OGH 9Os28/82

OGH9Os28/8223.3.1982

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Kliment als Schriftführer in der Strafsache gegen Erwin A wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. September 1981, GZ 3 e Vr 4326/81-30, den Beschluß gefaßt und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt 3 des Urteilssatzes und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich dem Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch den erfolglosen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 26. November 1927 geborene Werkzeugmacher Erwin A des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Ihm liegt - nach dem Spruch des erstgerichtlichen Urteils - zur Last, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachgenannte Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet und sie solcherart am Vermögen geschädigt zu haben, und zwar 1.) am 10. Jänner 1981 in Korneuburg Rosa B durch die Vorspiegelung ein zahlungswilliger und zahlungsfähiger Darlehensschuldner zu sein, zur Ausfolgung von 5.000

S (Schaden in dieser Höhe);

2.) vom 13. bis 17. April 1981 in Wien Angestellte des Hotels 'X' durch die Vorspiegelung, ein zahlungswilliger und zahlungsfähiger Gast zu sein, zur Gewährung von Kost und Quartier (Schaden 2.515,-- S);

3.) am 14. August 1980 in Wien Angestellte der Firma Hubert O. C durch die Vorspiegelung, ein Firmenquartier beziehen zu können (richtig: zu wollen), indem er für Sanierungsarbeiten 1.000 S herauslockte (Schaden in dieser Höhe).

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5, 9 lit. a und b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; gegen den Strafausspruch wendet er sich mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt (nur) teilweise Berechtigung zu. Zum Urteilsfaktum 1 stellte das Erstgericht fest, daß der Angeklagte Anfang Jänner 1981 die ihm seit Dezember 1980 bekannte Zeugin B mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern und die Zeugin an ihrem Vermögen zu schädigen, um ein Darlehen in der Höhe von 5.000 S mit dem Versprechen bat, innerhalb eines Monats 8.000 S zurückzuzahlen, daraufhin am 10. Jänner 1981 von ihr tatsächlich 5.000 S als Darlehen erhielt und dabei einen (am 10.Februar 1981 fälligen) Wechsel über 8.000 S ausstellte, zur vereinbarten Zeit nicht zurückzahlte, am 13. Februar 1981 zur Hintanhaltung einer gerichtlichen Geltendmachung der Schuld telefonisch versprach, noch am selben Tag zu zahlen, dies aber auch nicht tat; am 26. Juni 1981 erwirkte die Zeugin B ein Versäumungsurteil gegen den Angeklagten. Die auch gegenüber der Zeugin B aufgestellte Behauptung, das Darlehen zur Weiterentwicklung eines vom Angeklagten konstruierten, kurz vor der Patentreife stehenden Wassersportgerätes zu benötigen, welches Patent in Kürze finanzielle Erträgnisse bringen werde, stellte - nach den weiteren Konstatierungen des Erstgerichtes (S 149 d. A) - eine bereits wiederholt zur widerrechtlichen Vermögensschädigung anderer Personen angewendete Vorgangsweise des Angeklagten dar.

Unter Anrufung der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO rügt der Beschwerdeführer die Abweisung seines in der Hauptverhandlung - ersichtlich zum Urteilsfaktum 1 - gestellten Antrages auf Einvernahme des Helmut D als Zeugen, der bekunden sollte, daß er mit dem Angeklagten 1977 oder 1978

an der Entwicklung eines Wassersportgerätes gearbeitet habe und sich ein Modell in Verwahrung des Helmut D befinde, sowie auf Einholung des Gutachtens eines Patentanwaltes (gemeint: eines Sachverständigen aus dem Gebiet des Patentwesens) darüber, daß dieses Gerät Patentreife erlangt habe und zu den Tatzeiten ausreichende Einnahmen aus der Verwertung dieses Patentes zu erwarten waren. Diese Anträge wurden im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Essentiell war im Urteilsfaktum 1 schon nach dem in diesem Zusammenhang ausgestellten und vom Angeklagten als Akzeptanten unterschriebenen Wechsel die Darlehensrückzahlung innerhalb der vereinbarten Frist (SSt 37/54 ua), nämlich am 10. Februar 1981, wie dies vom Erstgericht festgestellt wurde (S 145 d.A in Verbindung mit S 9 und 13 in ON 8 sowie S 129 d.A). An der Unvermögenheit des Angeklagten, zu diesem Zeitpunkt das Darlehen zurückzuzahlen, könnte auch eine 'Patentreife' des vom Angeklagten nach seiner Behauptung entwickelten Wassersportgerätes überhaupt nichts ändern. Zutreffend verwies das Erstgericht im Urteil - insofern den allein auf die Patentreife abstellenden in der Hauptverhandlung verkündeten, die Beweisanträge abweisenden Beschluß ergänzend - den kommerziellen Erfahrungen entsprechend darauf, daß die finanzielle Verwertung eines Patents erhebliche Zeit (vom Erstgericht mit etwa einem Jahr geschätzt) in Anspruch nimmt. Allein auf den aus einer Patentverwertung möglichen tatsächlichen Mittelzufluß für den Angeklagten zum Zeitpunkt der vereinbarten Darlehensrückzahlung kam es an. Unerheblich bleibt dagegen der für einen Mittelzufluß aus dem Patent bloß theoretische Zeitpunkt der frühestmöglichen Verwertbarkeit, auf den die Beschwerde abstellt oder der noch davorliegende Zeitpunkt der 'Patentreife' eines unbestrittenermaßen noch gar nicht zur Patentanmeldung gelangten Projekts, auf welchen Zeitpunkt der Beweisantrag abstellt.

Die Nichtigkeit nach der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO geltend machenden Ausführungen der Beschwerde zum Urteilsfaktum 1 gehen ins Leere, soweit sie auf die Zahlungsunfähigkeit des Beschwerdeführers bei der Kreditaufnahme abstellen, worüber nach den Beschwerdebehauptungen die Zeugin B nicht getäuscht worden sei.

Entscheidungswesentlich ist nämlich allein die Vortäuschung des Rückzahlungswillens und der Zahlungsfähigkeit zum vereinbarten Rückzahlungstermin.

Daß der Angeklagte für diesen Termin keineswegs noch mit Eingängen aus einer Patentverwertung rechnete, konnte das Erstgericht in denkmöglicher Begründung aus der Erfahrung ableiten, daß noch nicht bekannte Wirtschaftsgüter oder Pläne hierüber erst eine erhebliche Anlaufzeit für die kommerzielle Verwertung benötigen. Das Erstgericht setzte sich - entgegen den Beschwerdebehauptungen - auch mit der Verantwortung des Angeklagten, er habe geglaubt, in naher Zukunft zahlungsfähig zu sein, auseinander und lehnte sie in seiner Beweiswürdigung als unzutreffend ab (S 150 d.A).

Die Rechtsrüge des Angeklagten zum Urteilsfaktum 1, die Nichtigkeit im Sinn der Z 9 lit. a und b des § 281 Abs. 1 StPO geltend macht, stellt einerseits allein darauf ab, Rosa B sei weder über das Versprechen 8.000 S zurückzuzahlen noch über die Ausstellung eines Wechsels getäuscht worden, anderseits behauptet sie einen Irrtum des Angeklagten über patentrechtliche Belange und die wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeiten eines Patentes sowie die irrtümliche Annahme des Beschwerdeführers alsbald zahlungsfähig zu sein.

Alle diese Ausführungen übergehen die Urteilsannahmen, daß der Angeklagte die Zeugin B über seinen Zahlungswillen und seine Zahlungsfähigkeit zum Zeitpunkt des vereinbarten Rückzahlungstermins täuschte oder setzen an Stelle dieser Annahmen Behauptungen aus der vom Erstgericht abgelehnten Verantwortung des Angeklagten. Sie führen damit die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht gesetzmäßig aus.

Zum Urteilsfaktum 2 stellt das Erstgericht fest, daß der Angeklagte, der keine ständige Unterkunft hatte und am 13. April 1981 nicht mehr an seinem Arbeitsplatz bei der Fa. E erschienen war und über kein Bargeld mehr verfügte, sich an diesem Tag im Hotel 'X' einmietete, wo er von einem früheren ordnungsgemäß verlaufenen Aufenthalt her bekannt war, und dort seine Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit vortäuschend bis 17. April 1981

Quartier und Kost erhielt. Der Behauptung des Angeklagten, er habe noch Geld von seinem Dienstgeber E aus geleisteten überstunden erwartet, folgte das Erstgericht nicht, hielt vielmehr, ersichtlich den Aussagen der Zeugen Karl E, Irmgard E (deren Aussagen wurden - allerdings in anderem Zusammenhang - als 'überzeugend' gewertet), Friedrich F und Josef G folgend, für erwiesen, daß der Angeklagte nach der mit ihm geschlossenen Vereinbarung lediglich einen 50-%igen Zuschlag für geleistete überstunden erhalten sollte und erhielt und nicht einen solchen von 100 % (woraus der Angeklagte die Behauptung eines Lohnguthabens abgeleitet hatte).

Die Beschwerdebehauptung zu diesem Urteilsfaktum, in der unter Anrufung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO vorgebracht wird, das Erstgericht habe keine Feststellung über einen noch unberichtigten Lohnanspruch getroffen, ist demnach unzutreffend. Das Erstgericht stellt vielmehr fest, daß der Angeklagte bei der Fa. E die Ermächtigung erteilt hatte, in Anrechnung auf seinen Lohnanspruch einen Betrag von 1.000 S an eine frühere Quartiergeberin zu überweisen, unter Berücksichtigung dieses Umstandes und der gewährten Vorauszahlungen von insgesamt 12.937,90 S der Lohnanspruch in der Gesamthöhe von 13.870,32 S zur Gänze erschöpft war, der Berechnung der überstunden ein mit dem Angeklagten vereinbarter 50- %iger Zuschlag zugrunde gelegt wurde (S 147 f, 151 d.A) und dem Angeklagten daher kein weiterer Lohnanspruch zustand. Dem weiteren Beschwerdevorbringen zu diesem Faktum, daß ein Widerspruch zwischen Urteilsspruch und Urteilsgründen und ein Begründungsmangel vorläge, weil in den Urteilsgründen und in der Aussage des Zeugen H keine Rede davon sei, daß dem Angeklagten im Hotel 'X' neben Quartier auch noch Kost gewährt worden sei, ist vorerst entgegenzuhalten, daß es nicht entscheidungswesentlich ist, aus welchen Positionen sich der durch den Einmietbetrug verursachte Schaden im einzelnen zusammensetzt; überdies ist die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf die eigene Verantwortung des Angeklagten zu verweisen, der (in seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter) selbst angegeben hatte, im Hotel jeweils auch ein Frühstück und einmal überdies ein Abendessen konsumiert zu haben (S 35 a, 35 a verso d.A).

Mit seiner den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO anrufenden Beschwerdeausführung zum Urtelsfaktum 2, die eine Täuschung verneinen, geht der Beschwerdeführer nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (vgl S 151 d.A) und führt die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig aus. Soweit er aber unter Anrufung der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO - der Sache nach gleichfalls eine Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO behauptend - vorbringt, er sei im Irrtum über noch offene Lohnforderungen gewesen, weicht der Angeklagte wiederum von den einen derartigen Irrtum ausdrücklich verneinenden Feststellungen des Erstgerichtes (S 151 d.A) ab und führt den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund daher nicht gesetzmäßig aus.

Soweit die Beschwerde jedoch den Schuldspruch des Angeklagten im Urteilsfaktum 3 bekämpft, ist sie (zum Teil) im Recht. Das Erstgericht stellte zu diesem Faktum fest, daß sich der Angeklagte am 13. August 1980 bei der Firma C um eine Anstellung als Werkzeugmacher bewarb, eine Unterkunft in einem Firmenquartier erhalten sollte, dabei 'in vorgefaßter Betrugsabsicht' einen Vorschuß von 1.000 S zum Ankauf von Material für Sanierungsarbeiten in diesem Quartier erbat, der ihm auch gewährt wurde, und unter dem Vorwand, mit diesem Geld im gegenüberliegenden Möbelgroßmarkt Tapeten kaufen zu wollen, verschwand.

Die Annahme dieses Sachverhaltes gründete das Erstgericht darauf, daß 'unter Bedachtnahme der geständigen Verantwortung des Angeklagten kein Zweifel' über das betrügerische vorsätzliche Handeln des Angeklagten bestehe und er, wie sein Verhalten zeige, nie vorgehabt habe, Tapeten zu kaufen.

Die auf die Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Rechtsrüge des Beschwerdeführers, mit der er eine Wertung seines Tatverhaltens als Veruntreuung anstrebt, ist allerdings nicht gesetzmäßig ausgeführt, denn sie geht nicht von der Urteilsfeststellung eines von vornherein gegebenen Betrugsvorsatzes aus, sondern von der Verantwortung des Angeklagten, daß er erst nach Erhalt des Geldes den Entschluß gefaßt habe, es widmungswidrig zu verwenden.

Berechtigt ist allerdings die Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie in diesem Zusammenhang einen Begründungsmangel des Urteils im Sinn der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO aufzeigt.

Das Erstgericht stützt seine Urteilsannahmen auf den äußeren Tatablauf, in gleicher Weise aber auch auf die 'geständige Verantwortung' des Angeklagten. Gerade davon kann aber nach dem Inhalt der Akten keine Rede sein. In seiner in der Hauptverhandlung vom 27. August 1981 vorgetragenen Verantwortung (S 95, 96 d.A), die er in der neudurchgeführten Hauptverhandlung vom 17. September 1981 aufrecht erhielt (S 117 d.A), verneinte der Angeklagte einen Betrugsvorsatz und behauptete, zum Zeitpunkt des Erhaltes des Geldes noch dessen von ihm versprochene Verwendung vorgehabt zu haben und sich erst darnach deshalb nicht mehr in die Fa. C zurückgewagt zu haben, weil er essen gegangen sei. Wenn das erstgerichtliche Urteil diese Verantwortung als Geständnis (in der Richtung eines Betruges) bezeichnet, so steht es damit im Widerspruch zum Aussageinhalt. Dieser Widerspruch ist auch erheblich, weil das Erstgericht seinen Schuldspruch im Urteilsfaktum 3 auch auf ein - fälschlich angenommenes - Geständnis des Angeklagten stützt.

Dieser Begründungsmangel, der die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich macht, zwingt den Obersten Gerichtshof, das angefochtene Urteil im Punkt 3

seines Schuldspruches und demzufolge auch im Strafausspruch aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§ 285 e StPO). Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.

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