OGH 11Os182/81

OGH11Os182/8111.1.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Jänner 1982

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Fabrizy als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz A und einen anderen wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den § 142 Abs. 1, 143 (erster und dritter Fall) StGB über die vom Angeklagten Franz A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 15.Oktober 1981, GZ. 20 Vr 1.850/81-40, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Posch und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf sieben Jahre herabgesetzt wird. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Franz A und Harald B auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubes nach den § 142 Abs. 1, 143 (erster und dritter Fall) StGB schuldig erkannt.

Den Schuldspruch bekämpft lediglich der Angeklagte Franz A mit einer

auf die Z. 6 und 12 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Unter dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund rügt er zunächst zu Unrecht das Unterbleiben einer nach dem Vorliegen eines Zustandes der Zurechnungsunfähigkeit gerichteten Zusatzfrage im Sinn des § 313 StPO Dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen zufolge war der Beschwerdeführer (ersichtlich auch) zur Tatzeit geistig gesund, verfügte über eine zwar bescheidene, aber noch dem unteren Normbereich zurechenbare Intelligenzkapazität und war aus forensisch-psychiatrischer Sicht als zurechnungsfähig anzusehen. Die Durchführung des Hamburg-Wechsler' schen-Intelligenztests durch den Sachverständigen erbrachte zwar im sogenannten Verbalteil einen unter der Debilitätsgrenze von 76 gelegenen Wert von (nur) 72, im Wortschatztest jedoch eine Bewertung von 87 und im sogenannten Handlungsteil, das ist der Bereich der praktisch-manuellen Begabung, einen Wert von 102, welcher 'normalem Durchschnitt' entspricht. Nach dem Gesamtergebnis des Tests erreicht der Intelligenzquotient des Beschwerdeführers den Wert von 86 (ON. 17, S. 161, 171, 173, ON. 39 S. 277 d.A.). Wenn die Beschwerde davon ausgeht, daß nach dem psychiatrischen Gutachten für den verfahrensgegenständlichen Handlungsentschluß des Beschwerdeführers ausschließlich jener Intelligenz(teil-)-

bereich maßgeblich sei, den der Sachverständige mit (nur) 72 bewertete, also der sogenannte Verbalteil des Intelligenztestes, so findet diese Beschwerdebehauptung im Akteninhalt keine Deckung. Ein in diesem Zusammenhang gestellter Protokollsergänzungsantrag des Beschwerdeführers wurde vom Erstgericht abgewiesen (ON. 49 d.A.). Hat der psychiatrische Gutachter unter Verwertung der gesamten Ergebnisse seiner Exploration und sämtlicher von ihm durchgeführter Tests aber einen Schwachsinn des Beschwerdeführers verneint und die Frage der Zurechnungsfähigkeit bejaht, dann kann es keinem Zweifel unterliegen, daß er damit nicht nur das Vorliegen der Diskretionsfähigkeit, sondern auch der in der Beschwerde negierten Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers, als kumulative - und losgelöst von der Frage des Schwachsinns allein maßgebliche (Leukauf-Steininger2, RN. 8 zu § 11 StGB) - Kriterien der Zurechnungsfähigkeit bestätigte. Für die Frage der Dispositionsfähigkeit ist es, entgegen der Beschwerdeauffassung, auch ohne Bedeutung, daß der Angeklagte seinen Entschluß, Gewalt anzuwenden, allenfalls erst im Zug des Ablaufes des Vorfalles faßte, weil ein solcherart spontaner Willensentschluß nichts über ein Fehlen des Steuerungs- oder Hemmungsvermögens des Täters, somit die Dispositionsfähigkeit, auszusagen vermag.

Rechtliche Beurteilung

Nach den Verfahrensergebnissen bestand somit - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt - zur Stellung der reklamierten Zusatzfrage in der Richtung einer Zurechnungsunfähigkeit kein Anlaß, weshalb insofern keine Nichtigkeit nach der Z. 6 des § 345 Abs. 1 StPO bewirkende Verletzung von Vorschriften über die Fragestellung vorliegt.

Gleiches gilt im Ergebnis für die vom Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge ausdrücklich unter dem erwähnten Nichtigkeitsgrund relevierte Unterlassung einer Fragestellung wegen Zufügung der Verletzung im Bereich des Ellenbogens des Opfers.

Vorerst ist diese - neben anderen Verletzungen für die Deliktsqualifikation des schweren Raubes nach dem dritten Fall des § 143 StGB bedeutsame - körperliche Beschädigung - zulässigerweise - von der Hauptfrage umfaßt, und es wäre den Geschwornen auch freigestanden, die Hauptfrage unter Ausschaltung etwa dieses deliktsqualifizierenden (Teil-) Umstandes zu beantworten (§ 330 Abs. 2 StPO). Entgegen dem Beschwerdeeinwand ändert es an dem für die Zurechnung des erwähnten Verletzungserfolges im Sinn der genannten Deliktsqualifikation erforderlichen deliktsspezifischen Zusammenhang (vgl. Kienapfel, BT II, RN. 41 zu § 143 StGB) mit den Gewalthandlungen des Beschwerdeführers und seines Komplizen auch nichts, wenn die Verletzung am Ellenbogen nicht durch einen Schlag gegen das Opfer, sondern, wie dies das gerichtsmedizinische Gutachten für möglich hält (S. 279 d. A.), durch einen Sturz im Zug des überfalles entstanden sein sollte. Wurde doch nach der eigenen Verantwortung des Beschwerdeführers das Opfer 'zu Boden gerissen' (S. 270 d.A.). Ob dies durch den Beschwerdeführer oder seinen Komplizen geschah, ist aber angesichts der wechselseitigen Haftung der, wie vorliegend gar nicht bestritten wird, durch ihre Anwesenheit und ihre Handlungen am Tatort auch bei der Gewaltanwendung einander unterstützenden Gesellschaftstäter unerheblich (Leukauf-Steininger2, RN. 17 zu § 143 StGB).

Geht die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Franz A im bisher behandelten Umfang fehl, so versagt sie schließlich auch, soweit sie aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 12 des § 345 Abs. 1 StPO eine rechtsirrige Annahme der Deliktsqualifikation des schweren Raubes nach dem dritten Fall des § 143 StGB darzutun sucht. Diese Qualifikation setzt in objektiver Beziehung voraus, daß durch die Gewaltanwendung 'jemand' (das kann das Raubopfer oder auch eine von diesem und den Tätern verschiedene Person sein /Kienapfel a. a.O., RN. 40 /) im Sinn des § 84 Abs. 1 StGB eine an sich schwere Verletzung oder Gesundheitsschädigung erleidet oder die mit der Verletzung verbundene Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit länger als 24 Tage dauert. Subjektiv ist für die Zurechnung der schweren Folge wenigstens Fahrlässigkeit erforderlich (§ 7 Abs. 2 StGB; vgl. Leukauf-Steininger2, RN. 14 zu § 143 StGB u.a.). In seinen die subjektive Zurechenbarkeit gar nicht bestreitenden Beschwerdeausführungen verkennt der Angeklagte A, daß nach dem Wahrspruch der Geschwornen (in übereinstimmung mit dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen, S. 279 d.A.) die mit den näher bezeichneten Verletzungen verbundene Gesundheitsschädigung 24 Tage überstieg, sohin schon deshalb objektiv die Deliktsqualifikation nach dem dritten Fall des § 143 StGB gegeben ist. Im übrigen ist der Beschwerde, die den Grad der einzelnen Verletzungen, isoliert betrachtet, als nur leicht beurteilt wissen will, zu entgegnen, daß jedenfalls alle Verletzungen in ihrer Gesamtheit nicht bloß vom medizinischen Standpunkt (vgl. das Gutachten ON. 23 bzw. ON. 39, S. 278 f.d.A.), sondern auch in rechtlicher Hinsicht als schwer anzusehen sind. Dies folgt bei der gebotenen ganzheitlichen Betrachtungsweise (vgl. Kienapfel, BT I, RN. 339) aus der Wichtigkeit der verletzten Organe und Körperteile, aus der Erheblichkeit ihrer Funktionseinbuße und des gesundheitlichen Nachteiles sowie aus den aufgetretenen Folgeerscheinungen; im konkreten Fall somit aus der Verletzung am Ellenbogen, die operativ versorgt werden mußte und das Tragen einer Gipsschiene durch neun Tage erforderte, aus dem Abbruch des ersten rechten oberen Schneidezahnes, und aus der neben der Lockerung der beiden Schneidezähne im linken Oberkiefer sowie des zweiten bis vierten Zahnes des rechten Oberkiefers bewirkten traumatischen Beeinträchtigung des fünften Zahnes im rechten Oberkiefer, welche eine Kieferentzündung in diesem Bereich zur Folge hatte und eine Wurzelsanierung nötig machte.

Da sohin auch der Annahme schweren Raubes nach dem dritten Fall des § 143 StGB kein Rechtsirrtum anhaftet, war die zur Gänze unberechtigte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen. Das Erstgericht verhängte über Franz A nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es bei diesem Angeklagten die zweifache Qualifikation der Tat zum schweren Raub, die Ausnützung der Hilflosigkeit des erheblich alkoholisierten Wolfgang C, den Umstand, daß dieser nicht nur eine an sich schwere Verletzung erlitt, sondern auch 'an der Gesundheit mehr als 24 Tage geschädigt war', die besondere Brutalität bei der Raubbegehung, die einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall und den Umstand als erschwerend, daß Franz A an der Tat führend beteiligt war. Als mildernd berücksichtigte es demgegenüber das volle und reumütige Geständnis, den Umstand, daß A zur Tatzeit das 21.Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und seine intellektuelle Minderbegabung. Franz A strebt mit seiner Berufung eine Herabsetzung des Freiheitsstrafmaßes an.

Die Berufung ist begründet.

Das Erstgericht stellte die gegebenen Strafzumessungsgründe zwar im wesentlichen zutreffend und vollständig fest, maß jedoch den erschwerenden Umständen etwas zu großes Gewicht bei. Auch im Vergleich mit der beim Mitangeklagten Harald B gefundenen Strafe von fünf Jahren erweist sich daher im Fall des Franz A eine maßvolle Reduzierung der Strafhöhe auf das tatschuldadäquate Ausmaß von sieben Jahren als geboten.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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