OGH 13Os2/82

OGH13Os2/8211.2.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Februar 1982

unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Friedrich und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Franz als Schriftführers in der Strafsache gegen Karl A und Werner B wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichts Wr. Neustadt als Jugendschöffengerichts vom 23.November 1981, GZ. 9 Vr 466/81-31, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Knob, und der Ausführungen der Verteidiger der Angeklagten Dr. Posch und Dr. Steinbuch zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch des Werner B aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 12.Juni 1963 geborene Spenglergehilfe Karl A und der am 3.November 1963 geborene Rauchfangkehrerlehrling Werner B von der wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB wider sie erhobenen Anklage, am 6.September 1980 in Putzmannsdorf im einverständlichen Zusammenwirken den Werner C durch Versetzen von Schlägen ins Gesicht am Körper mißhandelt und ihm dadurch fahrlässig eine Körperverletzung mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung, nämlich eine traumatische Perforation des linken Trommelfells, zugefügt zu haben, gemäß dem § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.

Den (kurz zusammengefaßt wiedergegebenen) wesentlichen Urteilsfeststellungen zufolge begab sich A am 6.September 1980 in Putzmannsdorf zu einem in einem Festzelt aufgestellten Tisch, erfaßte den dort sitzenden C an der rechten Schulter und versetzte ihm in der (irrigen) Annahme, kurz zuvor von ihm vor dem Festzelt tätlich angegriffen worden zu sein, mit der flachen linken Hand mindestens zwei Schläge gegen die linke Gesichtshälfte. Weitere Tätlichkeiten unterließ er, als ihm von einem Zeugen (Helmut D) mitgeteilt worden war, daß es sich bei C nicht um den erwähnten Angreifer handle.

Inzwischen war der über den tätlichen Angriff vor dem Festzelt informierte B zum Tisch des C nachgekommen. Er hatte sich - von A unaufgefordert und ohne daß jener von diesem Vorhaben Kenntnis erlangt hätte - aus eigenem entschlossen, A im Fall einer Bedrängnis im Zug einer sich allenfalls entwickelnden Rauferei Hilfe zu leisten, und war daher A gefolgt.

Obwohl für ihn zu erkennen war, daß A von einer weiteren Insultierung des C Abstand genommen hatte und auch keine Hilfe benötigte, versetzte er C hinter dem Rücken des A seinerseits mindestens zwei Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht bzw. gegen die Kopfregion, wobei er 'unabhängig von der vorangegangenen Einwirkung durch den Angeklagten A einen Mißhandlungsvorsatz in sein Wollen aufgenommen hatte' (S. 157).

Zu einer Klärung der Frage, 'durch welchen von welchem Angeklagten geführten Schlag' (S. 159) eine später bei C festgestellte (schwere) Trommelfellverletzung entstanden war, sah sich das Erstgericht außerstande.

Die Staatsanwaltschaft bekämpft den eingangs erwähnten Freispruch in Ansehung beider Angeklagter mit einer auf die Gründe der Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. In Ausführung der Mängelrüge behauptet die Beschwerdeführerin, das Erstgericht habe die Feststellung offenbar unzureichend begründet, daß der Angeklagte B unabhängig von der vorangegangenen Einwirkung durch den Angeklagten A einen Mißhandlungsvorsatz in sein Wollen aufgenommen hatte und deshalb C mindestens zwei Schläge versetzte, obwohl für ihn bereits zu erkennen war, daß A von einer weiteren Insultierung des C Abstand genommen hatte. Sowohl aus der eigenen Verantwortung des B in der Hauptverhandlung als auch aus den Aussagen der vernommenen Zeugen gehe im Gegenteil hervor, daß es sich in Wahrheit nicht um zwei von einander unabhängige, selbständige Tathandlungen, sondern schon wegen deren unmittelbarer Aufeinanderfolge um einen einzigen einheitlichen Angriff gehandelt habe.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Rüge kommt, allerdings nur, soweit sie sich auf den Angeklagten Werner B bezieht, teilweise Berechtigung zu. Das Erstgericht legte der Feststellung über den Tathergang die Verantwortung der beiden Angeklagten zugrunde.

Die (im übrigen unterschiedlichen) Aussagen der hiezu vernommenen Zeugen ließ es der in der Beschwerde sinngemäß vertretenen Ansicht zuwider nicht etwa gänzlich außer Betracht, sondern gelangte in deren durchaus hinreichend begründeter (im schöffengerichtlichen Verfahren unanfechtbarer) Würdigung zu dem Ergebnis, daß sie nicht genügend präzise und verläßlich seien, um gleichfalls als Feststellungsgrundlage zu dienen (S. 158).

Die bekämpfte Konstatierung leidet jedoch auch dann an einem Begründungsmangel, wenn man - wie das Erstgericht - nur von den Verantwortungen der beiden Angeklagten ausgeht. Mit Recht weist die Staatsanwaltschaft auf das Unterbleiben einer urteilsmäßigen Erörterung der Angaben des Angeklagten B in der Hauptverhandlung hin, wonach er gesehen habe, daß A, nachdem er auf C eingeschlagen hatte, von dem Zeugen D weggezogen worden sei, und deshalb geglaubt habe, daß D zu den 'Potschachern' (also zur Seite des Angegriffenen) gehöre, weshalb er den C nun seinerseits angegriffen habe (S. 105 in Verbindung mit S. 129). Dieser Teil der Verantwortung des Angeklagten B spricht nämlich nicht nur dafür, daß dieser subjektiv der Meinung war, der von A auf C eröffnete Angriff sei lediglich (durch D) behindert, aber noch nicht abgeschlossen gewesen, sondern auch dafür, daß es sich objektiv tatsächlich nicht um zwei voneinander unabhängige, zeitlich getrennte, selbständige Angriffe, sondern wegen der unmittelbaren Aufeinanderfolge der auf ein und denselben Anlaß zurückgehenden Angriffsakte der beiden gleichzeitig auf dem Tatort anwesenden Täter noch um einen einheitlichen Angriff mehrerer im Sinn des § 91 Abs. 1 StGB (hiezu insbesonders 12 Os 50/79) handelte.

Dem aufgezeigten Begründungsmangel kommt allerdings nur in bezug auf den Angeklagten B entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Denn in Ansehung des Angeklagten A traf das Erstgericht die unabhängig von der Frage, ob im gegenständlichen Fall objektiv ein Angriff mehrerer im Sinn des § 91 Abs. 1 StGB vorlag, mögliche, mängelfrei begründete und auch gar nicht bekämpfte Feststellung, daß A vom Vorhaben des B nichts wußte, nicht bemerkte, daß ihm B nachfolgte und B den Rücken zuwandte, als dieser auf C einschlug.

Hat aber der Angeklagte A von der Anwesenheit, den Absichten und den Tathandlungen des Angeklagten B gar keine Kenntnis erlangt, dann scheidet eine Haftung seiner Person nicht nur für die in der Nichtigkeitsbeschwerde unter Anrufung des Grunds des § 281 Abs. 1 Z. 9

lit. a StPO behauptete Mittäterschaft am Vergehen der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 2, 84 Abs. 1

StGB, sondern auch für eine Teilnahme an einem allfälligen Angriff mehrerer im Sinn des § 91 Abs. 1 StGB aus.

Mittäterschaft ist nämlich vorsätzliches Zusammenwirken mehrerer bei der Tatausführung, und zwar solcherart, daß jede der zusammenwirkenden Personen Ausführungshandlungen setzt. Zwar verlangt Mittäterschaft kein formelles gemeinsames Beschließen der Beteiligten, wohl aber deren vorsätzliches aktives Zusammenwirken. Da der Angeklagte A nach den (insoweit unbekämpften) Urteilsannahmen von der deliktischen Absicht des Angeklagten B nicht einmal wußte (welches Wissen im übrigen für sich allein auch noch keine Mittäterschaft begründen könnte), geschweige denn mit B vorsätzlich zusammenwirkte, kann vorliegend von einer Mittäterschaft der beiden Angeklagten in bezug auf das Vergehen der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB keine Rede sein, und zwar auch nicht - wie die Beschwerdeführerin meint - in Form der sogenannten 'sukzessiven Mittäterschaft', die gleichfalls erfordern würde, daß das zunächst von nur einem Täter begonnene Delikt (hier der schweren Körperverletzung) im vorsätzlichen Zusammenwirken mit einem später hinzutretenden Beteiligten vollendet würde (Leukauf-Steininger2, § 12 StGB, RN. 9 - 12 und die dort zitierte Judikatur und Literatur). Für einen Angriff mehrerer im Sinn des § 91 Abs. 1

StGB hingegen wäre ein mittäterschaftliches Zusammenwirken der Teilnehmer nicht erforderlich. Er könnte (objektiv) auch vorliegen, wenn einer der mindestens zwei (EvBl. 1976/267 = SSt. 47/25) Angreifer vom (annähernd) gleichzeitigen Angriff des zweiten Teilnehmers nichts wußte. Da jedoch in subjektiver Beziehung erforderlich ist, daß der Vorsatz des Täters die tätliche Teilnahme an einem Angriff mehrerer umfaßt (EvBl. 1976/56 = SSt. 46/30), kann das Vergehen des Raufhandels nach dem § 91 Abs. 1 StGB jedenfalls demjenigen nicht angelastet werden, der sich - wie hier nach den Urteilsannahmen der Angeklagte A - mangels Kenntnis von weiteren Angriffsteilnehmern für den einzigen Angreifer hält.

Es war deshalb der - im übrigen zu verwerfenden - Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft teilweise, und zwar in bezug auf den Angeklagten B Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im Freispruch des Angeklagten A unberührt zu bleiben hatte, wegen der aufgezeigten Begründungsmängel im Freispruch des Angeklagten B aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Denn der Angeklagte B hatte nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils - mögen diese der von der Beschwerdeführerin vertretenen Ansicht zuwider auch nicht ausreichen, um sogleich in der Sache selbst erkennen zu können - den vorangegangenen Angriffsakt des Angeklagten A wahrgenommen und könnte daher, falls es sich im Sinn der obigen Ausführungen doch um einen noch nicht abgeschlossenen Angriff gehandelt haben sollte (anders als A, der B nicht bemerkt hatte), durchaus mit dem zur Herstellung des Tatbestands nach dem § 91 Abs. 1 StGB erforderlichen Teilnahmevorsatz gehandelt haben, wobei es zu der Erfüllung dieses Tatbestands ohne Bedeutung ist, ob die dafür erforderlichen Verletzungsfolgen des Opfers vor, während (oder nach) der Teilnahme an dem Angriff entstanden sind (Leukauf-Steininger2, § 91 StGB, RN. 9).

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