OGH 12Os16/82

OGH12Os16/8225.3.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. März 1982

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Nemec als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christa A wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 und 15 StGB über die gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Jugendschöffengericht vom 9. November 1981, GZ 9 Vr 809/81-18, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Mutter der Angeklagten als gesetzlicher Vertreter nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schischka und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Bassler, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die Berufung der Anna A als gesetzlicher Vertreter wird zurückgewiesen, der Berufung der Angeklagten nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 22. Juni 1966 geborene Christa A des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1

und Abs. 2 Z 1 und 15 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 11 Z 1 JGG nach dem § 127 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Wochen verurteilt. Gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB wurde die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen fuhr die Angeklagte am 23. Februar 1981 mit der strafunmündigen Claudia B von Wiener Neustadt nach Wien. Während der Eisenbahnfahrt erörterten sie die Möglichkeit, in Wien Ladendiebstähle zu begehen. 'In Verwirklichung dieses nur allgemein gefaßten Tatentschlusses' stahlen sie in der Folge gemeinsam im Kaufhaus C in der Kärntnerstraße eine Schallplatte im Werte von S 49,--. Nach zwei weiteren (nur von der strafunmündigen Claudia B verübten) Diebstählen in verschiedenen Kaufhäusern der Mariahilferstraße versuchten die Genannten sodann im D-Markt einen Kugelschreiber, zwei Fläschchen Nagellack und ein Lipp-Gloss im Gesamtwert von S 128,40 zu stehlen, wurden jedoch dabei vom Kaufhausdetektiv betreten.

Dieses Urteil bekämpft die Angeklagte Christa A mit einer auf die Z 5, 9 lit. b und 10 des § 281 Abs. 1

StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Gegen den Strafausspruch wendet sie sich mit Berufung.

In Ausführung des ersterwähnten Nichtigkeitsgrundes behauptet die Angeklagte, das Erstgericht gehe davon aus, daß sie mit Claudia B in der Absicht nach Wien gefahren sei, dort Ladendiebstähle zu verüben. Diese Urteilsannahme finde jedoch im Beweisverfahren keine Deckung, weil nach den Feststellungen die Möglichkeit, Ladendiebstähle zu begehen, erst 'im Zuge' besprochen worden sei, woraus der Schluß 'auf eine Reise mit Diebstahlsvorsatz' nicht gezogen werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist entgegenzuhalten, daß das Erstgericht keine Reise zum Zwecke der Verübung von Ladendiebstählen angenommen hat, sondern ohnedies konform mit dem Beschwerdevorbringen davon ausgeht, daß während der Bahnfahrt der Gedanke, in Wien Ladendiebstähle zu verüben, auftauchte und erörtert wurde (S 86 d.A). Die Beschwerdeausführungen wenden sich sohin gegen eine Feststellung, die das Erstgericht nicht getroffen hat, und gehen daher ins Leere. Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO erblickt die Angeklagte in der Nichtanwendung des § 42 StGB Zutreffend hat demgegenüber das Erstgericht aber wegen der planmäßigen und überlegten Begehung der Taten und der sich aus der (systematischen) Tatwiederholung ergebenden erheblichen Intensität des deliktischen Verhaltens schon das Vorliegen geringer Schuld (§ 42 Abs. 1 Z 1 StGB) verneint. Da es nur dann an der Strafwürdigkeit der Tat mangelt, wenn alle im § 42 Abs. 1 StGB normierten Voraussetzungen erfüllt sind, es im vorliegenden Fall aber bereits am primären Erfordernis geringer Täterschuld fehlt, worunter Zurückbleiben des tatbildmäßigen Verhaltens der Angeklagten hinter dem in der zitierten Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zu verstehen ist, bedarf es keiner weiteren Erörterung der im Urteil zusätzlich angestellten spezial- und generalpräventiven Erwägungen für die Bestrafung des Täters (§ 42 Abs. 1 Z 3 StGB). Unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit. c (sachlich gleichfalls lit. b) StPO behauptet die Angeklagte, ihr zur Befriedigung eines Gelüstes gesetztes Tatverhalten sei rechtsrichtig als Entwendung zu beurteilen, was - mangels Vorliegens einer Ermächtigung -

zu ihrem Freispruch hätte führen müssen.

Abgesehen davon, daß die Angeklagte das Vorliegen der Ermächtigung zur Strafverfolgung der Firma D Drogerie-Markt (S 11 d.A; betreffend das Faktum 2) des Schuldspruchs) übersieht, konnte das Erstgericht aus der Beschaffenheit der Gegenstände ein im Tatzeitpunkt gegenwärtiges Bedürfnis der Angeklagten, das sie sofort oder doch zumindest alsbald befriedigen wollte, als Motiv der Tathandlungen zutreffend ausschließen (vgl EvBl 1980/106; Kienapfel, BT II, RN 39 ff zu § 141 StGB). Dazu kommt, daß ein Handeln zur Befriedigung eines Gelüstes immer dann ausscheidet, wenn der Täter - wie im gegenständlichen Fall in Ansehung des Nagellackes - mehrere Einheiten einer Ware mitnimmt, um sich für eine längere Zeit zu versorgen (EvBl 1976/121, 1978/169). Der Annahme eines Handelns zur Befriedigung eines Gelüstes steht überdies auch die Verantwortung der Angeklagten Christa A entgegen, wonach sie den Nagellack (wegen dessen schwerer Entfernbarkeit) nicht wollte, das Lipp-Gloss als Geschenk für eine Freundin vorgesehen hatte (S 17 d.A) und hinsichtlich der Schallplatte ein eigenes gegenwärtiges Bedürfnis verneint hat (S 78 d.A).

Da sohin auch die Rechtsrügen versagen, war die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Jugendschöffengericht verurteilte die Angeklagte nach § 127 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 11 Abs. 1

JGG zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Wochen und nahm bei der Strafzumessung als erschwerend die Tatwiederholung, als mildernd hingegen das offene Geständnis, den bisher ordentlichen Lebenswandel, die unzureichende Erziehung und die Schadensgutmachung sowie den Umstand an, daß es in einem Fall beim Versuch geblieben ist.

Gegen den Strafausspruch haben die Mutter der Angeklagten als gesetzlicher Vertreter und die Angeklagte selbst Berufung erhoben. Da der gesetzliche Vertreter weder bei der Anmeldung, noch in einer (schriftlichen) Ausführung der Berufung die Punkte des Erkenntnisses, durch welche sie sich beschwert erachtet, deutlich und bestimmt bezeichnet hat, war auf diese keine Rücksicht zu nehmen (§§ 294 Abs. 2, 296 Abs. 2 StPO).

Die Berufung der Angeklagten, welche allein unter Hinweis auf den geringen Wert der gestohlenen Gegenstände und die Begehung der Tat kurz nach Erreichen der Strafmündigkeit Herabsetzung der Strafe begehrt, ist nicht begründet.

Der Schuld- und Unrechtsgehalt der Straftat, welcher durch beabsichtigte Kleindiebstähle unbestimmten Ausmaßes geprägt wird, ist keineswegs so gering, um eine Bagatellstrafe zu rechtfertigen. Vielmehr entspricht die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe der Dauer nach durchaus dem Unwert der Straftat und ist auch geeignet, die Angeklagte von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, selbst wenn man die von der Berufung ins Treffen geführten Gründe auch noch berücksichtigen wollte.

Es war daher wie im Spruche zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO

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