OGH 9Os153/81

OGH9Os153/819.2.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Februar 1982 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Kliment als Schriftführer in der Strafsache gegen Erwin A wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach § 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Jugendschöffengericht vom 18. Mai 1981, GZ 11 Vr 580/81-12, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die von der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil erhobene Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Verlesung der Berufung der Staatsanwaltschaft, Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Strobl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil - welches im Punkt I) des Schuldspruches betreffend das Vergehen des schweren Diebstahls nach § 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB und im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche der Erika B aufrecht bleibt - im Punkt II) des Schuldspruches betreffend das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB sowie im Ausspruch über die Strafe aufgehoben und im Umfange dieser Aufhebung gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Erwin A wird von der weiteren Anklage, ein Sparbuch der Erika B durch Zerreißen vernichtet zu haben, um zu verhindern, daß es im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebraucht werde, und hiedurch das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Für das im Punkt I) des erstinstanzlichen Schuldspruches bezeichnete Vergehen des schweren Diebstahls nach § 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB wird Erwin A nach § 128 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 11 JGG zu einer Freiheitsstrafe in Dauer von 3 (drei) Monaten verurteilt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Erwin A verworfen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die vorstehende Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 31. Juli 1964 geborene Kellner Erwin A der Vergehen des schweren Diebstahls nach § 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Ihm liegt zur Last, im Jänner 1981 in Villach I.) fremde bewegliche Sachen, und zwar S 6.000,-

Bargeld, der Erika B mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

II.) ein Sparbuch der Erika B, sohin eine Urkunde, durch Zerreißen vernichtet zu haben, um zu verhindern, daß es im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebraucht werde.

Inhaltlich der Entscheidungsgründe hat Erwin A im Zimmer der Erika B deren auf dem Nachtkästchen abgelegtes nicht vinkuliertes Sparbuch an sich genommen und einige Tage später bei der Filiale der C AG in Villach S 5.800,-- vom Konto abgehoben. Sodann hat er das Sparbuch zerrissen und in eine Toilette geworfen.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mittels einer auf die Nichtigkeitsgründe der Ziffern 4, 5, 9

(lit. a) und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Für aktenwidrig (gemäß den Ziffern 4 (?) und 5 des § 281 Abs. 1 StPO) erachtet der Beschwerdeführer das Urteil insoweit, als ihm (im Urteilsspruch) der Diebstahl von S 6.000,-- Bargeld angelastet werde, obwohl er lediglich ein nicht vinkuliertes Sparbuch entwendet und bloß S 5.800,-- behoben habe.

Rechtliche Beurteilung

Worin der in diesem Zusammenhang gerügte (Verfahrens) Mangel im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 4 StPO gelegen sein soll, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen. Doch auch ein formaler Begründungsmangel im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO ist nicht gegeben, weil aus den (mit dem Urteilsspruch eine Einheit bildenden) Gründen des angefochtenen Urteils ohnehin hervorgeht, daß es sich um den Diebstahl des in Rede stehenden nicht vinkulierten Sparbuchs handelt (Seite 89 verso des Aktes), das das Gericht im Spruch mit dem von ihm repräsentierten Bargeldbetrag eingesetzt hat.

Das ist im Ergebnis sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Beziehung unbedenklich, weil einerseits nicht vinkulierte Sparbücher taugliche Diebstahlsobjekte darstellen, deren Wert mit der Höhe der (frei abhebbaren) Einlage zu veranschlagen ist, und der Angeklagte andererseits selbst behauptete, daß dieses Sparbuch im Zeitpunkt der Wegnahme einen Einlagestand von S 6.000,-- aufgewiesen hat (Seite 87 d. A).

Insoweit erweist sich also die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten als unbegründet.

Berechtigung kommt hingegen der sachlich aus dem Grunde des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO erhobenen Rechtsrüge wegen gesonderter Zurechnung des späteren Zerreißens des (gestohlenen) Sparbuchs unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB (Punkt II des Schuldspruches) zu.

Dieses Vergehens macht sich schuldig, wer eine Urkunde, über die er nicht oder nicht allein verfügen darf, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt, wenn er mit dem Vorsatz handelt, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, wozu es eines speziellen - auf eine bestimmte Verwendung der betreffenden Urkunde abzielenden - Gebrauchsverhinderungsvorsatzes nicht bedarf.

Wird eine Urkunde, die ihrer (wirtschaftlichen) Bestimmung nach als Wertträger (im strafrechtlichen Sinn) Sache ist und demzufolge - anders als (bloße) Beweis- und Legitimationsurkunden - Gegenstand des Diebstahls (SSt 11/ 41 ua) bzw der dauernden Sachentziehung (ZVR 1980/243) sein kann, dem Berechtigtten vor der nach § 229 StGB tatbildlichen Handlung widerrechtlich entzogen und ist der Berechtigte sohin schon infolge dieser Entziehungshandlung an der bestimmungsgemäßen Verwendung der Urkunde (als Wertträger) gehindert gewesen, so richtet sich eine im Vernichten, Beschädigen oder sonstigen Unterdrücken derselben bestehende Nachtat insoweit gegen das nämliche Rechtsgut desselben Geschädigten (vgl dazu Leukauf-Steininger2 RN 52

zu § 28 und RN 5 a zu § 135; aM ersichtlich Kienapfel BT II RN 59 zu § 135 und in ZVR 1980, S 231).

Ebendies trifft auf den Angeklagten Erwin A zu, der Erika B bereits durch den von ihm zuvor begangenen - mit einem dauernden oder doch wirtschaftlich einem solchen gleichkommenden Sachverlust verbundenen - Diebstahl des Sparbuchs die Möglichkeit genommen hatte, dieses seiner Bestimmung gemäß zu verwenden.

Da zudem durch die vorliegend zur Anwendung gelangende Strafbestimmung des § 128 Abs. 1 StGB auch der Unrechtsgehalt der Nachtat erfaßt ist, erweist sich der Schuldspruch wegen Vergehens der Urkundenunterdrückung als rechtsirrig. Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Erwin A teilweise Folge zu geben und wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Bei der Neubemessung der Strafe nach § 128 Abs. 1

StGB hat der Oberste Gerichtshof die vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründe übernommen. Erschwerend war mithin, da das Zusammentreffen zweier Vergehen infolge des Teilfreispruches als Erschwerungsgrund in Wegfall zu kommen hat, lediglich der Umstand, daß der Angeklagte bereits mehrmals wegen Diebstahls abgestraft worden ist; mildernd dagegen das Geständnis und die Tatsache, daß der Angeklagte die Tat mehr durch eine besonders verlockende Gelegenheit verleitet als mit festgefaßter Absicht begangen hat.

Bei diesen Strafzumessungsgründen erachtete der Oberste Gerichtshof das aus dem Spruch ersichtliche Strafmaß für schuldangemessen und auch ausreichend, zumal der ein-

(schlägig vorbestrafte) Angeklagte bisher kein Strafübel verspürt hat und angenommen werden kann, daß schon die nunmehr über ihn verhängte kurze unbedingte Strafe dazu ausreichen wird, ihn in Hinkunft von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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