OGH 9Os150/81

OGH9Os150/8110.11.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. November 1981

unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schlägl als Schriftführer in der Strafsache gegen Maria A wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4 StGB über die von der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14. Juli 1981, GZ 10 Vr 501/80-38, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Niebauer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten wird verworfen. Hingegen wird das bezeichnete Strafverfahren teilweise, und zwar im Urteilsfaktum 1 a, gemäß § 362 Abs 1 Z 1 StPO im außerordentlichen Wege wieder aufgenommen. Das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im genannten Faktum hinsichtlich des Schuldspruchs der Angeklagten wegen des Diebstahls eines Geldbetrages von 15.000 S sowie im gesamten Strafausspruch (einschließlich der Aussprüche über die Gewährung bedingter Strafnachsicht und über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und gemäß § 362 Abs 1 StPO mit Zustimmung der Generalprokuratur sofort folgendes Urteil geschäpft:

Maria A ist schuldig, sie hat in der Neurochirurgischen Klinik des Landeskrankenhauses Graz von Anfang 1978 bis zum 31. Juli 1978 dem Doz. Dr. Peter B in ca zehn Angriffen fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Geldbetrag von insgesamt mindestens 10.000 S mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Hingegen wird sie von der wider sie erhobenen Anklage, dem Doz. Dr. Peter B im genannten Zeitraum in ca fünf weiteren Angriffen weitere 5.000 S mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für das ihr nach diesem Schuldspruch und nach dem unberührt bleibenden Teil des Urteils weiterhin zur Last fallende Vergehen des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4 StGB wird die Angeklagte gemäß § 128 Abs 1

StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 (fünf) Monaten verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 38 StGB wird die im Verfahren 10 Vr 905/81

des Landesgerichtes für Strafsachen Graz erlittene Vorhaft vom 18. März 1981, 13,50 Uhr bis 12. Juni 1981, 10,30 Uhr, auf die verhängte Strafe angerechnet.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihr auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 21. März 1938 geborene Maria A (im zweiten Rechtsgang abermals, jedoch ohne Annahme der Gewerbsmäßigkeit) des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4 StGB schuldig erkannt.

Darnach hatte sie in der Neurochirurgischen Klinik des Landeskrankenhauses Graz fremde bewegliche Sachen, nämlich nachangeführte Geldbeträge, den folgenden Berechtigten mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und zwar 1.) dem Doz. Dr. Peter B a) von Anfang 1978 bis zum 31. Juli 1978 in ca 15 Angriffen 15 x 1.000 S, sohin 15.000 S;

  1. b) am 1. August 1978 1.000 S;
  2. c) am 26. Juli 1979 1.300 S;
  3. d) von Anfang bis Mitte Oktober 1979 1.000 S;

    2.) aus dem Umkleideraum im zweiten Stock der Visnja C a) im Mai 1979 50 S;

    b) im Juni 1979 30 S;

    1. 3.) am 5. Juni 1979 der Heide D 100 S;
    2. 4.) im November 1979 der Helene E 100 S;
    3. 5.) im Dezember 1979 der Helene E eine Geldbärse im Werte von 200 S sowie einen Bargeldbetrag von 500 S;
    4. 6.) am 18. Jänner 1980 dem Prof. Gregor F 2.000 S;
    5. 7.) am 23. Jänner 1980 der Waltraud G 100 S;
    6. 8.) am 24. Jänner 1980 der Erna H 100 S;
    7. 9.) am 29. Jänner 1980 der Waltraud I 500 S.

      Der von der Angeklagten der Sache nach lediglich gegen die Punkte 1 a und 6 gerichteten, auf die Z 5

      des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung nicht zu:

      Ausgehend nämlich davon, daß von einer unzureichenden Begründung im Sinne des relevierten Nichtigkeitsgrundes nur dann gesprochen werden kann, wenn aus den vom Gericht ermittelten Prämissen nach den Denkgesetzen die von ihm gezogenen Schlußfolgerungen überhaupt nicht abgeleitet werden konnten, es aber keine Nichtigkeit begründet, wenn aus den Vordersätzen auch andere als die vom Gericht gezogenen, für den Angeklagten günstigere Konklusionen möglich gewesen wären (siehe Mayerhofer-Rieder, Strafprozeßordnung, E Nr 147 ff zu § 281 Z 5 StPO), erweist sich die vom Schöffengericht zu den beiden fraglichen Fakten gegebene ausführliche Begründung (S 254 ff) im gegebenen Kontext als formal mängelfrei, zumal das Erstgericht in beiden Fällen die zugunsten der Verantwortung der Angeklagten sprechenden Umstände - Schlampigkeit des Doz.

      Dr. B im Umgang mit Geld; kein ausschließliches Gelegenheitsverhältnis der Angeklagten - keineswegs mit Stillschweigen übergangen, sondern ausdrücklich in den Kreis seiner Erwägungen miteinbezogen hat (S 242 ff, 254 ff).

      Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war mithin zu verwerfen. Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde ergaben sich jedoch erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der vom Erstgericht im Faktum 1 a festgestellten Schadenshöhe, weshalb gemäß § 362 Abs 1 Z 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur insoweit mit einer Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten der Angeklagten vorzugehen war:

      Der Zeuge Dr. B hatte zwar im Vorverfahren (ON 16) und in der Hauptverhandlung (S 150) den ihm im Zeitraum von Anfang 1978 bis 31. Juli 1978 insgesamt gestohlenen Geldbetrag mit 15.000 S geschätzt und es damit, wie oben dargelegt, dem Schöffengericht formal ermöglicht, den von der Angeklagten zu verantwortenden Schadensbetrag in dieser Höhe anzunehmen, ohne mit den Denkgesetzen oder der forensischen Erfahrung in Widerspruch zu geraten. Hiebei hat das Gericht nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes allerdings der vom Zeugen Dr. B geäußerten Bemerkung, er könne nicht ausschliessen, daß der eine oder andere Tausender verschlampt worden sein könnte (S 151 oben), nicht die gebührende Bedeutung beigelegt. Bei richtiger Würdigung gelangt man für den fraglichen Zeitraum aber zu einem geringeren Schadensbetrag, der jedoch, auch bei großzügiger Auslegung der von Dr. B deponierten Einschränkung, mit mindestens 10.000 S festzustellen war.

Rechtliche Beurteilung

Da nicht zu erwarten ist, daß die Wiederholung des Verfahrens hier weitere Aufklärungen bringen könnte, war spruchgemäß zu entscheiden und im Faktum 1 a bezüglich des unter Anklage gestellten (Mehr-)Betrages von 5.000 S gemäß § 362 Abs 2 StPO mit Zustimmung der Generalprokuratur sofort mit einem Freispruch vorzugehen, weil es insoweit - ungeachtet dessen, daß hiedurch keine strafsatzändernde Wertgrenze berührt wird - überhaupt an einer strafbaren Handlung mangelt (SSt 44/30, EvBl 1973/287 ua).

Bei der hiedurch erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe gelangte der Oberste Gerichtshof unter Übernahme der vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründe und in Berücksichtigung dessen, daß sich durch den Teilfreispruch die Gesamtschadenssumme um rund ein Viertel verringerte und sich die Angeklagte der Zufügung eines gräßeren Schadens freiwillig enthalten hat, zu dem aus dem Spruch ersichtlichen, tatschuldangemessen erscheinenden Strafmaß. Die 'aufstoßende Gelegenheit' konnte der Angeklagten hingegen nicht zugutehalten werden, weil sie sich aus ihrer Vertrauensstellung ergeben hat. Diese Strafe war schon im Hinblick auf § 290 Abs 2 StPO gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen. Der Anwendbarkeit des § 37 StGB standen angesichts der zahlreichen Angriffe namentlich spezialpräventive Erwägungen entgegen, weil die sich darin manifestierende Intensität des Täterwillens die Verhängung einer Freiheitsstrafe geboten erscheinen läßt, um die Angeklagte vor weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die übrigen Entscheidungen beruhen auf den bezogenen Gesetzesstellen.

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