildes des § 133 Abs. 1 StGB bestreitet: Nach den Urteilsannahmen erhielt der Beschwerdeführer am 26. November 1980

von Gertraud B zur Begleichung der Jahresprämie 1980 Schecks über insgesamt 11.705,50 S. Bereits am Morgen des folgenden Tages veranlaßte die Zeugin B die Sperre ihres Kontos bei der Filiale Gersthof der X.

Als der Beschwerdeführer am 27. November 1980 um 11.55 Uhr die Schecks in der Filiale Schuhmeierplatz der X präsentierte, wurden sie von den Angestellten dieser Filiale nicht mehr eingelöst, weil die Filiale bereits von der Kontosperre erfahren hatte; die Bankangestellten übernahmen vielmehr die Schecks lediglich zum Schein und versuchten, den Beschwerdeführer bis zum Eintreffen der von ihnen verständigten Polizei hinzuhalten (S 379). Damit konnte aber der Beschwerdeführer sein Vorhaben, die Zahlung der Schecksummen aus dem Guthaben der Ausstellerin - sei es durch Barzahlung (Art 28 SchG), sei es im Wege einer Gutschrift (Art 38 Abs. 2 SchG) - zu erwirken und diese für sich zu verwenden, sohin die angestrebte, (erst) zur widerrechtlichen Vermögensverschiebung führende Verfügung über den durch die Schecks repräsentierten Geldbetrag vorzunehmen, nicht (mehr) verwirklichen. Ausgehend von den bezüglichen Urteilskonstatierungen ist es somit im Faktum B weder zur (einvernehmlichen) übernahme der Schecks als Zahlungs-, Kredit- bzw Sicherungsmittel oder zur Einziehung noch zu einer übertragung der Schecks (Art 14 SchG) gekommen, sodaß die nach dem Tatplan des Beschwerdeführers beabsichtigte Zueignung nicht gelungen ist. Daher liegt in diesem Fall nicht vollendete, sondern bloß versuchte Veruntreuung vor.

Dem stehen die oben erwähnten, mit der Zeugin B erst später geführten Stornierungsverhandlungen nicht entgegen, deren allfällige Beurteilung nach § 16 Abs. 1 StGB deshalb nicht in Frage kommt, weil es sich um einen mißlungenen Versuch handelte, bei dem ein freiwilliger Rücktritt schon begrifflich ausgeschlossen ist (vgl ÖJZ-LSK 1976/360).

Im aufgezeigten Umfang kommt der Nichtigkeitsbeschwerde daher - sachlich aus der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO -

Berechtigung zu. Im übrigen ist sie jedoch unberechtigt. Gegen den Schuldspruch im Faktum 1/b (Arnold F) bringt der Beschwerdeführer vor, die Feststellung des Erstgerichtes, er habe den Versicherungsantrag dieses Geschädigten weder an die Maklerfirma D noch an die P abgeliefert (S 383), sei aktenwidrig. Wenngleich es zutrifft, daß das Erstgericht die Angaben des Zeugen F im Urteil insoweit unrichtig zitiert und die besagte Feststellung mit den Verfahrensergebnissen im Widerspruch steht (vgl S 183, 213, 214, 245, 325), somit unzulänglich begründet ist, so betrifft dieser Mangel jedoch keine entscheidende Tatsache im Sinne der Z 5 des § 281 Abs. 1

StPO; denn die strafrechtlich relevante Malversation des Beschwerdeführers war nicht das Unterlassen der Weiterleitung des Versicherungsantrages, sondern die Zueignung der kassierten Jahresprämie. Daß er diese auch im Falle F einkassiert hat, wurde von ihm selbst nicht bestritten (S 326).

Seiner - durch die Verlesung der Polizeierhebungen und teilweise auch durch die Aussage des Zeugen Arnold F widerlegten - Verantwortung, diesen einkassierten Betrag an die Firma D abgeliefert zu haben, hat das Erstgericht erkennbar den Glauben versagt, worin ein im Nichtigkeitsverfahren nicht bekämpfbarer Akt freier Beweiswürdigung liegt.

Eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung erblickt der Beschwerdeführer darin, daß sich diese mit der Aussage des Zeugen Edgar Q 'nicht respektive zu wenig' auseinandersetzte. Aus dieser Aussage hätte sich ergeben, daß der Zeuge den Angeklagten zum Inkasso der Versicherungsprämien ermächtigte, der Einbehaltung der Provisionen hievon durch ihn zustimmte und mit der Fortführung dessen Vertretertätigkeit auch nach Kündigung des Dienstverhältnisses einverstanden war. Das Erstgericht hat jedoch die Aussage des Zeugen Edgar Q ohnedies ausführlich erörtert (S 405 ff), sich mit der allein entscheidenden Frage der vom Angeklagten behaupteten Berechtigung, die kassierten Prämien als Provision für sich zu behalten oder gegen seine angeblichen Provisionsforderungen aufzurechnen, eingehend auseinandergesetzt und die bezügliche Verantwortung des Angeklagten als eindeutig widerlegt bezeichnet (S 411). Wenn der Beschwerdeführer aus dieser Aussage andere Schlüsse als das Erstgericht zieht, führt er nicht die Mängelrüge gesetzmäßig aus, sondern versucht, auf eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Weise die freie Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) des erkennenden Schöffensenates zu bekämpfen. Eben dies gilt auch für die folgenden Beschwerdeausführungen gegen die erstgerichtliche Annahme des Vorsatzes des Angeklagten, sich durch die Zueignung der kassierten Beträge unrechtmäßig zu bereichern. Auch damit unternimmt der Beschwerdeführer den Versuch, aus seinem Verhalten und aus seiner Verantwortung, nur seine Verhaftung (am 27. November 1980) habe die Abführung der von den geworbenen Versicherungsnehmern (teilweise schon im Oktober 1980) unterfertigten Antragsformulare an die Versicherungsanstalt oder den Makler verhindert, andere Schlüsse als das Gericht zu ziehen, wobei er das entscheidende Argument des Erstgerichtes, daß er nämlich zum Einbehalt der Prämien für seine - mangels Vertragsabschlusses noch gar nicht verdienten - Provisionsansprüche nicht berechtigt war, sodaß der Verbrauch dieser Beträge eine unrechtmäßige Zueignung darstellte, unerwähnt läßt. Auch insofern ist die Mängelrüge daher nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Soweit der Beschwerdeführer abschließend in Ausführung der Rechtsrüge nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO vorbringt, das Erstgericht habe die ungerechtfertigte Bereicherung des Angeklagten weder angenommen noch begründet, mangels Erfüllung des subjektiven Tatbestandes wäre daher mit Freispruch vorzugehen gewesen, entfernt er sich von den in diesem Belange sehr wohl getroffenen Urteilsfeststellungen, wonach er bei der - nach dem Vorgesagten vereinbarungswidrigen und unerlaubten - Zueignung der ihm anvertrauten Prämien mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung handelte (S 415). Die bezügliche Rechtsrüge ist daher nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht den vom Urteil festgestellten Sachverhalt, sondern einen willkürlich an dessen Stelle gesetzten mit dem darauf anzuwendenden Gesetz vergleicht.

Bei der durch die getroffene Sachentscheidung erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Vorstrafen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Straftaten, die Wiederholung der Tathandlungen und den Umstand, daß der Angeklagte trotz der am 17. November 1980 in erster Instanz (unter anderem wegen eines Vermögensdelikts) erfolgten Aburteilung unmittelbar darauf die Veruntreuungshandlungen fortsetzte, als mildernd hingegen, daß es in einem Fall beim Versuch geblieben ist.

In Abwägung dieser Strafzumessungsgründe und unter Berücksichtigung des nur knapp unter der Wertgrenze des § 133 Abs. 2 zweiter Fall StGB liegenden Gesamtbetrags der veruntreuten (bzw zu veruntreuen versuchten) Gelder (§ 32 Abs. 3 StGB) erachtete der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe in der aus dem Spruch ersichtlichen Dauer als tatschuldangemessen, wobei der Umstand, daß es in einem Fall beim Versuch geblieben ist, für das Strafmaß keine besondere Rolle spielen konnte. Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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