OGH 11Os151/81

OGH11Os151/8125.11.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. November 1981

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hoch als Schriftführer in der Strafsache gegen Ivan A und andere wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von den Angeklagten Ivan A, Zorka B und Milan C gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 18. März 1981, GZ. 20 Vr 5100/80-86, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Paunovic, Dr. Schöner und Dr. Gstettner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Karolus zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung des Angeklagten A wird nicht Folge gegeben. Den Berufungen der Angeklagten Zorka B und Milan C wird dahin Folge gegeben, daß die über diese Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen auf je 2 1/2 (zweieinhalb) Jahre herabgesetzt werden. Gemäß dem § 390 a StPO fallen allen Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 17. April 1950 geborene, zuletzt beschäftigungslose Ivan A des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs 1, 143, zweiter Fall, StGB. und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs 1 StGB., sowie die am 12. September 1953 geborene Serviererin Zorka B und der am 22. August 1953 geborene, zuletzt beschäftigungslose Milan C des Verbrechens des versuchten schweren Raubes als Beteiligte nach den §§ 12, 15, 142 Abs 1, 143, zweiter Fall, StGB. schuldig erkannt.

Ihnen liegt zur Last, am 28. Mai 1980 in Wien I.) Ivan A 1.) indem er Anna D mit einem Gastrommelrevolver in Schach hielt, 'Geld her' rief, ihr einen Schlag ins Gesicht versetzte, sie in den Schwitzkasten nahm und zu Boden drückte, aus dem Gasthaus in die anschließende Wohnung zerrte und aufforderte, ein Sackerl zu holen und das ganze Geld hineinzulegen, worauf Anna D, welche durch diese Vorgangsweise ein Hämatom am rechten unteren Augenlid und Hautabschürfungen an den Ellenbogen erlitten hatte, Münzgeld im Betrag von etwa 10.000 S sowie einige Zwangzigschillingnoten in einen Sack gab, versucht zu haben, mit Gewalt gegen eine Person sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld im Betrag von mehr als 10.000 S, mit dem Vorsatz wegzunehmen bzw. abzunötigen, durch deren Zueignung sich sowie Zorka B und Milan C unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub(-versuch) unter Verwendung einer Waffe verübte;

2.) Anna D durch die Äußerung 'Du hast mich erkannt, ich muß Dich jetzt töten, ich muß Dich umbringen, weil Du mich erkannt hast, ich brauche kein Geld mehr' gefährlich bedroht zu haben, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

II.) Zorka B als Beteiligte (§ 12 StGB) zur Ausführung der unter I./1. angeführten Tat beigetragen zu haben, indem sie in Kenntnis davon, daß Ivan A sich zwecks Durchführung des Raubes im WC des Lokals versteckt hatte, die Eingangstür des Lokals versperrte und es unterließ, Anna D vom Vorhaben des A zu verständigen; III. Milan C als Beteiligter (§ 12 StGB) zur Ausführung der unter I./1. angeführten Tat beigetragen zu haben, indem er Ivan A zusagte, er werde ihm signalisieren, wann er ungesehen das Lokal der Anna D betreten könne, und ihm auch tatsächlich das vereinbarte Zeichen gab, worauf Ivan A von Anna D ungesehen in das Lokal trat. Dieser Schuldspruch erging auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen, welche in Ansehung des Angeklagten Ivan A die auf versuchten schweren Raub lautende Hauptfrage 1 stimmeneinhellig bejaht, die ihnen hiezu gestellte Zusatzfrage 1 betreffend Rücktritt vom Versuch mit fünf Stimmen nein sowie drei Stimmen ja mehrheitlich verneint und die auf gefährliche Drohung lautende Hauptfrage 2 mit Ausnahme der Todesdrohung mit sieben Stimmen ja sowie einer Stimme nein mehrheitlich bejaht hatten, und auch in Ansehung der Angeklagten Zorka B und Milan C die auf Beteiligung am versuchten schweren Raub lautenden Hauptfragen 3 und 4 jeweils stimmeneinhellig (einschränkend) im Sinn eines sonstigen Tatbeitrags entsprechend dem dritten Fall des § 12 StGB bejahten.

Gegen das Urteil erhoben alle drei Angeklagten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Keiner der Nichtigkeitsbeschwerden kommt Berechtigung zu. Der Angeklagte Ivan A wendet sich in seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Ziffern 6 und 9 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Beschwerde nur gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens des versuchten schweren Raubes (Punkt I 1 des Urteilssatzes); den Schuldspruch wegen Vergehens der gefährlichen Drohung (Punkt I 2 des Urteilstenors) läßt er unbekämpft. Einen Mangel der Fragestellung im Sinn des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die den Geschwornen wegen Rücktritts vom Versuch gestellte Zusatzfrage 1, ob Ivan A freiwillig den Erfolg abgewendet habe, nicht dahingehend erweitert bzw. konkretisiert wurde, ob Ivan A freiwillig die Ausführung aufgegeben habe; denn auf Grund der Verfahrensergebnisse habe er von der weiteren Ausführung Abstand genommen, obwohl es ihm ein Leichtes gewesen wäre, die Tat zu vollenden.

Doch selbst wenn man dem Beschwerdeführer darin beipflichtet, daß eine Ausdehnung der Zusatzfrage auf freiwillige Aufgabe der Ausführung der Sachlage entsprochen hätte, so ist doch unzweifelhaft erkennbar, daß auch die vom Schwurgerichtshof gewählte Fassung auf die Entscheidung keinesfalls einen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 345 Abs 3 StPO).

Bei freiwilliger Aufgabe der Ausführung und freiwilliger Abwendung des Erfolges im Sinn des § 16 Abs 1 StGB handelt es sich nämlich um zwei rechtlich gleichwertige Alternativen des strafbefreienden Rücktritts vom Versuch, deren Anwendungsfälle sich vor allem aus dem jeweiligen Stadium des betreffenden Versuchs ergeben, welches bei Raub unter den Gesichtspunkten eines Wegnehmens oder eines Abnötigens allenfalls sogar unterschiedlich zu beurteilen sein kann. In bezug auf den (einzigen) unmittelbaren Täter sind aber freiwillige Aufgabe der Ausführung und - dadurch bedingte - freiwillige Abwendung des Erfolges auch im Fall eines unbeendeten Versuchs (siehe hiezu Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch2, RN 6 ff.

zu § 16) faktisch gleichzusetzen.

Daß den Geschwornen im Zusammenhang mit der Frage des (freiwilligen)

Rücktritts vom Versuch eine unrichtige Rechtsbelehrung erteilt

worden wäre (§ 345 Abs 1 Z. 8 StPO), wird vom Angeklagten A gar nicht behauptet.

Zu einer derartigen Rüge bäte die Rechtsbelehrung, in der zutreffend dargelegt wird, daß die Abstandnahme von der Vollendung zur Gänze aus freien Stücken, frei von psychischem oder physischem Zwang, geschehen muß, auch keine Handhabe.

Ebensowenig gegeben ist die vom Angeklagten A aus dem Grund des § 345 Abs 1 Z. 9 StPO gerügte Unvollständigkeit des Wahrspruchs, weil sich die Geschwornen bei der Beantwortung der Zusatzfrage 1 ohnehin auch mit der Frage eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch beschäftigten. Im übrigen müßte ein derartiger Mangel aus dem Wahrspruch selbst hervorgehen und dürfte nicht - wie es der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das 'Ergebnis der Hauptverhandlung' unternimmt - aus den Ergebnissen des Beweisverfahrens abgeleitet werden (vgl. Mayerhofer/Rieder II/2 Entscheidungen Nr. 6 und 7 zu § 345 Z. 9 und Nr. 11 zu § 332 StPO). Die Angeklagte Zorka B stützt ihre Nichtigkeitsbeschwerde auf die Nichtigkeitsgründe der Ziffern 4

und 8 des § 345 Abs 1 StPO, macht aber der Sache nach auch jenen der Z. 6 dieser Gesetzesstelle geltend.

Unter Anrufung des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes vermeint sie, es könne zumindest nicht ausgeschlossen werden, daß entgegen der Vorschrift des § 329 StPO die Abstimmung der Geschwornen in Anwesenheit eines Richters stattgefunden habe. Daß dies tatsächlich der Fall gewesen wäre, vermag die Beschwerdeführerin jedoch in keiner Weise zu belegen.

Die von der Beschwerdeführerin sowohl unter der Z. 4 als auch unter der Z. 8 des § 345 Abs 1 StPO relevierten Verletzungen der Vorschriften des § 327 Abs 1

und Abs 2 StPO, denen zufolge den Geschwornen eine ergänzende Belehrung vom Vorsitzenden in Gegenwart sämtlicher Mitglieder des Schwurgerichtshofs zu erteilen, die Belehrung zu Protokoll zu nehmen und das Protokoll dem Hauptverhandlungsprotokoll anzuschließen ist, stehen nicht unter Nichtigkeitssanktion (vgl. Mayerhofer/Rieder II/2 Entscheidungen Nr. 1 und 2 zu § 327 StPO). Tatsächlich wird es sich bei einer solchen 'Belehrung' im allgemeinen nur um eine weitere 'Besprechung' im Sinn des § 323 Abs 2 StPO handeln, deren Inhalt gleichfalls nicht zum Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde gemacht werden kann (vgl. Mayerhofer/ Rieder II/2 Entscheidung Nr. 1 zu § 323 StPO). Zudem ergibt sich aus der Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls ON. 110 d.A., daß ohnehin alle Mitglieder des Schwurgerichtshofs bei der ergänzenden Belehrung anwesend waren.

Mit der Rüge, daß eine Eventualfrage in Richtung Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung (§ 286 Abs 1 StGB) zu stellen gewesen wäre, macht die Angeklagte B der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z. 6 des § 345 Abs 1 StPO geltend. Dabei übersieht die Beschwerdeführerin jedoch, daß eine bezügliche Eventualfrage ohnehin gestellt wurde (siehe Eventualfrage 8, laufende Nummer 12 des Fragenschemas).

Als unbegründet erweist sich auch der Vorwurf betreffend Unverständlichkeit der Rechtsbelehrung zur Frage eines excessus mandati. Denn dieser lateinische Ausdruck wird lediglich den auch für einen juristischen Laien ohneweiters verständlichen Ausführungen über den Umfang der Haftung des Bestimmungs- oder Beitragstäters im Fall einer Überschreitung des Tatplans seitens des unmittelbaren (zur Ausführung der strafbaren Handlung bestimmten) Täters hinzugefügt.

Vom Angeklagten Milan C wird unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 12 des § 345 Abs 1 StPO geltend gemacht, daß das Geschwornengericht im Verhalten des Angeklagten A zu Unrecht einen strafbaren (Raub-)Versuch erblickt habe; gehe man nämlich von der Verantwortung des letzteren aus, könne kein Zweifel darüber bestehen, daß A freiwillig von der versuchten Straftat zurückgetreten ist, die er ohneweiters hätte vollenden können. Ein freiwilliger Rücktritt des Haupttäters komme aber auch dem Angeklagten C zugute.

Diese Rüge ist zunächst insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt, als der vom Beschwerdeführer angerufene materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund nur unter Festhalten an den durch den Wahrspruch - auch hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes - festgestellten Tatsachen zu gesetzmäßiger Darstellung gebracht werden kann. Die Geschwornen haben aber durch Verneinung der (freiwilligen) Rücktritt vom Versuch betreffenden Zusatzfrage 1 zum Ausdruck gebracht, daß sie die ihnen in der Rechtsbelehrung erläuterten Voraussetzungen für die Annahme jenes Strafaufhebungsgrundes nicht für gegeben erachteten.

Davon abgesehen wäre dem Angeklagten C auch ein freiwilliger Rücktritt des unmittelbaren Täters vom Versuch keineswegs zustatten gekommen. Denn der Strafaufhebungsgrund des § 16 StGB ist in einem solchen Fall nur einem Beteiligten zuzubilligen, der (auch) selbst durch sein Eingreifen die Haupttat bzw. deren Vollendung verhindert oder doch zum Rücktritt des Haupttäters beigetragen hat (ÖJZ-LSK 1981/135). Dies wird aber vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Das Erstgericht verhängte über die Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB (teils unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB) Freiheitsstrafen in der Dauer von fünf Jaren (A), drei Jahren (B) und vier Jahren (C). Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend bei Ivan A das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, das brutale Vorgehen und die Verletzung des Tatopfers, bei B und C die Ausnützung der Kenntnisse auf Grund der Berufstätigkeit der B und zog als mildernd bei allen Angeklagten den Umstand, daß es beim Versuch des Raubes blieb, darüberhinaus bei A die geständige Verantwortung, die auch zur Überführung anderer Beteiligter beitrug, bei B und C deren Unbescholtenheit, den bloßen Tatbeitrag und schließlich bei B allein auch noch deren Abhängigkeit von C in Betracht.

Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten eine Strafermäßigung an.

Nur die Berufungen der Angeklagten B und C sind berechtigt. Die angeführten Strafzumessungsgründe bedürfen insoweit einer Korrektur, als von einem besonders zu würdigenden brutalen Vorgehen des Angeklagten A nicht gesprochen werden kann. Ebenso verfehlt war die Heranziehung des den Angeklagten B und C angelasteten Erschwerungsgrundes. Anderseits müssen aber der Angeklagte A eine einschlägige Vorstrafe und die Angeklagte B den Vertrauensbruch gegenüber ihrer Dienstgeberin als erschwerend gegen sich gelten lassen. Für eine vom Erstangeklagten für sich reklamierte ins Gewicht fallende Verleitung zur Tat durch einen anderen bieten indes die Verfahrensergebnisse keinen Anhalt, zumal der Erstangeklagte selbst eingestand, daß die Idee zu einer Straftat (Einbruchsdiebstahl) zum Nachteil der Anna D möglicherweise von ihm stammte (S. 471 Band I d.A.).

Unter all diesen (zum Teil veränderten) Gesichtspunkten besteht zwar einerseits keine Rechtfertigung für eine außerordentliche Milderung (§ 41 StGB) der über den Angeklagten A in einem der Untergrenze der gesetzlichen Strafdrohung entsprechenden Ausmaß verhängten Freiheitsstrafe, weswegen seine Berufung erfolglos bleiben mußte. Anderseits konnten aber die über die beiden Angeklagten B und C verhängten Sanktionen des Freiheitsentzuges (entsprechend dem Unrechts- und Schuldgehalt ihres Tatanteiles) etwas gemäßigt werden, wobei eine Differenzierung - wie sie die erste Instanz für erforderlich hielt - nach den Umständen des Falles nicht berechtigt erscheint. Die der Angeklagten B zugute gehaltene gewisse Abhängigkeit vom Angeklagten C, die für ihr deliktisches Verhalten mitbestimmend war, wird nämlich durch den Treuebruch gegenüber dem Tatopfer zumindest aufgewogen.

Mithin war insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

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