OGH 11Os116/81

OGH11Os116/814.11.1981

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schramm als Schriftführers in der Strafsache gegen Edwin A und einen anderen wegen des Verbrechens der Untreue nach dem § 153 Abs 1 und 2, zweiter Fall, StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Edwin A und Harald B gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengerichtes vom 9.März 1981, GZ. 12 a Vr 1.844/79-69, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Harald B werden zurückgewiesen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Edwin A wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil - gemäß dem § 290 Abs 1 StPO. - auch in Bezug auf den Angeklagten Harald B aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden - im zweiten Verfahrensgang - der am 25.Mai 1949 geborene Angestellte Edwin A des Verbrechens der Untreue nach dem § 153 Abs 1 und 2, zweiter Fall, StGB. und der am 28. Mai 1935 geborene Angestellte Harald B des Verbrechens der Untreue (als Beteiligter) nach den §§ 12, 153 Abs 1 und 2, zweiter Fall, StGB. schuldig erkannt.

Dem Angeklagten A fällt nach dem Inhalt des erstgerichtlichen Schuldspruchs zur Last, als Kassier des Raiffeisenverbandes für Vorarlberg die ihm durch Rechtsgeschäft, nämlich Dienstvertrag, eingeräumte Befugnis, Schecks, die auch auf andere Banken gezogen waren, erst nach gehöriger Prüfung auf Deckung einzulösen, sohin über fremdes Vermögen, nämlich des Raiffeisenverbandes für Vorarlberg zu verfügen, wissentlich durch Honorierung ungedeckter Schecks mißbraucht und dadurch dem genannten Raiffeisenverband einen Vermögensnachteil in der Höhe von 979.933 S zugefügt zu haben; dem Angeklagten B liegt zur Last, zur Ausführung dieser Tat dadurch beigetragen zu haben, daß er im bewußten und verabredeten Zusammenwirken mit A bei diesem Angeklagten Schecks, von welchen er wußte, daß sie ungedeckt sind, zur Einlösung vorlegte.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hatte sich mit dem vorliegenden Straffall bereits in seiner Entscheidung vom 14.Oktober 1980, GZ. 11 Os 116/80-10, zu beschäftigen.

Auf diese Entscheidung (mittlerweile veröffentlicht in EvBl 1981/115) kann, was die Darstellung des äußeren Vorganges der den beiden Angeklagten zur Last liegenden Scheckreitereien anlangt, verwiesen werden.

Gegen das im zweiten Verfahrensgang gefällte Urteil des Landesgerichtes meldete der Angeklagte B Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. In seiner Rechtsmittelanmeldung bezeichnete er keine Nichtigkeitsgründe und führte auch nicht an, durch welche Punkte des Strafausspruches er sich beschwert finde. Nach Zustellung einer Urteilsausfertigung führte dieser Angeklagte seine Rechtsmittel nicht aus.

Die Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten wäre daher bereits vom Vorsitzenden des Schöffengerichtes gemäß dem § 285 a Z. 2 StPO. zurückzuweisen gewesen. Da dies unterblieb, hatte der Oberste Gerichtshof diesen Ausspruch vorzunehmen (§ 285 d Abs 1 Z. 1 StPO.); desgleichen war die Berufung zurückzuweisen (§ 294 Abs 4 StPO.).

Der Angeklagte A wendet sich gegen den Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 4, 5

und 10 des § 281 Abs 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Dieser Beschwerde kommt Berechtigung zu.

In der Hauptverhandlung vom 9.März 1981 stellte der Verteidiger des Angeklagten A den Antrag auf 'Aufnahme eines Sachbefundes' (gemeint offenbar: Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen) darüber, daß die von diesem Angeklagten 'bei der Bank' (offenbar gemeint: bei seinem Dienstgeber, dem Raiffeisenverband für Vorarlberg) von ihm deponierten Werte 'sofort und jederzeit realisiert werden können hätten' und auf Vernehmung des Zeugen Dieter C darüber, daß diese Vermögenswerte während der ganzen Zeit der (von beiden Angeklagten vorgenommenen) Scheckreiterei zur Verfügung standen und die Realisierung dieser Werte (nach Aufkommen der Scheckreiterei) nur deswegen nicht sogleich vorgenommen wurde, weil zuerst die Schadensgutmachung durch den Angeklagten B abgewartet wurde (S. 628 d. A.).

Das Schöffengericht wies diese Beweisanträge 'im Hinblick auf die bisherigen Beweisergebnisse' ohne jede weitere Begründung ab (S. 630 d. A.).

Eine derartige inhaltsleere Begründung widerspricht an sich der Bestimmung des § 238 Abs 2 StPO. (siehe hiezu Mayerhofer-Rieder, StPO. II/2, E. 69 zu § 281 Z. 4).

Sie entzieht - insbesondere hier nach Lagerung des konkreten Falles - dem Rechtsmittelgericht die Möglichkeit zu beurteilen, ob die Abweisung unzweifelhaft auf die Entscheidung des Gerichtes keinen den Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO.). Das Erstgericht unterließ es nämlich auch, im Urteil eine Begründung darüber nachzuholen, welche 'Beweisergebnisse' es veranlaßten, von der Aufnahme der beantragten Beweise abzusehen. Aus dem Urteil geht vielmehr hervor, daß das Schöffengericht aus rechtlichen Erwägungen nicht darauf einging, ob die vom Angeklagten A behaupteten eigenen Vermögenswerte (bei seinem Dienstgeber) kurzfristig disponibel waren und zur gänzlichen Verhinderung eines Schadenseintrittes ausreichten (S. 647 d.A.). Damit setzte es sich aber in Gegensatz zu der vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 14.Oktober 1980

ausgesprochenen und im vorliegenden Verfahren für das Erstgericht gemäß dem § 293 Abs 2 StPO. bindenden Ansicht, daß ein präsenter Deckungsfonds zwar grundsätzlich nur bei der Veruntreuung von Bedeutung ist, ausreichende Vermögenswerte des Täters jedoch auch bei der Untreue für die Beurteilung des Umstandes bedeutsam sein können, ob ein auf Vermögensschädigung gerichteter (zumindest bedingter) Vorsatz vorlag, sofern über sie auf solche Weise verfügt werden kann (und soll), daß ein Schadenseintritt (zur Gänze) verhindert wird und der Täter auch von vornherein vorbehaltlos gewillt ist, sie auf diese Weise einzusetzen, weshalb im vorliegenden Verfahren zu klären wäre, ob die vom Angeklagten A behaupteten eigenen Vermögenswerte innerhalb der kurzen Frist der jeweiligen Schecktransaktionen überhaupt disponibel waren, ob sie zur gänzlichen Verhinderung eines Schadenseintritts ausreichten und ob der Angeklagte A sie unmißverständlich zur Verfügung des Raiffeisenverbandes Vorarlberg hielt, um einen Schadenseintritt (von vornherein) abzuwenden.

Die - insoweit mängelfreie - Urteilskonstatierung, daß der Angeklagte A wegen der durch lange Zeit hindurch gegebenen Illiquidität des Mitangeklagten B von dieser Seite keine Zahlungen zur Abdeckung der Schecks innerhalb deren kurzer Umlaufzeit erwartete, schließt nicht aus, daß der Angeklagte A durch vorbehaltslosen Einsatz eigenen ausreichenden disponiblen Vermögens einen Schadenseintritt von vornherein zur Gänze abzuwenden gewillt gewesen sein könnte.

Allerdings bleibt - im erneuerten Verfahren - aufzuklären und im Rahmen einer zureichenden Begründung zu erörtern, weshalb der Angeklagte A derartige Werte, sollten sie tatsächlich vorhanden gewesen sein, nicht in einer völlig reellen Vorgangsweise, die seine Existenz als Bankangestellter nicht aufs Spiel gesetzt hätte, zum Einsatz brachte, und zwar unter Berücksichtigung des Umstands, daß seine nunmehrige Verantwortung mit jener in einem früheren Verfahrensstadium (s. z.B. S. 309 d.A.) augenscheinlich nicht im Einklang steht.

Die von der Beschwerde aufgezeigten Verfahrensmängel zwingen zur neuerlichen Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils und zur Anordnung der Verfahrenserneuerung, ohne daß noch auf die weiteren geltend gemachten Nichtigkeitsgründe eingegangen werden muß. Diese Entscheidung war gemäß dem § 285 e StPO. sogleich bei der nichtöffentlichen Beratung zu fällen, weil sich zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist. Sie mußte sich auch diesmal wieder wegen des untrennbaren Zusammenhanges (§ 289 StPO.) auch auf den Schuldspruch des Mitangeklagten B erstrecken.

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