OGH 11Os13/82

OGH11Os13/8224.3.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. März 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Payrhuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef A uea wegen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB über die vom Angeklagten Josef A erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft (betreffend den Angeklagten Erwin B) gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Eisenstadt vom 30. September 1981, GZ 11 Vr 985/80-80, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der auch die Berufungsschrift der Staatsanwaltschaft verlas, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Breuer und Dr. Eichenseder und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Tschulik zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef A wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten Josef A wird nicht Folge gegeben. Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird dahin Folge gegeben, daß die vom Erstgericht über Erwin B verhängte Freiheitsstrafe auf 6 (sechs) Jahre erhöht wird.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen der am 19. März 1959 geborene Hilfsmonteur Josef A des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB und der am 10. September 1959 geborene technische Zeichner Erwin Matthias B des Verbrechens des Mordes als Beteiligter nach den § 12 (dritter Fall), 75 StGB schuldig erkannt. Nach dem Inhalt dieser Schuldsprüche tötete Josef A am 3. September 1980 in Draßburg-Baumgarten vorsätzlich den Heinz C durch zahlreiche gezielte Schüsse aus einem Kleinkalibergewehr gegen Kopf und Körper (Punkt 1 des Urteilsspruches), während Ernst B zu dieser Tat dadurch beitrug, daß er mit Josef A schon einige Zeit vorher vereinbarte, ihn mit seinem PKW zum geplanten Tatort zu bringen und im Anschluß an den Mord die Leiche und das Kleinmotorrad des Heinz C mit diesem PKW wegzuschaffen und in einer Grube im Wald zu verscharren, am 18. August 1980 gemeinsam mit Josef A in der Nähe des ehemaligen Paulaner-Klosters bei Baumgarten im Wald eine bis 90 cm tiefe Grube zum Verstecken der Leiche grub, zu wiederholten Malen Zielschießübungen durchführte, einen genauen Mordplan für den 29. August 1980 ausheckte und nach Vollbringung der Tat dem Josef A vereinbarungsgemäß half, die Leiche des Ermordeten im Proberaum der Musikgruppe 'D' zu vergraben, ihn beim Beseitigen der übrigen Spuren unterstützte und das Kleinmotorrad des Heinz C sowie dessen Umhängetasche samt Inhalt zur Mülldeponie bei Trausdorf brachte und dort versteckte (Punkt 2 des Urteilsspruches).

Die Geschwornen hatten die bezüglichen im Sinn der Anklage gestellten Hauptfragen 1 (mit 6 : 2 Stimmen) und 2 (stimmeneinhellig) bejaht und die beiden Zusatzfragen 4 und 5 in Richtung einer Tatbegehung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit (jeweils stimmeneinhellig) verneint. Zufolge der Bejahung der Hauptfrage 1 unterblieb eine Beantwortung der Eventualfrage 3 wegen Totschlags.

Während der Schuldspruch des Angeklagten B in Rechtskraft erwuchs, bekämpft der Angeklagte A das Urteil mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund rügt er zunächst, daß eine Eventualfrage für den Mitangeklagten B wegen des § 299 Abs 1 StGB nicht gestellt worden sei, obwohl eine solche Fragestellung im Hinblick auf die Verantwortung des Angeklagten B in der Hauptverhandlung, aus der ein kausaler Beitrag zur tatsächlichen Tatausführung und eine Unterstützungszusage vor der Tat nicht abgeleitet werden könne, geboten gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerdeführer übersieht jedoch, daß Rechtsmittel immer eine Beeinträchtigung der Rechte desjenigen voraussetzen, zu dessen Gunsten sie erhoben werden. Demnach kann er sich grundsätzlich nicht dadurch beschwert erachten, daß der Mitangeklagte B wegen Beteiligung am Mord und nicht bloß wegen Begünstigung nach dem § 299 Abs 1 StGB schuldig erkannt wurde. Er ist daher auch nicht legitimiert, das Fehlen einer Fragestellung in dieser Richtung unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Vorschriften der § 312 bis 317 StPO aufzugreifen. Ein derartiger Mangel der den Mitangeklagten B betreffenden Fragestellung hätte zudem die Geschwornen - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt - bei der Beurteilung der Frage, ob der Angeklagte A Mord oder wegen des Vorliegens einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tatzeit nur Totschlag zu verantworten hat, in keiner Weise beirren können, zumal es - namentlich dann, wenn der im Affekt handelnde Täter die Tat zwar schon vor dem Affekt erwog, zur Ausführung aber noch nicht fest entschlossen war und den Tatentschluß selbst erst in der heftigen Gemütsbewegung faßte oder wenn die Tat im Zustand eines längere Zeit andauernden tiefgreifenden Affektes begangen wird - ohne weiters denkbar ist, daß jemand, der einen anderen, bei dem die Voraussetzungen des § 76 StGB vorliegen, zur Tat bestimmt oder ihn bei der Tatausführung unterstützt, selbst (weil § 76 StGB ausschließlich die Schuld einer vorsätzlichen Tötung betrifft, worauf in der Rechtsbelehrung, S 9, ausdrücklich hingewiesen wurde) für Beteiligung an einem Mord haftet (vgl auch Moos, Strafrechtliche Probleme der Gegenwart IV, 70 ff).

Den Beschwerdeausführungen zuwider trägt die Formulierung sowohl der den Beschwerdeführer nicht betreffenden Hauptfrage 2 als auch der Eventualfrage 3 den Erfordernissen einer hinreichenden Individualisierung der Tat nach Ort, Zeit und Gegenstand voll Rechnung. Eine erschöpfende Beschreibung der Tat durch Anführung sämtlicher Umstände des Einzelfalles, in denen die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung gefunden werden sollen (Spezialisierung), bedarf es nicht. Der Schwurgerichtshof war demnach auch nicht verpflichtet, den genauen Inhalt des besprochenen Tatplanes und jene Tatmerkmale, durch welche der - im übrigen auch bei Abweichungen der Tatausführung von der konkreten Vorstellung eines Beteiligten über die näheren Modalitäten bejahende (vgl ÖJZ-LSK 1981/2 = EvBl 1981/132; 13 Os 105/81) - ursächliche Zusammenhang zwischen dem Tatbeitrag des Angeklagten B und der Tatausführung durch den Beschwerdeführer hergestellt wird, in die Hauptfrage 2 und den vollständigen Inhalt der behaupteten öußerungen des Heinz C, die laut Vorbringen des Beschwerdeführers von ihm als Provokation empfunden worden und letztlich für seinen Tatentschluß bestimmend gewesen sein sollen, in die Eventualfrage 3 aufzunehmen. Bei der letztgenannten Fragestellung ging der Schwurgerichtshof, indem er konkrete Umstände, die seiner Ansicht nach eine Tatbegehung in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung annehmen ließen, anführte, sogar über seine gesetzliche Verpflichtung zu einer Individualisierung zur deutlichen Bezeichnung der Tat hinaus. Ein Verstoß gegen die in den § 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften liegt sohin nicht vor.

Gleichfalls zu Unrecht erachtet der Beschwerdeführer das Urteil auch aus dem Grund der Z 8 des § 281 Abs 1 StPO für nichtig. Seinem Vorbringen, wonach die den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung deshalb unrichtig sei, weil darnach sowohl Rachegelüste gegen einen Nebenbuhler oder vorangegangene Mißhandlungen als auch ein vorausgefaßter Tatentschluß die Anwendung des § 76 StGB ausschlössen, ist folgendes entgegenzuhalten:

Richtig ist, daß Mißhandlungen des Täters durch das Opfer als auslösendes Motiv einer vorsätzlichen Tötung unter dem Gesichtspunkt einer Privilegierung gemäß dem § 76 StGB von Bedeutung sein können. Eine solche Tatgestaltung war aber hier gar nicht indiziert. Daß Beleidigungen und Verhöhnungen des Täters durch das Opfer vor der Tat taugliche und beachtliche Ursachen einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zu bilden vermögen, wurde in der schriftlichen Rechtsbelehrung unmißverständlich hervorgehoben. Im übrigen wird darin generell dargelegt, daß als allgemein begreiflich eine Gemütsbewegung dann zu werten ist, wenn das Verhältnis zwischen dem sie herbeiführenden Anlaß und dem Eintritt des psychischen Ausnahmezustandes, in dem sich der Täter zur Tat hinreißen läßt, allgemein verständlich ist, dh ein Durchschnittmensch - als objektiver Maßstab - sich vorstellen kann, auch er wäre unter den gegebenen Umständen des Einzelfalles in eine solche Gemütsverfassung geraten (vgl S 7 und 8 der Rechtsbelehrung in Band III, ON 79 d.A). Die Rechtsbelehrung, in ihrer Gesamtheit betrachtet, konnte daher den Geschwornen nicht zu der Mißdeutung Anlaß geben, kränkende und provozierende öußerungen des Mordopfers gegenüber dem Täter könnten keinesfalls als sittlich verständliche Ursache einer heftigen Gemütsbewegung in Betracht kommen.

Zutreffend ist ferner die Ansicht des Schwurgerichtshofes, daß Rachsucht als nach allgemeiner sittlicher Wertung niedriger Beweggrund einen Affekt, in dem sich jemand zur Tötung eines anderen hinreißen läßt, nicht allgemein begreiflich macht (vgl 11 Os 128/77; Moos aaO, 64 f). Damit wird aber nicht ausgeschlossen, daß auch eine Gemütsbewegung, in welcher der Täter einen 'Nebenbuhler' beseitigt, nach den besonderen näheren Begleitumständen in Relation zu dem sie herbeiführenden Anlaß allgemein verständlich sein kann, wie dies in der Rechtsbelehrung ohnedies - konform mit der einschlägigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - in allgemeiner Form (ohne dabei auf alle denkbaren Varianten eingehen zu können) hinreichend zum Ausdruck gebracht wurde; daß bei vorsätzlicher Tötung eines 'Nebenbuhlers' eine Privilegierung gemäß dem § 76 StGB niemals in Frage käme, konnten die Geschwornen daher aus dieser Belehrung nicht ableiten.

Keinen Mangel der Rechtsbelehrung stellt es schließlich dar, wenn darin auch der möglichen Fallkonstellation Rechnung getragen wird, daß der im Affekt handelnde Täter die Ausführung der Tat bereits vorher erwog, und dazu ausgeführt wird, es sei jeweils zu prüfen, ob diese Erwägungen bereits zu einem festen Entschluß geführt haben und die Tat nur noch dessen Ausführung darstellt - was (ohne daß dies eines ausdrücklichen Hinweises bedurfte) insbesondere auf den vom Beschwerdeführer ins Auge gefaßten Fall zuträfe, daß der Täter seinen Tatplan zunächst fallenläßt und in der Folge auf Grund anders gearteter Begleitumstände erneuert - oder ob der Täter bloß mit dem Gedanken an eine solche Tat spielte, der Tatentschluß als solcher aber erst in der heftigen Gemütsbewegung entstand. Diese (aus Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, RN 9 zu § 76 übernommene) Formulierung läßt - auch für einen juristischen Laien erkennbar - nicht die Auslegung zu, daß ein einmal gefaßter, hernach aber wieder aufgegebener Mordvorsatz einer Anwendbarkeit des § 76 StGB auf ein zeitlich späteres Tatgeschehen, das sich nicht mehr als Ausführung des ursprünglichen Tatentschlusses darstellt, sondern auf einem in einem psychischen Ausnahmezustand gefaßten neuen Tatentschluß beruht, entgegenstünde.

Daß die Geschwornen von einer solchen irrigen Ansicht über ein Handeln im Zustand einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung ausgegangen wären, kann weder aus dem nicht stimmeneinhelligen Abstimmungsergebnis bei der Beantwortung der Hauptfrage 1 geschlossen noch durch den Hinweis auf bestimmte (nach Ansicht des Beschwerdeführers auf das Vorliegen der Merkmale eines Toschlages hindeutende) Beweisergebnisse, deren Würdigung ausschließlich Sache der Geschwornen war, untermauert werden. Die Rechtsbelehrung zur Eventualfrage 3 war sonach in keiner Hinsicht geeignet, die Geschwornen bei ihrem Wahrspruch über die gesetzlichen Merkmale eines Totschlages nach dem § 76 StGB irrezuleiten. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte nach dem § 75 StGB über den Angeklagten Josef A eine lebenslange Freiheitsstrafe, über den Angeklagten Erwin B unter Anwendung des § 41 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend bei Josef A die Verführung des Erwin B, die umfangreichen Vorbereitungshandlungen, die heimtückische und grausame Begehungsart des Mordes und die Kaltblütigkeit nach Vollendung der Tat, bei Erwin B nichts. Als mildernd wurde bei beiden Angeklagten der bisher ordentliche Lebenswandel, bei Erich B überdies das Alter unter 21 Jahren im Tatzeitpunkt, der Umstand, daß er die Tat unter der Einwirkung des Josef A verübte, die nur untergeordnete Beteiligung an der Tat, das anfängliche Bemühen, Josef A vom Tatentschluß abzubringen und das reumütige Geständnis berücksichtigt. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte Josef A den Ausspruch einer zeitlich bestimmten Freiheitsstrafe unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach dem § 41 Abs 1 Z 1 StGB an. Die Staatsanwaltschaft begehrt mit ihrer Berufung eine Erhöhung der über den Angeklagten Erwin B verhängten Strafe.

Nur die Berufung der Staatsanwaltschaft ist berechtigt. Zwar kommt dem Angeklagten Josef A als mildernd auch noch das im Vorverfahren abgelegte Geständnis zustatten. Einer weiteren Korrektur bedürfen jedoch die erwähnten Strafzumessungsgründe nicht. So ist bei dem von den Geschwornen für wahr befundenen Sachverhalt das Vorgehen des Angeklagten A durchaus als heimtückisch zu bezeichnen, weil der Angriff für das Opfer völlig überraschend kam und es sich in keiner Weise dagegen zur Wehr setzen konnte. Die Tat wurde in ihren wesentlichen Phasen genau vorausgeplant und der Mordvorsatz mit großer Hartnäckigkeit aufrechterhalten. Auch ging der Angeklagte bei der Spurenbeseitigung sehr umsichtig und sorgfältig vor, was jedenfalls auf außerordentliche Kaltblütigkeit schließen läßt. Zudem ist die Tat von einer solchen Schwere (der Angeklagte feuerte auf sein ahnungsloses Opfer, teils aus kürzester Distanz, fünfzehn bis sechszehn gezielte Schüsse gegen Kopf und Herz), daß unter den sonstigen für die Strafbemessung bedeutsamen Umständen der geschwornengerichtliche Strafausspruch tat- und schuldadäquat erscheint.

Der Berufung des Angeklagten Josef A mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Dagegen ist der Staatsanwaltschaft beizupflichten, daß Art und Umfang des vom Angeklagten B geleisteten Tatbeitrages, mögen insoweit die Strafzumessungsgründe auch im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt worden sein, eine so weitgehende Anwendung des § 41 StGB nicht zu rechtfertigen vermögen. Schon deshalb war eine maßvolle Erhöhung der über diesen Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe geboten.

Mithin war insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

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