OGH 10Os157/81

OGH10Os157/8115.12.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Dezember 1981

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hoch als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Leonhard (Hans Christian) A wegen Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1, 15

StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 22.Juli 1981, GZ. 29 Vr 286/80-51, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Csokay, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil - das im Schuldspruch wegen Vergehens der Nötigung nach § 105 (Abs. 1) StGB (Faktum II) unberührt bleibt - in seinem (weiteren) Schuldspruch wegen Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302, 15 StGB (Faktum I) sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang dieser Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

2. Im übrigen (siehe den laut Punkt 1 aufrecht bleibenden Teil des Schuldspruchs) wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

3. Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

4. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen - unbekämpft gebliebenen - Teilfreispruch enthaltenden) Urteil wurde der am 14.Jänner 1942 geborene Arzt Dr. Leonhard (Hans Christian) A (I.) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302

(Abs. 1), 15 StGB und (II.) des Vergehens der Nötigung nach § 105 (Abs. 1) StGB schuldig erkannt, weil er (inhaltlich des Schuldspruchs) in Innsbruck (zu I.) zwischen Ende April 1977 und 8. Juni 1979

als Vertrags-Polizeiarzt der Bundespolizeidirektion Innsbruck mit dem Vorsatz, andere an ihren Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbrauchte, daß er ihm im Rahmen seiner polizeiärztlichen Tätigkeit zur Untersuchung der Fahrtauglichkeit vorgeführte Personen zur Bezahlung eines ärztlichen Honorars im Betrag von je 864 S in jeweils sechs Fällen verleitete oder zu verleiten suchte, und (zu II.) im Juli 1981 in Mils Hans B durch die Äußerung, er habe Beziehungen zur Polizei, er brauche dort nur ein Wort wegen eines von B im Zustand der Alkoholisierung begangenen Verkehrsunfalles zu sagen und jener müsse um seinen Führerschein bangen, zu einer Handlung, nämlich zur Abfassung einer schriftlichen Erklärung nötigte, wonach seine seinerzeitige Anzeige gegen Dr. A auf einem Irrtum beruhe und er sie zurückziehe. Der Angeklagte bekämpft diese Schuldsprüche mit einer auf die Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Lediglich zum Faktum I kommt der Rechtsrüge insoweit Berechtigung zu, als sie den Schuldspruch nach § 302 (Abs. 1), 15 StGB wegen des Fehlens eines Befugnismißbrauchs als verfehlt bekämpft. Entscheidendes Kriterium für einen Amtsmißbrauch ist das Bestehen einer Befugnis des Beamten, namens des Rechtsträgers als dessen Organ (in Vollziehung der Gesetze) Amtsgeschäft vorzunehmen. Befugnis ist rechtliches Dürfen, mithin Erlaubnis zur Vornahme bestimmter Geschäfte, im gegebenen Zusammenhang Erlaubnis zur Vornahme von Amtsgeschäften (Steininger, Die Amtsdelikte im StGB, ÖJZ. 1980 S. 480).

Im vorliegenden Falle zählte nach den Urteilskonstatierungen die Feststellung des Alkoholisierungsgrades (und damit der Fahrtauglichkeit) von Kraftfahrzeuglenkern zu den Aufgaben des Angeklagten in seiner Eigenschaft als Polizeiarzt. Hiezu war er auf Grund seiner Stellung befugt, nicht hingegen zu der ihm als deliktische Handlungsweise angelasteten Einforderung von ihm angeblich dafür zustehender ärztlicher Honorare. Dabei konnte er nicht in Ausübung einer (ihm insoweit gar nicht zustehenden) Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften (für die er ohnedies in anderer Form entlohnt wurde) handeln und daher auch keine Amtsgewalt mißbrauchen. Eine Subsumtion der Handlungsweise des Angeklagten unter § 302 Abs. 1

StGB scheidet demnach aus. Ob allerdings (entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, der auch ein betrügerisches Vorgehen negiert wissen will) nicht (doch) eine Unterstellung (im Sinne der Anklage) unter die § 146, 147 Abs. 2 StGB Platz greift, kann derzeit noch nicht (verläßlich) beurteilt werden. Schon darüber, inwieferne und aus welchen Gründen gegenständlichenfalls die übersendung von (privaten) Honorarnoten an verschiedene, vom Angeklagten im Rahmen seiner polizeilichen Tätigkeit untersuchte Personen die - allerdings durchaus denkbare und sogar naheliegende - (stillschweigende) Behauptung enthielt, daß er zur Geltendmachung des Honoraranspruchs berechtigt sei, und sohin bei den Empfängern durch Vortäuschung dieser Tatsache der falschen (zu ihrer Schädigung führenden) Vorstellung Eingang verschafft wurde, dem Angeklagten stünden aus den bezüglichen Untersuchungen persönliche Honorarforderungen zu, gibt das angefochtene Urteil keinen hinreichenden Aufschluß. Außerdem bezieht sich das Urteil zur Widerlegung der namentlich in subjektiver Hinsicht leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers - wie von diesem in sachlich als (begründete) Mängelrüge (Z. 5) zu wertenden - Ausführungen (im Rahmen einer - ansonsten vom Verteidiger beim Gerichtstag zurückgezogenen - unzulässigen Schuldberufung) aufgezeigt wird -

mehrfach auf Verfahrensergebnisse die nicht Gegenstand der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung und deshalb keine Urteilsgrundlage waren (§ 258 Abs. 1 StPO). Es war daher das Urteil in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde, hinsichtlich derer sich ein Eingehen auf das sonstige Vorbringen zum Faktum I erübrigte, in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfange aufzuheben sowie eine Verfahrenserneuerung anzuordnen.

Fehl geht die Nichtigkeitsbeschwerde, soweit mit der Rechtsrüge der Schuldspruch wegen Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (Punkt II des Urteilssatzes) bekämpft wird.

Auszugehen ist von der Urteilsfeststellung, daß der Beschwerdeführer die gegenüber Hans B gebrauchte Äußerung, er könne auf Grund seiner Beziehungen zur Polizei veranlassen, daß B (wegen von ihm im Zustande der Trunkenheit verschuldeter Verkehrsunfälle) der Führerschein entzogen werde (S. 46/III), als Druckmittel zu dem Zweck einsetzte, den Bedrohten zur Abgabe einer (schriftlichen) Erklärung zu bestimmen, wonach er die gegen den Beschwerdeführer erstattete Anzeige zurückziehe (S. 48/III).

Soweit die Beschwerde demgegenüber behauptet, der Angeklagte habe dem Zeugen B (nur) mit einer Anzeige 'wegen Alkoholmißbrauch' gedroht, und dies zu Recht, weil der Genannte bei ihm in ärztlicher Behandlung gestanden sei, eine Urteilsfeststellung darüber aber fehle, daß der Angeklagte durch diese Äußerung B zur Abgabe der erwähnten Erklärung nötigte, hält sie nicht an den Urteilskonstatierungen fest und bringt den behaupteten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund darum nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Insoweit aber der Beschwerdeführer - wie der Rechtsmittelschrift entnommen werden könnte - den Standpunkt einnimmt, diese Mittel-Zweck-Beziehung müsse sich aus dem Wortlaut der drohenden öußerung selbst ergeben, ist diese Auffassung unrichtig.

Denn es genügt durchaus, wenn der Zusammenhang zwischen Drohung und gefordertem Verhalten - im Sinne der Annahme des Erstgerichts im vorliegenden Fall - dem Willen des Täters entsprechend auf andere für den Bedrohten erkennbare Weise, insbesondere dadurch, daß die Drohung unmittelbar vor dem Ansinnen nach einer bestimmten Handlung, Duldung oder Unterlassung geäußert wird, zur Kenntnis des Opfers gelangt.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Aufhebung des (in erster Instanz zu erneuernden) Strafausspruchs zu verweisen.

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