Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 19.Mai 1959 geborene Bauhilfsarbeiter Alois Johann A des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143 StGB. und des Verbrechens der Aussetzung nach dem § 82 Abs 1 StGB. schuldig erkannt.
Nach dem Inhalt des Wahrspruchs der Geschwornen liegt ihm zur Last, am 3.Juli 1980 in Pärbach 1./ dadurch, daß er die (66-jährige) Paula B in ihrem Haus mit einem 5 cm starken und über 60 cm langen Rundholzstück zu Boden schlug und aus der Kredenzlade zwei Einhundertschillingnoten an sich nahm, der Genannten mit Gewalt gegen ihre Person fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung der angeführten Waffe verübte und Paula B durch die ausgeübte Gewalt schwer verletzt wurde (Schädelbasisbruch, Brüche von drei Mittelhandknochen sowie des Grundgliedes des fünften Fingers der rechten Hand, Gehirnerschütterung und Hämatome) und 2./ das Leben der Paula B dadurch vorsätzlich gefährdet zu haben, daß er sie in ihrem von ihr allein bewohnten Haus durch die unter Punkt 1 umschriebene Handlungsweise schwer verletzte, somit in hilflose Lage brachte und in dieser im Stich ließ, indem er nach der zu Punkt 1 angeführten Tathandlung Paula B in ihrem einzelstehenden Haus zurückließ, die Haustür versperrte und den Schlüssel wegwarf.
Den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Aussetzung nach dem § 82 Abs 1 StGB. bekämpft der Angeklagte mit einer auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 12 des § 345 Abs 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der er vorbringt, seine durch die Punkte 1 und 2 des erstgerichtlichen Urteils (insgesamt) erfaßte Vorgangsweise sei als Tateinheit zu werten, weil das Versperren der Haustür und das Wegwerfen des Schlüssels lediglich der Verzögerung der Aufdeckung der Raubtat dienen sollte. Im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung wurde hiezu von der Verteidigung zusätzlich vorgebracht, daß der Angriff gegen Leib und Leben des Opfers bereits durch die Qualifikation der Raubtat nach dem zweiten Satz des § 143 StGB.
(schwere Verletzung des Opfers) unter (erhöhter) Sanktion stehe, somit die Verletzung jenes Rechtsgutes, dessen Schutz die Bestimmung des § 82 Abs 1 StGB. dienen soll, bereits bestraft sei. Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu, weil sie im Ergebnis jedenfalls nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgeführt wird. Nach dem durch den Wahrspruch der Geschwornen festgestellten Sachverhalt zerfällt das - vom Schwurgerichtshof als Verbrechen der Aussetzung beurteilte - Tatgeschehen in zwei zeitlich getrennte Phasen, nämlich das eine schwere Verletzung verursachende Niederschlagen des Opfers und das nach (materieller) Vollendung des Raubes vorgenommene Zurücklassen des schwerst verletzten Opfers, das Absperren der Haustür und das Wegwerfen des Schlüssels. Die erste Phase ist nach der konkreten Fallgestaltung ident mit der Gewaltanwendung gegen das Opfer beim Raub im Sinn des ersten Falls des § 142 Abs 1 StGB.
Nur diese erste Phase des Tatgeschehens könnte überhaupt als von der Verurteilung wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142, 143, zweiter Satz, StGB.
umfaßt angesehen werden. Bei Entfall der Verurteilung wegen des Verbrechens der Aussetzung nach dem § 82 Abs 1
StGB. wäre die zweite, nach materieller Vollendung des Raubes verübte, im Wahrspruch der Geschwornen festgestellte Phase des Tatgeschehens unter dem Aspekt der Freiheitsentziehung zu beurteilen.
Durch das Versperren der Haustür des abgeschieden gelegenen - nach dem Wahrspruch: einzelstehenden - Hauses (siehe hiezu ON. 23 der Akten) und mit dem Wegwerfen des Schlüssels entzog der Angeklagte der schwer und lebensgefährlich am Schädel verletzten, schwer benommenen und immer wieder in Bewußtlosigkeit verfallenden 66- jährigen Paula B, die in der Folge bis zu ihrer Auffindung drei Tage nach der Tat wiederholt zusammenbrechend unter immer wiederkehrendem Blutverlust hilflos in ihrem Haus umhertaumelte, die persönliche Freiheit, weil er dem Verlassen des Hauses (durch die einzige Tür - vgl. erneut ON. 23 d.A.) für das Opfer ein ernstliches, nach der vorliegenden Fallgestaltung geradezu unüberwindliches Hindernis entgegensetzte. Diese Phase des Verhaltens des Angeklagten erfüllt somit für sich den Tatbestand der Freiheitsentziehung nach dem § 99 StGB. Dieser Angriff richtete sich im Gegensatz zu dem bisherigen, gegen fremdes Vermögen und Leib und Leben gerichteten Angriff nunmehr gegen die persönliche Freiheit eines Menschen und beeinträchtigte daher ein weiteres Rechtsgut (Dritter Abschnitt des Besonderen Teils des StGB.), sodaß er nicht als straflose Nachtat angesehen werden kann (vgl. Leukauf-Steininger, Komm. z. StGB.2, RN. 51 zu § 28; Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, Strafrechtliche Probleme der Gegenwart 6, 43).
Eine Freiheitsentziehung der vorliegenden Art kann auch nicht als eine von der Verurteilung wegen der Haupttat umfaßte 'typische Begleittat' eines unter Gewaltanwendung verübten Raubes - anders als etwa das Umstellen oder das Festhalten des Opfers im Zuge der Ausführung der Raubtat - gewertet werden, weil sie nicht mit der Sachbemächtigung unmittelbar zusammenhing, sondern erst nach materieller Vollendung des Raubes verwirklicht wurde. Die zweite Phase des unter Anklage gestellten und im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten - vom Schwurgerichtshof als Verbrechen der Aussetzung beurteilten -
Tatgeschehens könnte daher unter keinen Umständen als on der Verurteilung wegen schweren Raubes umfaßt angesehen werden. Diese Freiheitsentziehung wäre vorliegend auch nach dem Abs 2 des § 99 StGB. qualifiziert: Der Angeklagte beging sie nämlich unter solchen Umständen, die für das Opfer mit besonders schweren Nachteilen verbunden waren.
Paula B hatte lebensgefährliche (vgl. S. 226 d. A.) schwere Verletzungen erlitten, wankte drei Tage lang in durch die Hirnverletzung bedingten Verwirrtheitszuständen - unter wiederholtem Blutverlust - in ihrem alleinstehenden Haus umher (S. 226 d.A.) und wurde dann nur durch eine eher zufällige Nachschau (S. 224 d.A.) einer Verwandten aufgefunden.
Die in § 99 Abs 2 StGB. statuierte Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe ist aber schwerer als die des vom Erstgericht herangezogenen § 82 Abs 1 StGB., die von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe reicht.
Unter dieser Betrachtung könnte daher der vom Beschwerdeführer angestrebte Entfall der Verurteilung wegen des Verbrechens nach dem § 82 Abs 1 StGB. wegen der dann neben dem schweren Raub verbleibenden qualifizierten Freiheitsentziehung gar nicht zum Vorteil des Angeklagten ausschlagen.
Rechtliche Beurteilung
Schon aus diesem Grund war seine Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen, ohne daß auf die - in der Beschwerde gar nicht aufgeworfene - in der Literatur gegensätzlich beantwortete Frage (s. einerseits Leukauf-Steininger, Komm. z. StGB.2, RN. 5 zu § 82, und Mayerhofer-Rieder, StGB.2, Anm. 2 zu § 82 /jeweils unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien /; andrerseits Burgstaller im Wiener Kommentar zum StGB., RN. 8 zu § 82; Foregger-Serini, StGB.2, Erl. III zu § 82; zweifelnd Kienapfel, Grundriß, BT. I, RN. 246) eingegangen werden muß, ob zur Erfüllung des Tatbildes des Verbrechens der Aussetzung nach dem § 82 Abs 1 StGB. auch eine Ortsveränderung des Opfers erforderlich ist.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die Begehung zweier strafbarer Handlungen, die mehrfache Qualifikation zum schweren Raub, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen des Angeklagten, den Umstand, daß das Opfer schwerste Verletzungen mit - wenngleich noch nicht schweren - Dauerfolgen erlitt, das brutale Vorgehen des Angeklagten, der auch noch auf die schon am Boden liegende Frau einschlug, das zusätzliche Erschweren der Auffindung des Opfers durch Wegwerfen des Schlüssels sowie den raschen Rückfall. Als mildernd wurde das Geständnis des Angeklagten, seine Primitivität und Unterbegabung und der Umstand gewertet, daß er bei Tatbegehung das 21. Lebensjahr nur knapp überschritten hatte. Die Berufung des Angeklagten strebt eine Herabsetzung des über ihn verhängten Strafausmaßes an.
Ihr kommt keine Berechtigung zu.
Entgegen der Meinung der Berufung stellt die besondere Schwere der Verletzungen des Opfers einen Erschwerungsgrund dar, weil diese Verletzungen - nach dem eingeholten Sachverständigengutachten (S. 228, 229 d.A.) -
lebensbedrohlich waren und in ihrer Gesamtheit nahe an die Erfolgsqualifikation der schweren Dauerfolgen im Sinn des dritten Satzes des § 143 StGB. heranreichen.
Auch das Wegwerfen des Schlüssels konnte das Erstgericht zu Recht als Erschwerungsumstand heranziehen, war doch die Freiheitsbeschränkung bereits auch durch das (von außen geschehene) Zusperren der Tür des Hauses erfüllt; allerdings kommt diesem Erschwerungsumstand keine gravierende Bedeutung zu. Entgegen den Berufungsausführungen kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß der Angeklagte den Tatentschluß erst unmittelbar vor der Tat gefaßt hätte. Nach seinem eigenen Geständnis (S. 7 und 45 d.A.) entschloß er sich bereits bei Antritt seines erheblichen Anmarschweges zum Anwesen der Paula B zum Raub.
Dem aus dem Gutachten des Sachverständigen Obersanitätsrat Dr. C entnommenen Hinweis der Berufung, daß es bis zum 26. Lebensjahr zu einer Nachreife kommen könnte, ist entgegenzusetzen, daß der Sachverständige damit nur einen allgemein gehaltenen und nicht spezifisch auf den Angeklagten bezogenen Erfahrungssatz zum Ausdruck brachte (S. 231 d.A.), für den Angeklagten im besonderen aber eine 'eher ungünstige' Zukunftsprognose erstellt, weil er ein primitiver, gefühlskalter, teilnahmsloser, mitleidloser, rücksichtsloser, zu Aggressionen neigender Gewalttäter ist (S. 230 d.A.). Die Berufung vermag somit insgesamt keine Fehler des Erstgerichtes bei der Feststellung der Strafzumessungsgründe darzutun. Das vom Erstgericht gewählte Strafausmaß erscheint auch dem Obersten Gerichtshof dem Unrechtsgehalt der Taten und dem Verschulden des Angeklagten angepaßt.
Der Berufung war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung ist in der im Spruch genannten Gesetzesstelle verankert.
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