OGH 9Os124/81

OGH9Os124/813.11.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.November 1981

unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsamtsanwärters Dr. Schlögl als Schriftführer in der Strafsache gegen Werner A wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19.Mai 1981, GZ. 10 Vr 698/81-28, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Obitsch und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 3 (drei) Jahre herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 30.Mai 1960 geborene, beschäftigungslose Werner A 1./ des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB. und 2./ des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB.

schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Nach den (zusammengefaßt wiedergegebenen) wesentlichen Urteilsfeststellungen folgte der leicht alkoholisierte, in Geldverlegenheit befindliche Angeklagte in den Abendstunden des 26. Februar 1981 in Graz in der Ragnitzstraße der auf dem Heimweg befindlichen Josefine B, näherte sich dieser von hinten und versuchte, ihr die (neu gekaufte) Handtasche im Wert von 1.180 S zu entreißen, in der sich u.a. eine Geldbärse und ein Bargeldbetrag von mindestens 4.784,30 S befanden. Josefine B bemerkte den Angeklagten rechtzeitig, hielt die Handtasche mit beiden Händen fest und rief laut um Hilfe, konnte aber ungeachtet ihres Widerstandes nicht verhindern, daß es dem immer kräftiger ziehenden Angeklagten schließlich doch gelang, die Handtasche - von der dabei ein (Halte-)Bügel zur Gänze und der zweite halb abgerissen wurden - gewaltsam an sich zu bringen und damit die Flucht zu ergreifen. Mit Bereicherungsvorsatz handelte der Angeklagte nur in bezug auf das in der Handtasche erwartete Bargeld. Der Handtasche selbst (und des sonstigen Inhaltes derselben, insbesondere einer Geldbärse unbekannten Wertes) wollte er sich hingegen entledigen, um einer Überführung zu entgehen.

Daß damit nach den Erfahrungen des täglichen Lebens für Josefine B ein dauernder Gewahrsamsverlust verbunden sein würde, nahm er jedoch von Anfang an zumindest dolo eventuali in Kauf. Dementsprechend versteckte er die Handtasche (samt Geldbärse) in der Folge auch in einem Hauszubau, wo sie später in beschädigtem (und daher wertlosem) Zustand polizeilich sichergestellt werden konnte.

Den auf Grund dieser Feststellungen erfolgten, eingangs erwähnten Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9 (lit a) und 10 des § 281 Abs 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

In Ausführung des letztgenannten Nichtigkeitsgrundes macht er zunächst geltend, daß das ihm angelastete Entreißen der Handtasche rechtsrichtig nicht als Raub, sondern als Diebstahl zu beurteilen sei, weil sich die Gewaltanwendung nicht gegen eine Person, sondern gegen eine Sache gerichtet habe.

Hiebei übersieht er jedoch, daß sich im vorliegenden Fall die von ihm angewendete Gewalt zumindest mittelbar (auch) gegen die Person seines Opfers gerichtet hat.

Dieses wurde durch den Angriff nicht etwa so überrascht, daß es gar nicht dazu gekommen wäre, einen Widerstandsentschluß zu fassen (in welchem Fall allerdings Diebstahl vorliegen könnte). Vielmehr entwickelte Josefine B sehr wohl einen entsprechenden Behauptungswillen, in dessen Betätigung sie - wenn auch nur mit vorübergehendem Erfolg - versuchte, den Angriff auf ihr Eigentum durch Festhalten ihrer Handtasche mit beiden Händen abzuwehren, wobei es dem Angeklagten erst durch den (bewußten) Einsatz seiner überlegenen Körperkraft, somit durch Gewalt (auch) gegen die Person der Josefine B, gelang, deren Widerstand zu brechen und die Handtasche an sich zu bringen (vgl. Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB.2, RN. 22 zu § 142; Kienapfel, BT. II, § 142, RN. 36 ff., insbes. RN. 41 und die dort jeweils zitierte Judikatur). Der Beschwerdeführer geht aber auch fehl, soweit er unter ziffernmäßiger Anrufung der Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 9 (gemeint wohl lit a) des § 281 Abs 1 StPO.

vermeint, der Schuldspruch nach § 135 Abs 1 StGB. sei verfehlt, weil die Handtasche durch die oben erwähnten Beschädigungen - und damit auch die mit der Handtasche eine modische Einheit (Garnitur) bildende Geldbärse - wertlos geworden sei, und eine wertlose Sache nicht Gegenstand des Vergehens dauernder Sachentziehung sein könne. Denn die bezüglichen erstgerichtlichen Feststellungen lassen ihrem Sinngehalt nach keinen Zweifel daran, daß der Angeklagte nicht etwa erst nach der Wegnahme den Vorsatz faßte, Josefine B die Wiedererlangung ihrer Handtasche (samt Geldbärse) für immer unmöglich zu machen, sondern daß er damit 'von Anfang an' (S. 143) auf eine Weise verfahren wollte, die für die Genannte nach dem gewÄhnlichen Verlauf der Dinge zum dauernden Sachverlust führen mußte. Die maßgebende Entziehungshandlung fiel daher nach Lage des Falles mit dem Gewahrsamsbruch zusammen. Die Handtasche wurde aus dem Gewahrsam der Josefine B nicht erst durch das spätere Verstecken (wenngleich auch durch dieses eine Rückerlangung unterbunden wurde) dauernd entzogen, sondern bereits durch die (gewaltsame) Wegnahme. Im Zeitpunkt der Wegnahme war aber die Handtasche (samt darin befindlicher Bärse) unversehrt und repräsentierte nach den Urteilsannahmen einen Wert von 1.180 S. Daß sie durch die Entziehungshandlung selbst in einer Weise beschädigt wurde, die sie nach Meinung des Erstgerichtes - zumindest für Josefine B - wertlos machte (S. 140), schloß eine dauernde Sachentziehung entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht keineswegs aus, zumal damit jedenfalls eine Vermögensverminderung der Eigentümerin um den bis zur Entziehung durch die Sache repräsentierten Wert bewirkt wurde (vgl. Leukauf-Steininger, a.a.O., RN. 5 zu § 135).

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war mithin zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 142 Abs 1 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren. Es nahm bei der Strafbemessung die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen sowie den äußerst raschen Rückfall als erschwerend an, als mildernd wertete es dagegen das Geständnis sowie das Alter unter 21 Jahren. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes an.

Der Berufung kann Berechtigung nicht abgesprochen werden. Das Erstgericht hat zwar die vorliegenden Strafzumessungsgründe im wesentlichen zutreffend festgestellt, bei der Ausmessung der Strafe jedoch außer acht gelassen, daß die den 5 Vorverurteilungen zugrunde liegenden Taten nicht allzu gravierend waren und jeweils mit Geldstrafen geahndet wurden. Der Oberste Gerichtshof hält die vom Schöffengericht verhängte vierjährige Freiheitsstrafe für überhöht. Die wiederholten Angriffe gegen fremdes Vermögen beweisen zwar eine kriminelle Neigung des Angeklagten, weshalb es der Verhängung einer entsprechend strengen Freiheitsstrafe bedarf, um dem Angeklagten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepaßten Lebenseinstellung zu verhelfen, ihn weiters davon abzuhalten, seiner schädlichen Neigung nachzugehen, und ihm außerdem den Unwert des der Verurteilung zugrunde liegenden Verhaltens aufzuzeigen. Bei der Ausmessung der Strafe ist allerdings auch darauf Bedacht zu nehmen, daß der Angeklagte das Strafübel der Freiheitsstrafe bislang noch nicht verspürt hat, weshalb angenommen werden kann, daß dieses auf ihn einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen wird. Dem Obersten Gerichtshof erscheint unter diesen Umständen ein Strafausmaß von drei Jahren ausreichend. Es war sohin spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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