OGH 10Os15/82

OGH10Os15/8220.4.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.April 1982 durch den zehnten Senat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich sowie in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Schneider, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter unter Beiziehung des Richteramtsanwärters Dr. Skreinig als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erwin (Walter) A und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1

und Abs. 2 Z. 1, 129 Z. 1 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Erwin (Walter) A und Mario B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9.Oktober 1981, GZ. 5 e Vr 1734/81-84, nach öffentlicher Verhandlung - Vortrag des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Anhörung der Ausführungen der Verteidiger Dr. Gstettner und Dr. Friedreich sowie des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Hauptmann - zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Punkt II A des Schuldspruchs, jedoch nur, soweit er die Scheckkarte und die Versicherungskarte des Mag. Winfried C betrifft, sowie ferner in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (unter Aufrechterhaltung des Ausspruchs über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und im Umfang der Aufhebung nach § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Erwin (Walter) A wird von der wider ihn erhobenen (weiteren) Anklage, er habe von Ende Jänner 1981

bis zum 14.Februar 1981 in Wien auch dadurch Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis von darin verbrieften Rechten, Rechtsverhältnissen oder Tatsachen gebraucht werden, daß er die Scheckkarte und die Versicherungskarte des Mag. Winfried C an sich brachte und verwahrte, und er habe auch insoweit das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.

Für die ihm laut den aufrecht gebliebenen Schuldsprüchen weiterhin zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 129 Z. 1 StGB (Punkt I des Urteilssatzes) sowie die Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB (Punkt II, betreffend noch den Zulassungsschein und die Steuerkarte für den PKW. O 551.816 sowie den Führerschein des Mag. Winfried C) und der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 StGB (Punkt III), wird Erwin (Walter) A nach §§ 28, 129 StGB zu 2 1/2 (zweieinhalb) Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Ansonsten werden die Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten im übrigen und jene des Angeklagten B zur Gänze verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte A auf die Strafneubemessung verwiesen.

Der Berufung des Angeklagten B wird Folge gegeben und die über ihn verhängte Freiheitsstrafe auf 2 1/2 (zweieinhalb) Jahre herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Erwin (Walter) A und Mario B - die im Ersturteil aufscheinende Schreibweise: D ist, wie sich aus einer vom Obersten Gerichtshof eingeholten ex-offo Geburtsurkunde ergibt, nicht zutreffend - des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 129 Z. 1 StGB (Punkt I des Schuldspruchs), A überdies der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB (Punkt II) sowie der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 StGB (Punkt III) und B außerdem des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB (Punkt IV) schuldig erkannt.

Laut Punkt I des Schuldspruchs liegt ihnen zur Last, in der Nacht zum 14.Februar 1981 in Wien in Gesellschaft als Beteiligte dem Robert E eine Kasse mit 4.754,69 S Bargeld durch Einbruch in ein Gebäude mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch die Zueignung dieser Sachen unrechtmäßig zu bereichern. Zu Punkt II wurde A ferner schuldig erkannt, gegen Ende Jänner 1981 in Wien Urkunden des Mag. Winfried C, über die er nicht verfügen durfte, nämlich den Führerschein, ferner den Zulassungsschein und die Steuerkarte für den PKW.

mit dem behördlichen Kennzeichen O 551.816 sowie die Scheckkarte und die Versicherungskarte, an sich gebracht und bis zum 14.Februar 1981 bei sich verwahrt, mithin unterdrückt, und dabei mit dem Vorsatz gehandelt zu haben zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis von darin verbrieften Rechten, Rechtsverhältnissen oder Tatsachen gebraucht würden.

Nur in den zuletzt bezeichneten Schuldsprüchen wird dieses Urteil von beiden Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerde nach Z. 5 und von A überdies nach Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO bekämpft, wobei sich die Mängelrügen gegen jenen wegen Diebstahls (Punkt I) richten und die Rechtsrüge gegen den wegen Urkundenunterdrückung (Punkt II).

Rechtliche Beurteilung

Den Mängelrügen (Z. 5) der beiden Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Der Angeklagte A erblickt eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung im Unterbleiben von Erörterungen darüber, daß er und B nach ihrer Festnahme keine Möglichkeit gehabt hätten, sich zu verabreden, daß sie aber dennoch schon bei ihren ersten Einvernahmen übereinstimmend einen gewissen 'Karl' als Täter bezeichnet haben, wobei sich die Personenbeschreibung, die sie gaben, mit der Täterbeschreibung durch die Zeugin F decke.

Da aber die behauptete Unmöglichkeit einer solchen Verabredung zwischen den Angeklagten in der Zeit von ihrer Festnahme bis zu ihren ersten - im übrigen nur teilweise übereinstimmenden - Abgaben vor der Polizei, selbst wenn sie tatsächlich bestanden haben sollte, die Möglichkeit einer noch vor ihrer Verhaftung erfolgten derartigen Absprache keineswegs ausschließt, betrifft der Einwand jedenfalls keine entscheidende Tatsache, die einer besonderen Erörterung im Urteil bedurft hätte.

Die Mängelrüge dieses Beschwerdeführers vermag daher ebensowenig durchzugreifen wie jene des Angeklagten B, der die Begründung des Ersturteils deshalb als nur offenbar unzureichend rügt, weil die Beschreibung des Täters durch die Zeugin F nach allgemeiner Lebenserfahrung auf viele Menschen mit gleicher Statur und Bekleidung passe, sodaß deren Aussage nicht dazu ausreiche, seine Täterschaft als gewiß anzunehmen. Denn damit erschöpft sich dessen gesamtes Vorbringen, mit dem er alle weiteren maßgebenden, auf andere Beweisergebnisse gestützten Erwägungen des Erstgerichts (S. 442-448/II) übergeht, ausschließlich in einer Erörterung der Beweiskraft eines einzelnen Beweismittels, wobei er mit der Behauptung, es sei dem Grundsatz 'in dubio pro reo' nicht Genüge getan worden, lediglich nach Art einer Schuldberufung darzulegen versucht, daß aus den Verfahrensergebnissen auch andere, für ihn günstigere Schlußfolgerungen hätten gezogen werden können; ein Begründungsmangel im Sinn des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO kann solcherart nicht aufgezeigt werden. Der Nichtigkeitsbeschwerde jenes Beschwerdeführers mußte somit schon mangels einer prozeßordnungsmäßigen Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes ein Erfolg versagt bleiben. Begründet ist hingegen die Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) des Angeklagten A gegen den Schuldspruch wegen Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB insofern, als letzterer die Scheckkarte und die Versicherungskarte des Mag. C betrifft.

Gegenstand einer derartigen Urkundenunterdrückung kann nämlich nur eine auch noch zur Tatzeit für den Errichtungszweck (§ 74 Z. 7 StGB) verwendbare Urkunde sein (vgl. EvBl. 1981/107). Die in Rede stehende (unter Postzahl 6 des Standblatts ON. 25 im Akt erliegende) Scheckkarte ist aber nur für das Jahr 1980 ausgestellt worden und hatte daher mit Ablauf dieses Jahres bereits ihre Gültigkeit verloren. Zur Zeit der inkriminierten Tathandlungen des Beschwerdeführers (ab Ende Jänner 1981) vermochte daher diese Urkunde dem Berechtigten (Mag. C) nicht mehr zum rechtmäßigen Nachweis einer noch aufrechten Garantiezusage der kontoführenden Bank zu dienen, sodaß ihr bestimmungsgemäßer Gebrauch und dementsprechend auch dessen Verhinderung schon objektiv gar nicht mehr möglich gewesen wäre.

Dem Inhalt der (unter Postzahl 8 des Standblatts ON. 25 ebenfalls im Akt befindlichen) Versicherungskarte hinwieder ist zu entnehmen, daß es sich dabei - wie in der Beschwerde zutreffend dargelegt wird - gar nicht um eine Absichtsurkunde im Sinn des § 74 Z. 7 StGB handelt, also nicht um eine Schrift, die errichtet worden ist, um ein Recht oder Rechtsverhältnis zu begründen, abzuändern oder aufzuheben oder eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen, sondern lediglich um ein bereits weitgehend ausgefülltes Informationsformular zur Erleichterung des Abwicklungsvorgangs nach Verkehrsunfällen. Ein Schriftstück dieser Art kann daher insbesondere weder als Identitätsnachweis gemäß § 4 Abs. 5 StVO. (ZVR. 1982/6) noch als Bescheinigung einer aufrechten Haftpflichtversicherung Verwendung finden.

Die Unterdrückung der Scheckkarte mit bereits abgelaufener Gültigkeitsdauer und der Versicherungskarte erweist sich daher als nicht tatbildlich im Sinn des § 229 Abs. 1 StGB, sodaß insoweit der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A Folge zu geben und wie im Spruch zu erkennen war.

Unberechtigt ist hingegen der weitere Einwand (Z. 9 lit. a) dieses Beschwerdeführers, auch in Ansehung der übrigen Urkunden des Mag. C, nämlich des Führerscheins sowie des Zulassungsscheins und der Steuerkarte für den PKW. mit dem behördlichen Kennzeichen O 551.816, habe er den Tatbestand des § 229 Abs. 1 StGB deshalb nicht erfüllt, weil der Berechtigte nicht erst durch sein (des Angeklagten) Tatverhalten am Gebrauch sämtlicher Urkunden gehindert worden sei, sondern bereits durch deren früheres, ohne sein Zutun erfolgtes Abhandenkommen.

Unter das Tatbild des Unterdrückens einer Urkunde fällt nämlich jede Handlung, welche die Urkunde zwar unversehrt erhält, den Berechtigten jedoch - sei es auch bloß weiterhin (vgl. 11 Os 99/81 u. a.) - um die Möglichkeit bringt, sich ihrer zu bedienen (SSt. 47/28).

Nicht zielführend ist ferner das weitere Beschwerdevorbringen (Z. 9 lit. a), der Berechtigte sei durch die Tat nicht gehindert worden, seine urkundlich verbrieften Rechte aus dem Führerschein auszuüben; denn § 229 Abs. 1

StGB stellt nicht die Vereitelung der Ausübung eines Rechts, sondern die Verhinderung des Gebrauchs einer (allenfalls überhaupt nur zum Beweis einer Tatsache dienenden) Urkunde unter Strafsanktion, sodaß die Möglichkeit der Ausstellung eines Führerschein-Duplikats (oder einer Bestätigung über die Verlustmeldung) an der Erfüllung der objektiven Tatseite der Urkundenunterdrückung nichts zu ändern vermag.

Nicht gesetzmäßig ausgeführt schließlich ist die Rechtsrüge mit der Behauptung, der Beschwerdeführer habe nicht mit dem Vorsatz gehandelt, den Berechtigten am Gebrauch der Urkunden zu hindern; hat doch das Schöffengericht (auch) diesen Vorsatz - im Hinblick darauf, daß bloßes Begleitwissen genügt, bei lebensnaher Betrachtung durchaus mängelfrei (vgl. EvBl. 1981/106, ZVR. 1980/243 u. a.) - ausdrücklich als erwiesen angenommen (S. 434) und damit die (auch insoweit erforderlichen - vgl. EvBl. 1981/80) Feststellungen zur subjektiven Tatseite ohnedies getroffen. In diesem Umfang gleichwie in Ansehung der Mängelrüge war daher auch die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A zu verwerfen. Mit ihren Berufungen streben beide Angeklagten eine Strafherabsetzung an.

Das Erstgericht verurteilte sie nach §§ 28, 129 StGB zu je drei Jahren Freiheitsstrafe. Dabei wertete es die Deliktshäufung und ihre zahlreichen, den Voraussetzungen des § 39 StGB entsprechenden einschlägigen Vorstrafen sowie den raschen Rückfall als erschwerend, hingegen ihr Teilgeständnis, ferner den Umstand, daß bei A die Täuschung und bei B der Widerstand gegen die Staatsgewalt beim Versuch geblieben sind, sowie bei letzterem außerdem sein Alter unter 21 Jahren, als mildernd.

Sowohl bei der in Ansehung des Angeklagten A (durch den teilweisen Erfolg seiner Nichtigkeitsbeschwerde, der unter anderem zur Aufhebung des ihn betreffenden Strafausspruchs führte) erforderlich gewordenen Strafneubemessung als auch in Erledigung der Berufung des Angeklagten B war im wesentlichen von diesen zutreffend angenommenen Strafzumessungsgründen auszugehen, die auch von den Berufungswerbern gar nicht in Frage gestellt werden und bloß um den Milderungsumstand einer durch das Zustandebringen der Diebsbeute (S. 57, 176) bewirkten teilweisen objektiven Schadensgutmachung sowie um den Erschwerungsgrund der mehrfachen Diebstahlsqualifikation zu ergänzen waren.

Darnach erschien für beide Angeklagten - wobei die etwas stärkere Belastung des A vom Vorleben her und die Jugend des B (einerseits) durch dessen führende Rolle beim (strafsatzbestimmenden) Einbruchsdiebstahl (anderseits) ausgeglichen werden - die Verhängung einer (im Hinblick auf den doch eher geringen Wert der Diebsbeute und den nicht allzu gravierenden Unrechtsgehalt der übrigen Delikte etwas reduzierten) Freiheitsstrafe in der Dauer von je zweieinhalb Jahren als nach ihrer tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) angemessen.

Dementsprechend war die Strafe bei A, der mit seiner Berufung darauf zu verweisen war, in dieser Höhe zu bemessen und bei B in Stattgebung seiner Berufung auf dieses Maß herabzusetzen.

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