OGH 5Ob53/81

OGH5Ob53/819.3.1982

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Dr. Herbert Farber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei M***** B*****, vertreten durch Dr. Richard Wandl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung (Streitwert 24.000 S nach RAT, 4.000 S nach GJGebGes), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 6. Oktober 1981, GZ 11 R 126/81‑13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichts St. Pölten vom 24. April 1981, GZ 3 Cg 357/80‑9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1982:0050OB00053.810.0309.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.672,45 S (darin 190,85 S Umsatzsteuer und 96 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist aufgrund des interimistischen Kaufvertrags vom 25. 11. 1976 Wohnungseigentumsbewerber in Ansehung des Reihenhauses Nr 3 im Block I und des Abstellplatzes Nr 7. Sie hat diese Objekte im Besitz. Die Reihenhausanlage in ***** wurde von der Klägerin als Wohnungseigentumsorganisator errichtet. Die Beklagte hatte sich verpflichtet, an die Klägerin die Grundkosten von 81.600 S für das Reihenhaus und 2.500 S für den Abstellplatz bis Mitte Dezember 1976 und die Baukosten von 329.633 S (darin 160.000 S für den Keller) in drei Teilbeträgen von je 50.000 S bis August 1977, August 1978 und August 1979 und den Restbetrag von 179.633 S bis Februar 1980 bei 6%iger Verzinsung vom fallenden Kapital ab Schlüsselübergabe zu bezahlen.

Am 4. 2. 1980 erhob die Klägerin gegen die Beklagte zu AZ 3 Cg 48/80 des Kreisgerichts St. Pölten die auf Zahlung von 75.064 S an rückständigen Baukosten und der stufenweise berechneten Zinsen und von 46.504,21 S samt Zinsen an von der Verwalterin „Wohnungseigentümer“ Gemeinnützige Wohnbaugesellschaft mbH vorgeschossenen Annuitäten und Betriebskosten gerichtete Klage. Mit Versäumungsurteil vom 21. 2. 1980 wurde die Beklagte schuldig erkannt a) der Klägerin 75.064 S samt 6 % Zinsen aus 329.633 S vom 3. 12. 1976 bis 31. 8. 1977, 12 % Zinsen aus 329.633 S vom 1. 9. 1977 bis 3. 11. 1977, 6 % Zinsen aus 278.633 S vom 4. 11. 1977 bis 6. 4. 1978, 6 % Zinsen aus 274.697 S vom 7. 4. 1978 bis 31. 8. 1979, 11,5 % Zinsen aus 25.064 S vom 1. 9. 1978 bis 28. 2. 1979, 10 % Zinsen aus 25.064 S vom 1. 3. 1979 bis 31. 8. 1979, 6 % Zinsen aus 229.633 S vom 1. 9. 1978 bis 31. 8. 1979, 6 % Zinsen aus 179.633 S vom 1. 9. 1979 bis 29. 2. 1980, 10 % Zinsen aus 75.064 S vom 1. 9. 1979 bis 29. 2. 1980 und 10 % Zinsen aus 254.697 S ab dem 1. 3. 1980, und die Prozesskosten von 6.185,04 S, sowie b) der „Wohnungseigentümer“ Gemeinnützige Wohnbaugesellschaft mbH den Betrag von 46.504,21 S samt 10 % Zinsen seit dem 1. 1. 1980 zu bezahlen. Dieses Versäumungsurteil ist rechtskräftig.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Räumung des Reihenhauses und des Abstellplatzes für den Personenkraftwagen und behauptet, die Beklagte habe der Klägerin Anfang Mai 1980 251.156,65 S geschuldet. Ihr sei am 6. 5. 1980 unter Erklärung des sonstigen Rücktritts vom interimistischen Kaufvertrag zur Zahlung der Schuld eine Nachfrist bis zum 10. 6. 1980 gesetzt worden. Zugleich sei die Beklagte für den Fall der weiteren Säumnis zur Räumung des Reihenhauses und des Abstellplatzes aufgefordert worden. Der ursprünglich mit 30. 6. 1980 festgelegte Räumungstermin sei auf den 5. 8. 1980 verlegt worden. Die Beklagte habe weder bezahlt noch geräumt.

Die Beklagte trat dem Begehren entgegen. Sie habe der Klägerin 272.733 S bezahlt und Betriebskosten wie Annuitäten entrichtet. Die Baukosten für den Keller schulde sie nicht der Klägerin. Sie habe an den Baumeister dafür Zahlungen geleistet und statte den Rest in Teilbeträgen ab.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Es traf noch folgende Feststellungen:

Nach Fällung des Versäumungsurteils des Kreisgerichts St. Pölten vom 21. 2. 1980, GZ 3 Cg 48/80‑2, bezahlte die Beklagte an die Klägerin am 20. 3. 1980 90.000 S. Der Rechtsvertreter der Klägerin setzte die Beklagte am 6. 5. 1980 zunächst davon in Kenntnis, dass diese Zahlung zur Abdeckung der Prozesskosten von 6.185,04 S, vollstreckbarer Zinsenforderungen der Klägerin aus dem Versäumungsurteil bis 21. 3. 1980 von zusammen 60.915,95 S, der Zinsenforderung aus 46.504,21 S von 10 % pA vom 1. 1. 1980 bis 21. 3. 1980 von 1.045,71 S und des Teilbetrags von 21.853,30 S an Betriebskosten und Annuitäten Verrechnung fand, dass daher noch 75.064 S samt 10 % Zinsen ab dem 22. 3. 1980 und der weitere am 29. 2. 1980 fällig gewordene Betrag von 143.226 S samt 10 % Zinsen ab 1. 3. 1980 (bis 10. 6. 1980 3.978 S) an die Klägerin und 24.650,91 S samt 10 % Zinsen seit dem 22. 3. 1980 an die „Wohnungseigentümer“ Gemeinnützige Wohnbau‑ gesellschaft mbH zu leisten und nach Zurechnung von Kosten bis zum 10. 6. 1980 251.165,65 S zu bezahlen seien, widrigens unter einem gemäß § 918 ABGB der Rücktritt vom Vertrag erklärt und die Beklagte aufgefordert werde, die Objekte bis zum 30. 6. 1980 der Klägerin geräumt zu übergeben. Die Beklagte leistete keine weiteren Zahlungen an die Klägerin. Sie überwies im Oktober 1980 28.633 S und 20.000 S an die Verwalterin „Wohnungseigentümer“ Gemeinnützige Wohnbaugesellschaft mbH, deren Zahlscheine sie versehentlich verwendete. Sie wollte an die Klägerin zahlen. Die Verwalterin verrechnete die Zahlungen mit Rückständen an Betriebskosten und Annuitäten. Die Beklagte vereinbarte mit dem Generalbauunternehmer der Reihenhausanlage, dass sie die Kosten der Errichtung des Kellers des Reihenhauses in Teilbeträgen an diesen bezahle. Die für eine Entlassung der Klägerin aus der Haftung für diesen Teil der Baukosten zu schaffenden Voraussetzungen liegen noch nicht vor. Die Beklagte benützt die Objekte weiter.

In rechtlicher Hinsicht kam das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass neben der im Februar 1980 fällig gewordenen, aufgrund der Baukostenabrechnung von den vorgesehenen 179.633 S auf 143.226 S verminderten Baukostenforderung noch die vollstreckbare Forderung der Klägerin aus dem Versäumungsurteil vom 21. 2. 1980 bestand, auf welche die Beklagte nur die Zahlung von 90.000 S am 20. 3. 1980 geleistet habe. Die Überweisung von 48.633 S am 14. 10. 1980 sei nicht an die Klägerin sondern die Verwaltungsgesellschaft erfolgt. Da die 90.000 S ohne Widmung der Klägerin mit Zahlschein überwiesen wurden, sei die Verrechnung von 21.853,30 S und eines Zinsenbetrags von 1.045,71 S zur Abdeckung von Forderungen der Verwaltungsgesellschaft nicht statthaft. Dieser Betrag von 22.899,01 S sei nach Abdeckung der vollstreckbaren Forderungen an Zinsen und Prozesskosten von der Kapitalsumme von 75.064 S abzuziehen, sodass die Beklagte der Klägerin aus dem Versäumungsurteil immer noch 52.164,99 S samt 10 % Zinsen seit dem 22. 3. 1980 schulde. Dazu komme der am 29. 2. 1980 fällig gewordene Betrag von 143.226 S. Die Klägerin sei daher nach fruchtlosem Ablauf der von ihr gesetzten, angemessenen Nachfrist wirksam von dem interimistischen Kaufvertrag zurückgetreten. Die Beklagte benütze seither die Objekte ohne Rechtsgrund und sei zur Räumung verpflichtet. Über die am 21. 2. 1980 fälligen Beträge liege ein bindendes Urteil vor, der danach fällig gewordene Betrag von 143.226 S und die nach dem 21. 2. 1980 geleisteten Zahlungen der Beklagten seien ihrer Höhe nach nicht strittig. Es habe daher nicht der abgesonderten Verhandlung und Entscheidung über die Höhe der vom Wohnungseigentumswerber noch zu leistenden Zahlungen (§ 24 Abs 4 WEG) bedurft.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit dem Ausspruch, dass der Wert des Streitgegenstands 60.000 S übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und verneinte das Vorliegen eines von der Beklagten in der Unterlassung der gesonderten Beschlussfassung über die strittige Höhe der noch zu leistenden Zahlungen nach § 24 Abs 4 WEG erblickten Verfahrensmangels. Soweit darüber ein rechtskräftiges Urteil vorliege, stehe dessen Rechtskraft der Beschlussfassung über denselben Gegenstand entgegen. Dem Wohnungseigentumsbewerber komme die Begünstigung nach § 24 Abs 4 WEG insoweit nicht zustatten, als über seine Leistungspflicht unter Setzung einer Leistungsfrist bereits urteilsmäßig entschieden sei. Nach der § 1416 ABGB entsprechenden Berechnung hafte von dem der Klägerin rechtskräftig zugesprochenen Betrag jedenfalls noch der Rest von 52.164,99 S samt 10 % Zinsen seit dem 22. 3. 1980 aus. Schon dieser Rückstand rechtfertige den Rücktritt vom Vertrag. Ob die Beklagte der Klägerin noch weitere 143.226 S schulde oder auf diese Schuld an den Bauunternehmer geleistete Zahlungen anzurechnen seien, ändere nichts an der Wirksamkeit des Rücktritts vom Vertrag. Es fehle daher an einem relevanten Verfahrensmangel.

Gegen dieses bestätigende Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache nach dem § 503 Z 4 ZPO. Sie beantragt die Abänderung dahin, dass das Räumungsbegehren abgewiesen werde, und hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Rechtssache zu neuer Verhandlung und Entscheidung.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr die Wiederholung der bereits in der Berufung unter der Anziehung des Berufungsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung vorgetragenen Rüge, das Erstgericht hätte vor der Sachentscheidung nach § 24 Abs 4 WEG über die Höhe der von der Beklagten als Wohnungseigentumsbewerberin noch zu leistenden Zahlungen, die bei der gerichtlichen Geltendmachung des Rücktritts durch den Wohnungseigentumsorganisator strittig geblieben sei, abgesondert zu verhandeln und mit Beschluss zu entscheiden gehabt.

Die der vergleichbaren Regelung des § 21 Abs 2 und 3 MG (nunmehr in § 33 Abs 2 und 3 MRG übernommen) nach gebildete Vorschrift des § 24 Abs 4 WEG hat erkennbar den Zweck, dem Wohnungseigentümer durch die Klarstellung, welche Beträge er an zahlenmäßig bestimmt vereinbarten Grund‑, Bau‑ und sonstigen Kosten (§ 23 Abs 2 WEG) dem Wohnungseigentumsorganisator schuldet, vor Schluss der Verhandlung erster Instanz noch eine Möglichkeit zu verschaffen, wenn auch mit Kostenfolgen durch vollständige Zahlung des geschuldeten Betrags die Abweisung der Klage des Rücktritt geltend machenden Wohnungseigentumsorganisators zu erreichen (MietSlg 29.398 ua).

Schon zu § 21 Abs 2 MG wurde nicht nur erkannt, dass es einer Beschlussfassung über die Höhe des darüber hinaus geschuldeten Mietzinses nicht bedarf, wenn über den Rückstand oder einen Teil davon im Zeitpunkt der sonst erforderlichen Beschlussfassung bereits ein rechtskräftiges Zahlungsurteil vorliegt und auch der Judikatsbetrag nicht bezahlt ist (MietSlg 19.390, 21.625, 23.187, 26.332 ua), sondern auch, dass es sich dabei um eine reine Verfahrensvorschrift handelt, deren Nichtbeachtung nur mit dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens bekämpft werden kann (JBl 1954, 359; MietSlg 26.332, 30.470 ua). Die Beklagte hat das Unterbleiben der Beschlussfassung als Verfahrensmangel gerügt, das Berufungsgericht hat dies nicht als Verfahrensmangel anerkannt, weil eine Beschlussfassung zumindest insoweit durch die Rechtskraft des im Rechtsstreit zwischen den gleichen Streitteilen ergangenen Zahlungsurteils gehindert werde, als die Beklagte auch dieser ihr auferlegten Verpflichtung nicht nachkam. Es entspricht aber der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass angebliche Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens, die vom Berufungsgericht nach Prüfung nicht als solche anerkannt wurden, nicht im Revisionsverfahren nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden können. Dies gilt auch, wenn versucht wird, ein Aufgreifen des Verfahrensmangels aus der Sicht der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu erreichen. Es kann daher vorliegend nicht darauf eingegangen werden, ob trotz Feststellung, dass die Beklagte dem Leistungsauftrag des rechtskräftigen Versäumungsurteils nur teilweise nachkommend lediglich 90.000 S an die Klägerin bezahlte, obgleich sich am Zahlungstag die an Baukosten der Klägerin zuerkannte vollstreckbare Forderung, zu deren Zahlung samt 6 % Zinsen seit der Schlüsselübergabe sich die Beklagte schon im interimistischen Kaufvertrag verbunden hatte, durch Zuwachs an Zinsen auf 135.979,95 S erhöht hatte, selbst wenn man die Prozesskosten von 6.185,04 S und die weitere Baukostenforderung von 143.226 S außer Betracht lässt, eine Beschlussfassung über die Höhe der gesamten Restschuld der Beklagten geboten war, weil die Klägerin bei Setzung der Nachfrist von der höheren Gesamtforderung ausging. Nur dann hätte die Beklagte sich entscheiden können, alles zu bezahlen und damit auch die Folgen ihres qualifizierten Verzugs selbst mit der Erbringung der urteilsmäßig geschuldeten Leistung, an deren Zurechtbestehen und Höhe sie keinen Zweifel haben konnte, abzuwenden (vgl 5 Ob 703/81). Ist aber die Prüfung ausgeschlossen, ob die Beschlussfassung über die Höhe der noch zu leistenden Zahlungen der Beklagten zu Recht unterblieben ist, ist der nur darauf aufgebauten Revision der Boden entzogen. Dass sie ihren Zahlungsverpflichtungen an die Klägerin vollständig nachgekommen sei und daher ein Zahlungsverzug nicht vorlag, behauptet die Beklagte selbst nicht. Ihr Revisionsvorbringen, die Zahlung von 90.000 S sei auf ein Konto geleistet worden, das eine Verrechnung auf die Zinsenforderung nicht zuließ, ist – wie schon das Berufungsgericht aufzeigte – als Neuerung unbeachtlich und vom festgestellten Sachverhalt abweichend, wonach die nach Fällung des Versäumungsurteils, welches die Beklagte zur Zahlung von Kapital, Zinsen und Kosten an die Klägerin und eines weiteren Kapitalbetrags samt Zinsen an die Verwaltungsgesellschaft verhielt, an die Klägerin allein geleistete Zahlung von 90.000 S nicht gewidmet war und daher zuerst die Zinsen abgerechnet werden sollten (§ 1416 ABGB).

Der Revision kann daher kein Erfolg zukommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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