OGH 9Os174/81

OGH9Os174/8112.1.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Jänner 1982

unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schlögl als Schriftführer in der Strafsache gegen Robert A wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach § 15, 127

Abs. 1, 129 Z. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21.August 1981, GZ. 3 d Vr 5637/81-38, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Friedberg und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die Berufung des Angeklagten wird zurückgewiesen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 17.Dezember 1947 geborene beschäftigungslose Robert A des Verbrechens des versuchten Diebstahls nach § 15, 127

Abs. 1, 129 Z. 1 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 (2. Fall) StGB (Punkt 2 und 3 des Urteilssatzes) schuldig erkannt, weil er in Wien am 26. Mai 1981 versuchte, fremde bewegliche Sachen, nämlich Modeschmuck im Wert von 600 S Verfügungsberechtigten der Boutique Christa durch Einbruch, nämlich Einschlagen einer Auslagenscheibe, mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern (Punkt 1 des Urteilssatzes) und andere der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzte, indem er sie von Amts wegen zu verfolgender mit Strafe bedrohter Handlungen falsch verdächtigte, wobei er wußte, daß die Verdächtigungen falsch waren und die fälschlich angelasteten Handlungen mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind, und zwar am 26. und 27.Mai 1981

Kurt Otto B durch die vor Beamten des Bezirkspolizeikommissariates Favoriten aufgestellte Behauptung, dieser habe gemeinsam mit einem unbekannten Täter den oben bezeichnete Diebstahlsversuch begangen, des Verbrechens des versuchten Einbruchsdiebstahls nach § 15, 127 Abs. 1, 129 Z. 1 StGB (Punkt 2 des Urteilssatzes) und am 27.Juli 1981 die Polizeibeamten Michael C, Hubert D und Richard E und andere im Bezirkspolizeikommissariat Favoriten tätige Beamte durch die Behauptung, sie hätten bei der Meldungslegung (bewußt) wahrheitswidrig angeführt, er habe am 26.Mai 1981 vor der Boutique Christa in Wien 10., Reumannplatz 18, ein Sakko, welches mit Glassplittern besetzt war, angehabt, des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB Das Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde lediglich insoweit, als ihm damit (zu Punkt 3 des Urteilssatzes) angelastet wurde, die oben erwähnten Polizeibeamten verleumdet zu haben.

In Ausführung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes vertritt der Beschwerdeführer sinngemäß die Ansicht, bei der Behauptung, zur Tatzeit (des ihm zur Last liegenden Einbruchsversuches) kein Sakko angehabt zu haben, habe es sich nur um eine (im Rahmen des ihm zustehenden Verteidigungsrechtes vorgebrachte) Schutzbehauptung gehandelt und überdies hätten sich seine bezüglichen Angaben auch nicht gegen eine bestimmte Person gerichtet.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Vorbringen ist jedoch zu erwidern, daß das Verteidigungsrecht eines Angeklagten dort endet, wo dessen Ausübung nicht mehr nur der eigenen prozessualen Verteidigung dient, sondern durch unmißverständliche Angaben konkreter Tatsachen Rechte anderer Personen verletzt (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, RN. 21

zu § 297 und die dort zitierte Judikatur; Pallin im Wiener Kommentar zum StGB, RN. 17 zu § 297). Gerade eine solche neue strafbedrohte Rechtsgutverletzung ließ sich aber der Angeklagte zuschulden kommen, weil er in seiner Verantwortung über das Vorbringen, zur Tatzeit kein Sakko angehabt zu haben, hinaus auch noch behauptete, dieses sei ihm unterschoben worden (vgl. S. 135), wobei es - der in der Beschwerde vertretenen Meinung zuwider -

nichts verschlägt, daß er diese Behauptung in aller Deutlichkeit erst über richterliches Befragen, 'ob er mit seinen Angaben andeuten wolle, daß der Beamte ihm das Sakko unterschoben habe', aufstellte. Nach Lage des Falles kann aber auch kein Zweifel daran bestehen, daß sich die Verdächtigung gegen den beschränkten Kreis der erhebenden Beamten und damit gegen ganz bestimmte Personen richtete, wogegen es einer namentlichen Bezeichnung der Verleumdeten nicht bedurfte (vgl. Leukauf-Steininger, Komm. z. StGB2, RN. 7 zu § 297; Pallin im Wiener Kommentar z. StGB, RN. 8 zu § 297). Auch der weitere Einwand der Nichtigkeitsbeschwerde, daß für die falsch verdächtigten Beamten von Anfang an (objektiv) keine Verfolgungsgefahr bestanden hätte, trifft nicht zu. Vielmehr war die in Rede stehende Falschbezichtigung wegen ihrer Konkretheit und angesichts der Unmöglichkeit, sie sofort als unwahr zu erkennen und zu entkräften, keineswegs von vornherein ungeeignet, eine taugliche Grundlage für Verfolgungsmaßnahmen gegen die in Frage kommenden Beamten abzugeben, was insbesondere auch darin zum Ausdruck kommt, daß die Hauptverhandlung zur überprüfung der bezüglichen Behauptung des Angeklagten und zur Beischaffung des Sakkos (vgl. S. 157) vertagt wurde, und daß die Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer nicht etwa sogleich auch wegen dieser Falschbezichtigung Anklage erhob, sondern ersichtlich vorerst erwog, daß umgekehrt unter Umständen auch eine Verfolgung der bezichtigten Beamten in Frage kommen könne, und die bezügliche Anklageausdehnung erst in der vertagten Hauptverhandlung nach Vernehmung mehrerer Zeugen zu dem in Rede stehenden Sachverhalt vornahm (vgl. S. 205- 211).

Da - von der Möglichkeit eines Versuchs ganz abgesehen - die tatsächliche Vornahme behördlicher Verfolgungsmaßnahmen zu einer Vollendung des Verbrechens nach § 297 Abs. 1 StGB nicht erforderlich ist und das Delikt bereits vollendet ist, wenn die Verdächtigung - wie im vorliegenden Fall - bei Kenntnisnahme durch die Behörde unter Zugrundelegung der Vorschriften der § 34 Abs. 1, 84 Abs. 1 und 87 Abs. 1 StPO die vom Täter (zumindest mit bedingtem Vorsatz) gewollte behördliche Verfolgung des Verdächtigten in den Bereich naher Wahrscheinlichkeit rückt (vgl. 13 Os 144/78 = ÖJZ-LSK. 1979/72, 73 - teilweise veröffentlicht in EvBl. 1979/152; 11 Os 96/80), war die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen.

Auf die vom Angeklagten neben seiner Nichtigkeitsbeschwerde eingebrachten weiteren, direkt an den Obersten Gerichtshof gerichteten Schreiben war nicht einzugehen, weil das Gesetz nur die Ausführung einer einzigen Rechtsmittelschrift kennt. Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 129 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die einschlägigen - auch die Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllenden - Vorstrafen des Angeklagten, das Zusammentreffen zweier Verbrechen und die Wiederholung der Verleumdung, als mildernd den Umstand, daß es beim Diebstahl beim Versuch blieb.

Der Angeklagte meldete gegen dieses Urteil sogleich nach dessen Verkündung (auch) Berufung an, ohne hiebei jene Punkte des Strafausspruches zu bezeichnen, durch die er sich beschwert erachtete. Er führte in der Folge die Berufung nicht aus. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 294 Abs. 4 StPO).

Die Staatsanwaltschaft strebt in ihrer gegen das erstgerichtliche

Urteil gerichteten Berufung die Erhöhung der über den Angeklagten

verhängten Freiheitsstrafe an.

Dieser Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Es trifft zwar zu, daß dem Angeklagten überdies auch ein rascher Rückfall als erschwerend hätte zugerechnet werden sollen; er wurde nämlich erst am 9.Jänner 1981

aus der letzten über ihn unter anderem wegen Diebstahls verhängten gravierenden Freiheitsstrafe entlassen. Dennoch erscheint in Anbetracht des Umstandes, daß vorliegend der Diebstahl beim Versuch blieb und die beiden Verleumdungsfakten für die jeweils Verleumdeten keinen Schaden herbeiführten, das vom Erstgericht gefundene Strafausmaß durchaus dem Unrechtsgehalt der strafbaren Handlungen und dem Verschulden des Angeklagten angepaßt. Der Berufung der Anklagebehörde war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.

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