OGH 13Os174/81

OGH13Os174/8128.1.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Jänner 1982

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Hörburger und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Franz als Schriftführers in der Strafsache gegen Karl A wegen des Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 StGB

über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengerichts vom 27.Februar 1981, GZ 22 Vr 1228/80-10, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Graff und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 18.Februar 1948 geborene Reisekaufmann Karl A wurde des Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er zwischen dem 7.Mai 1979 und Anfang Juli 1979

in Bad Kreuzen mehreren Personen erzählte, bei der Nationalratswahl am 6.Mai 1979, bei der er als Wahlleiterstellvertreter fungierte, habe Käte C die Sozialistische Partei gewählt.

Dieses Urteil ficht der Angeklagte mit einer auf die Z. 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an. Unter dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer die Ablehnung seines Antrags auf Beischaffung des Wahlakts zum Beweis dafür, daß er nicht Mitglied der Sprengelwahlbehörde (bei der Käte C gewählt hatte) und folglich bei der Stimmenzählung nicht in einer beamteten Funktion anwesend gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge versagt.

Ohne rechtliche Bedeutung ist, ob der Angeklagte bei der Stimmenzählung zufolge einer vorübergehenden Verhinderung des Wahlleiters als dessen Stellvertreter und daher als Mitglied einer Wahlbehörde i.S. des § 5 Abs 2 (§ 8 Abs 1 und 3) NRWO. 1971 tätig war (siehe S. 22, 41, 69). Genug daran, daß er kraft seiner Bestellung zum Stellvertreter des Wahlleiters und, weil der strafrechtliche Beamtenbegriff rein funktional zu verstehen ist (Leukauf-Steininger, StGB2, § 74 RN. 9 und die dort angeführte Judikatur), auf Grund dieser generell-abstrakten Zuständigkeit Beamter gemäß § 74 Z. 4 StGB war sowie ausschließlich als solcher Zugang zu den unter Wahlgeheimnis stehenden Stimmzetteln hatte.

Der mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 5 und auch teilweise der Z. 4 des § 281 Abs 1 StPO

- sachlich in Ausführung eines Feststellungsmangels nach Z. 9 lit a derselben Gesetzesstelle - erhobene Vorwurf des Beschwerdeführers, das Urteil lasse nicht erkennen, ob er bei der Nationalratswahl am 6. Mai 1979 als Stellvertreter des Gemeindewahlleiters oder des Sprengelwahlleiters fungiert habe und ob er, weil der Wahlleiter selbst immer anwesend gewesen sei, als dessen Stellvertreter überhaupt hätte tätig sein können, ist daher für die Entscheidung der Schuldfrage gleichfalls nicht von Wesenheit. Dies gilt auch für die von der Mängelrüge aufgeworfene Frage, ob der Angeklagte, wie übrigens mit dem Hinweis auf die Zeugenaussagen D und E mängelfrei festgestellt (S. 92 f.), als Wahlleiterstellvertreter angelobt wurde; denn es handelt sich, wie dargetan, ausschließlich um die gemäß § 74 Z. 4 StGB funktional zu begreifende Beamteneigenschaft des Nichtigkeitswerbers und den davon abhängigen Zugang zu den Stimmzetteln.

Gleichfalls irrelevant ist, ob der Angeklagte bei seinen Mitteilungen über seine Beobachtungen bei der Stimmzettelprüfung nur eine Mutmaßung über das Wahlverhalten der Käte C Zum Ausdruck brachte, wie ohnedies konform mit seiner Verantwortung konstatiert wurde (S. 91 f.), oder ob er auf Grund eines nachfolgend vorgenommenen Vergleichs mit Stammbucheintragungen als gewiß behauptete, daß C durch einen handschriftlichen Vermerk auf dem amtlichen Stimmzettel ('Karl X') für die Sozialistische Partei votiert habe. Wollte man nur die Bekanntgabe einer unverrückbar feststehenden Tatsache als Geheimnisverletzung ansehen, so wären der Umgehung des Geheimnisschutzes Tür und Tor geöffnet; es würde jeder, der ein Amtsgeheimnis straflos preisgeben will, seine Bekanntgabe in eine Vermutung kleiden, aber durchblicken lassen, daß an deren Richtigkeit kaum zu zweifeln sei. Alle derartigen und ähnlichen rechtlichen Spekulationen verbieten sich unter dem Gesichtspunkt des Gesetzeszwecks. Dieser ist die Verhinderung des Durchsickerns von Umständen und Vorgängen jedweder Art, die nur einem (eventuell auch größeren) Kreis amtlich damit befaßter Personen bekannt sind und deren Weitergabe ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse verletzen kann.

Rechtsunerheblich ist ferner, welchem Personenkreis der Täter seine Wahrnehmungen mitgeteilt hat. Dem Wahlgeheimnis unterliegen alle Vorgänge bei der Wahlhandlung, Stimmzettelprüfung und Stimmenzählung, aus denen für andere Personen erkennbar ist, in welcher Weise jemand von seinem geheimen Wahlrecht Gebrauch gemacht hat. Wie das Schöffengericht zutreffend erkannt hat, stellte es folglich die Offenbarung eines Amtsgeheimnisses dar, wenn der Angeklagte seine ihm ausschließlich kraft seiner Eigenschaft als Wahlleiterstellvertreter ermöglichte Wahrnehmung, ein für die Sozialistische Partei gültiger Stimmzettel trage Schriftzüge, die öhnlichkeit mit jenen der Käte C haben, einer Person, der dieser Umstand bis dahin nicht als sicher bekannt war, mitteilte. Hiebei kommt es, wie teilweise schon oben verwiesen, nicht darauf an, ob der vom Rechtsmittelwerber aus seiner Wahrnehmung gezogene Schluß richtig oder falsch war, ob er ihn als Gewißheit oder als Vermutung weitergab und ob er mit Rücksicht auf einen begrenzten Personenkreis der Mitteilungsempfänger eine vertrauliche Behandlung seiner Information erwarten konnte. Daß das Amtsgeheimnis einer Personenmehrheit zugänglich gemacht wird, ist für seine Verletzung nicht erforderlich, es genügt die Mitteilung an eine einzige Person. Soweit sich der Beschwerdeführer schließlich unter dem Gesichtspunkt eines formellen Begründungsmangels und in weiterer Ausführung des Nichtigkeitsgrunds der Z. 9

lit a (sachlich auch Z. 10) des § 281 Abs 1 StPO darzutun müht, es sei ihm nicht bewußt gewesen, daß er durch sein Verhalten ein Geheimnis offenbare, dessen Offenbarung geeignet sei, ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse zu verletzen, ist ihm folgendes entgegenzuhalten:

Der zumindest bedingte Vorsatz muß sich darauf erstrecken, daß die geoffenbarte Tatsache ein Geheimnis und daß dessen Mitteilung an Dritte geeignet ist, ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse zu verletzen. Ein von einem solchen Vorsatz geleitetes Handeln des Angeklagten hat das Erstgericht in konzentrierter Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 2 StPO) ersichtlich als erwiesen angenommen (vgl. S. 95), ohne daß es der ausdrücklichen Erörterung der vom Angeklagten (nachträglich) ins Treffen geführten Umstände bedurfte. Schon daß der Beschwerdeführer wußte, er sei zum Wahlleiterstellvertreter bestellt, impliziert geradezu zwangsläufig, daß er durch eine Mitteilung von Wahrnehmungen betreffend die Stimmabgabe eines Wählers in einem bestimmten Sinn bewußt ein Amtsgeheimnis derart verletzte, daß dadurch das konkrete Recht des Wählers auf Geheimhaltung seines Wahlverhaltens beeinträchtigt wurde.

Der Sinn des geheimen Wahlrechts (Art. 26 B.-VG.) besteht darin, daß die Abgabe der Stimme in einer sowohl für die Wahlbehörde als auch für die Öffentlichkeit nicht erkennbaren Weise zu geschehen hat (Klecatsky, Das Österreichische Bundesverfassungsrecht2, Anm. 6 zu Art. 26 B.-VG.).

Auf Grund dieser verfassungsgesetzlichen Garantie besteht für jedermann ein berechtigtes privates Interesse daran, daß ohne seinen Willen niemand erfährt, in welchem Sinn er sein Wahlrecht ausgeübt hat. Jede, auch die geringste Mitteilung dem Wahlvorgang entnommener Tatsachen darüber, wie eine Person - wirklich oder vermeintlich - gewählt hat, verletzt darum das berechtigte Interesse dieses Wählers, unabhängig davon, ob aus der Offenbarung des Wahlgeheimnisses dem Wähler selbst oder einem anderen ein sonstiger Nachteil erwachsen kann.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Der Vollständigkeit halber und im Hinblick auf - freilich verspätete - Ausführungen der Verteidigung im Gerichtstag sei zum Verhältnis der § 268 und 310

StGB folgendes angemerkt: Es wäre nicht einzusehen, daß der Beamte, der sonst bei jeder Geheimnispreisgabe der Strafdrohung des § 310 StGB ausgesetzt ist, gerade und nur bei der Verletzung des Wahlgeheimnisses, eines Fundaments der demokratischen Staatsordnung, milder behandelt werden und bloß dem geringen Strafsatz des § 268 StGB

unterliegen sollte. Darum muß der Tatbestand des § 310 StGB als eine speziell für Beamte erlassene Strafvorschrift dem allenfalls konkurrierenden Tatbestand des § 268 StGB

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