OGH 5Ob690/81

OGH5Ob690/8120.10.1981

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Komm. Rat. Dkfm. Dr. Ludwig R*****, vertreten durch Dr. Otto Kern, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Tatjana A*****, vertreten durch Dr. Volkmar Schicker, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterziehung eines Abtretungsvertrages (Streitwert 300.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 7. April 1981, GZ 2 R 46/81-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 29. Dezember 1980, GZ 38 Cg 413/80-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 9.664,26 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 644,76 S an USt und 960,-- S an Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Gesellschafterin der "S*****" Kraftwagenbetriebsgesellschaft m. b. H. (in der Folge kurz GmbH genannt), deren Stammkapital 700.000 S beträgt, mit einem Geschäftsanteil entsprechend einer voll einbezahlten Stammeinlage von 300.000 S. Am 15. 9. 1977 wurde in der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. Ernst Haderer eine sodann in einem unter anderem auch von den Streitteilen unterfertigten Amtsvermerk festgehaltene Vereinbarung geschlossen, wonach der Kläger sämtliche Gesellschaftsanteile der GmbH zu einem Kaufpreis von 27,5 Mill S kauft und übernimmt und es Sache der Beklagten und deren Ehegatten ist, die Übertragung sämtlicher Gesellschaftsanteile der GmbH an den Käufer sicherzustellen, sohin insbesondere auch die Übertragung der H*****-Anteile und der Anteile der Mutter der Beklagten. Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Unterzeichnung eines in der Klage im Wortlaut wiedergegebenen Notariatsaktes, der das an den Kläger gerichtete Anbot der Beklagten enthält, mit dieser einen Abtretungsvertrag betreffenden ihr gehörenden Geschäftsanteil an der GmbH abzuschließen. Zur Begründung seines Begehrens brachte der Kläger vor, dass sich die Beklagte zu Unrecht weigere, den genannten Notariatsakt zu unterzeichnen, während die Übertragung der "H*****-Anteile" und der Geschäftsteile der Mutter der Beklagten bereits durchgeführt worden sei.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klageabweisung und wendete unter anderem ein, dass die Vereinbarung vom 15. 9. 1977, da ihr die notwendige Form des Notariatsaktes fehle, nichtig sei und der Kläger daher die Unterzeichnung des in der Klage wiedergegebenen Notariatsaktes von ihr nicht begehren könne.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren aus der Erwägung ab, dass die Absprache der Streitteile vom 15. 9. 1977 ungültig sei, da sie der nach § 76 GmbHG gebotenen Form des Notariatsaktes entbehre. Der Kläger habe folglich keinen klagbaren Anspruch auf Unterfertigung eines Abtretungsvertrages.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S übersteige. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus:

Nach § 883 ABGB gelte für Verträge der Grundsatz der Formfreiheit, soferne nicht besondere Vorschriften etwas anderes bestimmten (Ehrenzweig2 II/1, 150; Koziol-Welser5 I 126). § 76 GmbHG bilde eine solche Ausnahme von diesem Grundsatz. Eine nicht in der Form eines Notariatsaktes geschlossene Vereinbarung über die Übertragung von Geschäftsanteilen unter Lebenden oder über die Verpflichtung eines Gesellschafters zur künftigen Abtretung eines Geschäftsanteiles sei nichtig und unwirksam (Koziol-Welser5 I 128; Gellis, Kommentar zum GmbHG 230; SZ 8/204; HS 4465/19). Sei die Einhaltung einer Form Voraussetzung für die Gültigkeit eines Vertrages, dann reiche die bloße Willensübereinstimmung nicht aus. Vor Einhaltung dieser Form sei keine vertragliche Bindung eingetreten. Deshalb könne in solchen Fällen nicht auf Grund der formlos abgegebenen Willenserklärung auf Einhaltung der Form geklagt werden.

Der Vergleich mit Kaufverträgen über Liegenschaften gehe fehl. Die Gültigkeit von Kaufverträgen hänge - von gewissen Ausnahmen (vgl Notariatszwangsgesetz) abgesehen - nicht von einer bestimmten Form ab. Vielmehr genüge die Einigung der Parteien über Ware und Preis (§§ 1053, 1054 ABGB; Entscheidungen unter Nr. 1 zu § 1054 ABGB in MGA31). Dies gelte auch für Kaufverträge über Liegenschaften (Ehrenzweig2 II/1, 150; Entscheidungen unter Nr. 1a zu § 1054 ABGB in MGA31). Nur für die Einverleibung des Eigentumsrechtes auf Grund des Kaufvertrages - nicht für die Gültigkeit des Kaufvertrages - sei die Errichtung einer einverleibungsfähigen Urkunde erforderlich (§§ 31 ff GBG). Sei nun ein mündlicher Kaufvertrag wirksam zustandegekommen, dann könne der Käufer den Verkäufer, der nach § 1061 ABGB verpflichtet sei, den Kaufgegenstand zu übergeben, auf Unterfertigung eines Kaufvertrages oder auch unmittelbar auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Käufers (SZ 36/76) klagen. Da ein klagbarer Anspruch des Klägers auf Unterfertigung des Notariatsaktes fehle, habe es auch nicht der Aufnahme der von ihm beantragten Beweise bedurft.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die auf den Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Klage abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Der Kläger beharrt in der Revision auf seinem Standpunkt, dass es sich bei der Vorschrift des § 76 GmbHG, die für die Übertragung von Geschäftsanteilen an einer GmbH die Notariatsaktsform vorsehen, ihrem Wesen nach um die gleiche Formvorschrift handle, die für die grundbücherliche Übertragung von Eigentumsrechten an Liegenschaften einerseits die Aufsandungsformel und andererseits die Beglaubigung der Unterschriften der Vertragskontrahenten fordere. In beiden Fällen sei es der Grundgedanke der Formvorschrift, die Ernstlichkeit des Rechtsvorganges zu sichern und durch die Urkunde selbst sowie durch den "der Urkunde zugrundliegenden Unterzeichnungsvorgang" Beweisschwierigkeiten über das Zustandekommen des Rechtsgeschäftes auszuschalten. Daraus folge, dass die Unterzeichnung des Notariatsaktes betreffend die Übertragung des Geschäftsanteiles an einer GmbH ebenso durch gerichtliche Klage erzwungen bzw durch gerichtliches Urteil ersetzt werden könne wie bei Liegenschaftskaufverträgen die Ausfertigung einer eine Aufsandungserklärung enthaltenden und mit beglaubigter Unterschrift versehenen Kaufvertragsurkunde. Nur diese Auffassung entspreche auch den Bedürfnissen des modernen Wirtschafts- und Rechtslebens. Die Ausführungen des Klägers sind nicht geeignet, die mit der herrschenden Lehre und ständigen Rechtsprechung übereinstimmenden Darlegungen des Berufungsgerichtes als unrichtig zu erweisen. Das Berufungsgericht hat zutreffend hervorgehoben, dass die eine Ausnahme vom Grundsatz der Formfreiheit normierenden Vorschrift des § 76 Abs 2 Satz GmbHG die Gültigkeit des Vertrages, mit dem die Verpflichtung zur künftigen Abtretung eines Geschäftsanteils übernommen wird, von der Einhaltung der Notariatsaktsform abhängig macht, während Kaufverträge, mit denen die Verpflichtung zur grundbücherlichen Übereignung von Liegenschaften übernommen wird, formfrei abgeschlossen werden können. Daraus, dass der Verkäufer bei einem formfrei wirksam zustandegekommenen Kaufvertrag über eine Liegenschaft zwecks grundbücherlicher Durchführung des Kaufvertrages auf beglaubigte Unterfertigung eines schriftlichen Kaufvertrages geklagt werden kann, ist daher für den Kläger, der sich in Ansehung der Übertragung des Geschäftsanteiles auf ein wirksam zustande gekommenes Verpflichtungsgeschäft nicht zu berufen vermag, nichts zu gewinnen. Die Formvorschrift des § 76 Abs 2 GmbHG verfolgt außerdem über den vom Kläger genannten Zweck hinaus vor allem das Ziel zu verhindern, dass die Geschäftsanteile an einer GmbH Gegenstand des Handelsverkehrs werden; insbesondere sollen sie nicht in den Börsenverkehr geraten und nicht zum Gegenstand der Agiotage werden (SZ 8/204, HS 4465/19, SZ 49/23 u. a.; vgl auch Schilling-Zutt in Hachenburg, GmbHG7, Rz 9 zu § 15). Der Oberste Gerichtshof sieht sich durch die Ausführungen des Klägers, die sich angesichts der eindeutigen Gesetzeslage an den Gesetzgeber zu richten hätten, nicht veranlasst, von seiner ständigen Rechtsprechung (siehe außer den von den Vorinstanzen zitierten Entscheidungen SZ 8/204, HS 2245 bis 2247, HS 4465/19 etwa noch SZ 5/22, SZ 49/23, GesRZ 1979, 76 und EvBl 1980/176) abzugehen.

Es war demnach der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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