Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16. März 1914 geborene Pensionist Alois B auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 (richtig: Abs. 1 und) Abs. 2
StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er in der Nacht vom 27. Jänner 1981 auf den 28. Jänner 1981 in Eferding Josef A durch Versetzen von mindestens 16 Messerstichen vorsätzlich tötete und Ida A eine schwere Körperverletzung absichtlich zufügte, indem er ihr mindestens 16 Messerstiche versetzte, wobei die Tat den Tod der Geschädigten zur Folge hatte.
Die Geschwornen hatten die an sie gerichtete Hauptfrage nach Mord (§ 75 StGB), begangen an Ida und Josef A - jedoch lediglich hinsichtlich Josef A - bejaht, eine daher bezüglich Ida A weiterhin aktuelle Eventualfrage I nach Totschlag (§ 76 StGB) verneint, eine weitere Eventualfrage II nach absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge (§ 87 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Fall, StGB) hinsichtlich Ida A bejaht und die letzte Eventualfrage III nach schwerer Körperverletzung (der Ida A bzw des Josef A) mit tödlichem Ausgang (§§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 1, 86 StGB) folgerichtig unbeantwortet gelassen. Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 6 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; gegen das Strafausmaß wendet er sich mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Unzutreffend ist schon die in Ausführung des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes aufgestellte Beschwerdebehauptung, im Hauptverhandlungsprotokoll seien für die Abweisung der vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge keine Gründe angeführt. Daß die Abweisung 'mit Begründung' erfolgte, wird auch in der Beschwerde eingeräumt, damit der Sache nach (bloß) ein Unterbleiben der Protokollierung bemängelt. Dies jedoch zu Unrecht. Denn das Hauptverhandlungsprotokoll weist eine ausführliche Begründung des abweislichen Zwischenerkenntnisses auf (vgl S 162- 170/III). Der Schwurgerichtshof legte dabei ausführlich dar, daß hiedurch eine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten des Angeklagten nicht eintreten konnte.
Im übrigen verbot sich eine Einvernahme der Zeugin Katharina B schon wegen deren vom Erstgericht nach Anhörung eines psychiatrischen Sachverständigen angenommenen Zeugnisunfähigkeit im Sinne des § 151 Z 3 StPO (vgl S 13, 27, 39, 144, 145; 163/III), wozu kommt, daß sich die entscheidungswesentliche Relevanz jener - durchgehend nicht das unmittelbare Tatgeschehen betreffenden und weitgehend unbestrittenen - Umstände, die durch die Aussagen dieser Zeugin und der weiters beantragten Zeugen Friedrich B, Ernst C und Dr. Heinz D unter Beweis gestellt werden sollten, weder aus der jeweiligen Antragstellung (vgl S 132/III in Verbindung mit den ON 48 und 51) noch aus den bezüglichen Beschwerdeausführungen ergibt.
Dies gilt auch für die Anträge auf Einholung von insgesamt 5 Sachverständigengutachten und auf Vornahme eines Lokalaugenscheins. Das Erstgericht legte mit durchaus schlüssiger Begründung dar, daß sich aus einer (weiteren) Begutachtung der Zahnprothese des Beschwerdeführers und eines - im übrigen nicht mehr zur Verfügung stehenden (siehe Anhang zu ON 69) - Taschentuchs für den Angeklagten nichts gewinnen ließe. Den bezüglichen Ausführungen (vgl S 167/III) vermag der Beschwerdeführer ebensowenig etwas Stichhältiges entgegenzusetzen wie der im abweislichen Zwischenerkenntnis des weiteren zum Ausdruck gebrachten überzeugung des Erstgerichtes, daß die in der Skizze Beilage 37 der Anzeige = S 473/I vorgenommenen Einzeichnungen keine hinreichende Grundlage für das beantragte graphologische Gutachten bilden können und daß durch den begehrten Lokalaugenschein angesichts der vorhandenen ausführlichen Lichtbildmappen (ON 17 und 18) und der genauen Beschreibung der Örtlichkeiten durch die erhebenden Gendarmerieorgane keine neuen Aspekte zu gewinnen wären (vgl S 168/III).
Da den Beschwerdeausführungen schließlich auch in bezug auf die abgewiesenen Anträge auf Einholung eines weiteren 'medizinischen Sachverständigengutachtens unter Einbeziehung von einschlägigen hirnorganischen Untersuchungen' und auf Einholung eines Sachverständigengutachtens 'aus dem Gebiete der deutschen Sprachwissenschaft, deutschen Philologie, Spezialgebiet Linguistik', nicht einmal der Versuch einer dahingehenden Argumentation, inwiefern durch den mit zutreffender Begründung (vgl S 169, 170/ III) erfolgten Abweisungsbeschluß Verteidigungsrechte des Angeklagten geschmälert worden sein sollten, zu entnehmen ist, muß die auf den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 5 StPO gestützte Rüge in jeder Beziehung versagen. Es sind aber auch die den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 6 StPO geltend machenden Ausführungen des Beschwerdeführers nicht zielführend, mit denen er behauptet, auf Grund der in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen hätte (auch) eine Eventualfrage nach fahrlässiger Tötung (§ 80 StGB), zumindest aber nach Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§ 86 StGB) sowie eine Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) gestellt werden müssen.
Daß im Beweisverfahren Umstände hervorgekommen wären, die - träfen sie zu - die Annahme einer bloß fahrlässigen Tötung der Ida und des Josef A durch den Angeklagten in den näheren Bereich der Möglichkeit rücken würden (vgl EvBl 1978/119 = LSK 1978/139 ua), läßt sich - von der Art der zugefügten Verletzungen ganz abgesehen - den bezüglichen Beschwerdebehauptungen zuwider aus den Angaben des Angeklagten im Vorverfahren selbst dann nicht ableiten, wenn man diese - ungeachtet des Umstandes, daß sie von dem in der Folge gänzlich leugnenden Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung nicht mehr aufrecht erhalten wurden - den gemäß § 314 Abs. 1 StPO 'vorgebrachten' Tatsachen zuzählte (vgl hiezu EvBl 1980/222 = ÖJZ-LSK 1980/182). Denn der Angeklagte gab dort, nachdem er sich beim Untersuchungsrichter sogar des Mordes an Ida und Josef A schuldig bekannt hatte (vgl S 19/I), auch in tatsächlicher Hinsicht immerhin zu, im Zuge eines Handgemenges, ersichtlich mit Verletzungs- oder zumindest mit Mißhandlungsvorsatz (arg.: S 23/I '..ich bin auch wild geworden..'), mit einem Messer sowohl seiner (ihn allerdings angeblich bedrängenden) Schwester als auch seinem Schwager (diesem sogar in den Rücken) Stichverletzungen zugefügt zu haben (vgl S 15, 16, 21, 22/I und insbesonders den zusammenfassenden - in der Beschwerde unberücksichtigt gelassenen - Schlußsatz, S 23/I).
Für die Stellung einer Eventualfrage nach fahrlässiger Tötung bestand somit kein Anlaß.
Die des weiteren begehrte Frage nach Körperverletzung mit tödlichem Ausgang aber wurde den Geschwornen ohnedies vorgelegt (Eventualfrage III), wobei entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht nicht nur die rechtliche Möglichkeit (vgl Kienapfel, BT I, RN 396), sondern nach Lage des (durch jeweils mindestens 16 Messerstiche gegen die Opfer gekennzeichneten) Falles geradezu die Notwendigkeit bestand, die Qualifikation des § 84 Abs. 2 Z 1 StGB einzubeziehen, wobei für die Geschwornen immer noch die Möglichkeit gegeben gewesen wäre, durch einschränkende Bejahung dieser Frage (§ 330 Abs. 2 StPO) diesen Qualifikationsumstand als nicht gegeben anzusehen. Schließlich mangelte es auch an den Voraussetzungen für die Stellung einer Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten. Hinreichende Anhaltspunkte für eine solche ergaben sich weder aus dessen eigener Verantwortung, noch aus dem Gutachten des vernommenen psychiatrischen Sachverständigen (vgl insbesonders S 149 ff/III), noch aus den in der Beschwerde zitierten Aussagen der Zeugen Anton E (S 94 ff/III) und Franz F (S 83 ff/III). Der Sachverständige betonte im Gegenteil, daß vom medizinischen Standpunkt aus (auch bei Berücksichtigung der Alkoholisierung) keine Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten bestünden (vgl insbesonders S 152 und 154/III), der Zeuge F berichtete vorwiegend nur über die Art der Einvernahme des Angeklagten, und auch der Umstand, daß die abgeurteilte Tat vom Zeugen Anton E (einem Schwager des Angeklagten, der sich nach seiner Aussage - S 94/III - nur selten in Eferding, dem Wohnort des Angeklagten, aufhielt,) als für ihn unverständlich und unvorstellbar bezeichnet wurde, läßt keinen Schluß auf Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten zu.
Der Beschwerdeführer behauptet aber auch zu Unrecht, daß das Urteil gemäß § 345 Abs. 1 Z 8 StPO nichtig sei.
Soweit er in der den Geschwornen erteilten (schriftlichen) Rechtsbelehrung nähere Erläuterungen über die Begriffe der fahrlässigen Tötung und der Zurechnungsunfähigkeit vermißt, übersieht er, daß die Rechtsbelehrung nur insofern einer zulässigen Anfechtung unterliegt, als sie sich auf Fragen bezieht, die den Geschwornen auch tatsächlich gestellt wurden (vgl Mayerhofer-Rieder, II/2, Nr 20 ff zu § 345 Z 8
StPO). Eine Fragestellung in Richtung der §§ 80 und 11 StGB unterblieb jedoch - wie gezeigt - mit Recht.
Die Rechtsbelehrung ist den Beschwerdebehauptungen zuwider auch nicht im Zusammenhang mit der Eventualfrage III (: § 86 StGB) unrichtig, weil - wie gleichfalls bereits erwähnt - die Qualifikationen des § 84 Abs. 2 StGB (anders als jene des § 84 Abs. 1 StGB) durch die Bestimmung des § 86 StGB nicht verdrängt werden. Die mithin zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen zweier Gewaltverbrechen und die für beide Opfer qualvolle Handlungsweise des Angeklagten, als mildernd seinen bisher ordentlichen Lebenswandel. Es gelangte insbesondere unter dem Blickwinkel der Schwere der Taten zur Verhängung des Höchstmaßes der im § 75 StGB vorgesehenen zeitlichen Freiheitsstrafe.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe 'unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 Abs. 1 Z 1 StGB' an.
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Der von der Berufung ins Treffen geführte bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten wurde vom Geschwornengericht ohnedies berücksichtigt.
Von einem einer Zurechnungsunfähigkeit nahekommenden Zustand des Angeklagten bei der Begehung der Taten kann insbesonder nach den Ergebnissen des eingeholten Sachverständigengutachtens keine Rede sein, denn der Angeklagte verfügt trotz primitiver Persönlichkeitsstruktur über hinreichend praktische Intelligenz (Band III S 149); Egozentrizität und Aggressivität stellen keine Kriterien für die angestrebte Milderung dar.
Der Angeklagte reklamiert des weiteren die Annahme einer einer Putativnotwehr nahekommenden Situation (beim zuerst geschehenen Angriff gegen seine Schwester Ida A) als mildernd.
Selbst wenn eine solche Situation angenommen würde - aus dem Wahrspruch der Geschwornen läßt sich nicht entnehmen, wie weit sie in dieser Richtung der früheren Verantwortung des Angeklagten folgten - müßte dieser Umstand als Milderungsgrund als äußerst gering gewertet werden, weil der Angeklagte zur Nachtzeit seine Schwester und seinen Schwager aufsuchte, um sie wegen eines im Wirtshaus geschehenen Herumgeredes eines unbekannten Burschen zur Rede zu stellen, und dadurch selbst diese Situation maßgeblich ausgelöst hätte.
Dennoch kann - bezogen auf die primitive Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten - ihm eine gewisse Erregung wegen dieses Herumgeredes, in dem der Vorwurf enthalten war, er habe seine Schwester und seinen Schwager bestohlen, als mildernd zugerechnet werden; desgleichen die primitive Persönlichkeitsstruktur insgesamt (§ 34 Z 1 StGB). Zutreffend ist auch der Hinweis der Berufung, daß das vor der Gendarmerie und dem Untersuchungsrichter abgelegte Geständnis als mildernd hätte gewertet werden sollen, denn es trug, wie der Verfahrensgang zeigt, zur Wahrheitsfindung bei (§ 34 Z 17, zweiter Fall, StGB); allerdings wurde es in seinem Gewicht durch den späteren Widerruf gemindert.
Das Erstgericht unterließ es aber anderseits den Umstand als erschwerend zu werten, daß der Angeklagte seine Schwester tötete, die auch nach seiner Verantwortung anläßlich seiner früheren Auseinandersetzungen mit seinem Schwager immer wieder vermittelnd eingriff, mit dem Angeklagten freundlichen Umgang pflegte und ihm auch das Einlagern von Sachen in ihrem und ihres Mannes Haus gestattete, Umstände, die die Tat des Angeklagten ihr gegenüber verwerflicher erscheinen lassen.
Mit Recht verwies jedoch das Erstgericht auf den hohen Unrechtsgehalt der dem Angeklagten zur Last fallenden beiden Tötungsdelikte und auch auf die in diesem Zusammenhang zu beachtenden Aspekte der Generalprävention.
Selbst unter Berücksichtigung der aufgezeigten zusätzlichen Strafzumessungsgründe erscheint die vom Erstgericht verhängte zeitliche Freiheitsstrafe dem Unwert der Taten angemessen und bleibt im Rahmen dessen, was der Schuld des Täters entspricht. Auch der Berufung des Angeklagten war somit ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.
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