Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die am 16.Oktober 1948 geborene beschäftigungslose Gabriele A und der am 24.Juni 1953 geborene zuletzt ebenfalls beschäftigungslose Leszek B des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen (Gesellschafts-)Diebstahls nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 1, 128 Abs 1 Z. 4, 130 erstem Fall StGB. (Punkt I. des Schuldspruches), der Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 (im Urteil auf S. 350 unrichtig § 35) Abs 1 und Abs 2 zweitem Fall (im Urteil unrichtig erster Fall) StGB. (Punkt VIII. des Schuldspruches) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB. (Punkt IX. des Schuldspruches), Leszek B zu VIII. und IX. in der Form eines sonstigen Tatbeitrages gemäß § 12 dritte Alternative StGB., und weiters beide Angeklagten des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z. 1 und 2 sowie Abs 2 zweitem Fall (Gewerbsmäßigkeit) SuchtgiftG. (Punkte V. und VII., bei A auch Punkt VI. des Urteilssatzes) schuldig gesprochen. Außerdem wurde Gabriele A noch des Verbrechens des teils vollendeten und teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z. 1 und Abs 2, 148 erstem Fall, 15 StGB. (Punkte II. und III. des Schuldspruches) und Lezek B des Verbrechens der (gewerbsmäßig begangenen) Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z. 3 und Abs 3 StGB. (Punkt IV. des Schuldspruches) schuldig erkannt. Von weiteren Anklagepunkten wurden Gabriele A und Leszek B rechtskräftig freigesprochen.
Den Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, wobei Gabriele A die Nichtigkeitsgründe der Ziffern 4 und 10, Leszek B aber jene der Ziffern 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO. geltend macht.
Beide Angeklagten haben ferner Berufung erhoben.
Als Verfahrensmangel im Sinne des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes rügt die Angeklagte Gabriele A, durch die Abweisung der von ihrem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge auf Vernehmung der Zeugen Henriette E und Stefan F (S. 341 d. A.) in ihren Verteidigungsrechten beeinträchtigt worden zu sein. Aus den Aussagen der Genannten würde sich nämlich ergeben haben, daß sie vom Mitangeklagten Leszek B seit dem Jahre 1978 psychisch und physisch unter Druck gehalten worden sei, weshalb ihr Vater (Stefan F) gegen B mehrmals Anzeigen wegen gefährlicher Drohung erstattet habe, daß B ihre wirtschaftliche Existenz zerstört und überdies ihr gesamtes Mobiliar verkauft habe, um Rauschgift erwerben zu können, und daß von B auch sämtliche Versuche der Beschwerdeführerin, aus der Rauschgiftszene hinauszukommen, brutal unterdrückt worden seien. In der Hauptverhandlung habe sie B diesbezüglich nur darum nicht belastet, weil sie dazu in seiner Gegenwart psychisch außerstande gewesen sei und nach ihrer Haftentlassung schwerste Repressalien befürchtete.
Rechtliche Beurteilung
Der behauptete Verfahrensmangel ist nicht gegeben.
Die Beschwerdeführerin räumt ein, vom Inhalt des von ihrem Verteidiger gestellten Beweisantrages abgesehen, selbst keine in Richtung einer strafrechtlich relevanten Beeinflussung durch Leszek B weisenden Angaben gemacht zu haben. Vielmehr hat sie zugegeben, daß die Idee zu den Handtaschendiebstählen und zur Einlösung gefälschter Schecks von ihr ausgegangen ist (S. 24, 72-73 und 325-326 d.A.). Davon abgesehen wurde mit dem Antrag von der Beschwerdeführerin gar nicht unter Beweis gestellt, daß auf sie von Leszek B ein solcher Druck ausgeübt worden sei, daß der Angeklagten dadurch die Fähigkeit zu einer eigenen (freien) Willensbildung überhaupt genommen gewesen wäre. An der rechtlichen Beurteilung ihres kriminellen Verhaltens würde sich daher nichts ändern, auch wenn sie von Seiten des Mitangeklagten B beeinflußt worden wäre. Die Ablehnung des in Rede stehenden Beweisantrages konnte demnach schon darum keine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z. 4 StPO. begründen, weil die unter Beweis gestellten Umstände weder für die Entscheidung über die Schuld noch für den anzuwendenden Strafsatz von Bedeutung sind. Mit ihrer auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs 1 StPO. gestützten Rechtsrüge wendet sich die Angeklagte Gabriele A gegen die Annahme einer gewerbsmäßigen Begehung der Diebstähle und der Betrügereien und sohin gegen die Anwendung der Qualifikationsbestimmungen der §§ 130 und 148 StGB. In diesem Zusammenhang macht sie geltend, daß zum Entschluß, eine strafbare Handlung in der Absicht vorzunehmen, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB.), freie Willensbildung erforderlich sei, zu der die Angeklagte infolge ihrer Drogenabhängigkeit, die jede klare Absicht und vernünftiges Denken verdränge und im Süchtigen nur noch den Drang nach Befriedigung durch die Droge hervorrufe, nicht mehr imstande gewesen sei.
Auch diese Rüge versagt.
Laut dem vom Erstgericht als Feststellungsgrundlage herangezogenen Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen bestehen bei Gabriele A keine Anzeichen einer Geisteskrankheit oder eines Residual- oder Defektzustandes nach einer solchen; überhaupt fehlen Hinweise auf verstandesmäßige Beeinträchtigungen (S. 311, 329 und 353 d.A.). Das Erstgericht konnte deshalb auch im Hinblick auf dieses Gutachten mit zureichendem Grund den Schluß ziehen, daß die Angeklagte Gabriele A die Diebstähle und die Betrügereien in der Absicht begangen hat, sich durch fortgesetzte Begehung derartiger strafbarer Handlungen eine Einnahmsquelle zu verschaffen, um damit ihren Suchtgiftbedarf finanzieren zu können.
Die Annahme einer gewerbsmäßigen Begehung der Diebstähle und der Betrügereien (sowie des Suchtgiftverkaufs) wird auch durch die Drogenabhängigkeit der Angeklagten nicht gehindert. Denn durch eine solche Sucht wird, sofern sie nicht zur völligen Zerstörung der Persönlichkeit geführt hat, wofür sich bei der Beschwerdeführerin keine Anhaltspunkte ergeben, die Fähigkeit zur Willensbildung höchstens beeinträchtigt, nicht aber aufgehoben, und die verstandesmäßige Befähigung der Angeklagten wurde vom psychiatrischen Sachverständigen sogar als gut bezeichnet. Der Annahme der gewerbsmäßigen Begehung haftet somit ein Rechtsirrtum nicht an.
Der Angeklagte Leszek B bekämpft mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Ziffern 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde nur seinen Schuldspruch wegen (Gesellschafts-)Diebstahls (Punkt I. des Urteilssatzes). Ohne die von ihm geltend gemachten Nichtigkeitsgründe voneinander zu trennen, führt er aus, daß das Urteil insofern widersprüchlich sei, als einerseits festgestellt werde, die Angeklagten hätten mit gemeinsamem (Diebstahls-)Vorsatz den jeweiligen Tatort aufgesucht, anderseits aber auch, daß er sich (nur) auf Wunsch der Angeklagten A in die Nähe der Tatorte begeben habe. Auch die Mitangeklagte bestätige, daß er nie aktiv an einem Diebstahl mitgewirkt habe und daß sie allein auf die Idee solcher Diebstähle gekommen sei und er sie sogar davon abzuhalten versucht habe. Schon auf Grund dieser Aussagen könne eindeutig festgestellt werden, daß ein gemeinsamer Tatentschluß nicht gefaßt worden sei; er selbst habe weder Vorbereitungs- noch Ausführungshandlungen gesetzt, sondern sich immer erst nach der Tat mit der Angeklagten A getroffen. Es könne nicht einmal von einer physischen oder psychischen Unterstützung gesprochen und sein Verhalten daher lediglich als Hehlerei im Sinne des § 164 Abs 2 StGB. beurteilt werden.
Damit werden aber der Sache nach nur die Nichtigkeitsgründe der Ziffern 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO.
releviert; an einer Ausführung des ziffernmäßig weiters angerufenen Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z. 9
lit a StPO. fehlt es, weil Straflosigkeit des Angeklagten gar nicht geltend gemacht wird, sondern bloß dargetan werden soll, daß sein Verhalten einer anderen (milderen) Strafbestimmung zu unterziehen gewesen wäre.
Auch dieses Vorbringen hält jedoch einer Überprüfung nicht stand. Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, daß beide Angeklagten sich gemeinsam zur Tat entschlossen haben - mag dieser Entschluß auch vom Angeklagten B nur auf Betreiben von Gabriele A gefaßt worden sein - und daß der Beschwerdeführer Gabriele A zu den einzelnen Tatorten begleitet und dort auf sie gewartet hat (S. 355, 358), wurden vom Schöffengericht mit dem Hinweis auf die insoweit geständige Verantwortung beider Angeklagten, die sich in der Hauptverhandlung ausdrücklich schuldig bekannt haben (S. 323, 325, 326, 335
und 336) ausreichend begründet (S. 357).
Im Hinblick auf diese Feststellungen ist aber auch die Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 127 Abs 2 Z. 1
StGB. zutreffend, weil unter den Voraussetzungen jedweder Art von Beteiligung (i.S. des § 12 StGB.) - wie sie schon in der vom Erstgericht festgestellten Vereinbarung der Diebstähle zu erblicken ist - und der Anwesenheit des Beteiligten in der Ausführungsphase in unmittelbarer Nähe des Tatortes, wodurch der Haupttäter in seinem Tatentschluß erneut bestärkt wird, nicht mehr bloß Hehlerei wie im Falle lediglich späterer Übernahme der Beute oder Beteiligung am Erlös, sondern Mitwirkung am Gesellschaftsdiebstahl anzunehmen ist. Die Begriffe Mittäterschaft (Tatbegehung durch einverständlich zusammenwirkende unmittelbare Täter) und Gesellschaftsdiebstahl decken sich nämlich insofern nicht, als für letzteren unter der Voraussetzung des räumlichen Naheverhältnisses in der Ausführungsphase auch eine ansonsten nur als Tatbeteiligung im Sinne (der 2. oder) der 3. Alternative des § 12 StGB.
zu beurteilende Mitwirkung genügt (Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB.2, § 127, RN. 74 bis 76).
Dem Erstgericht ist somit auch im Zusammenhang mit der Beurteilung der Mitwirkung des Angeklagten Leszek B an den Diebstählen weder ein Begründungsmangel noch ein Subsumtionsfehler unterlaufen. Die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten waren daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte nach §§ 130, 28 StGB. über die Angeklagte Gabriele A eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und über den Angeklagten Leszek B eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 22 Monaten. Es ordnete ferner die Unterbringung der Gabriele A in einer Anstalt für entwähnungsbedürftige Rechtsbrecher nach § 22 StGB. an. Bei der Strafbemessung wertete das Gericht als erschwerend bei Gabriele A das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und mehrerer Vergehen, mehrere Angriffe und zahlreiche Qualifikationen, als mildernd das Geständnis, die Bereitschaft zur Schadensgutmachung, und daß es teilweise beim Versuch geblieben ist, bei Leszek B als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen, mehrere Angriffe und einschlägige Vorstrafen, als mildernd das Geständnis und die Bereitschaft zur Schadensgutmachung.
Die Berufung der Angeklagten Gabriele A richtet sich gegen die Einweisung in eine Anstalt für entwähnungsbedürftige Rechtsbrecher und gegen die Strafhöhe. Zu letzterem Begehren führt sie aus, daß sie die Taten über Einwirkung ihres Lebensgefährten B aus Furcht und Gehorsam begangen habe, und daß bei ihr eine nicht auf Arbeitsscheu zurückzuführende drückende Notlage bestand.
Nach der eigenen Verantwortung der Angeklagten in allen Verfahrensstadien, (insbesonders auch gegenüber dem Sachverständigen, ON. 23) wurde sie weder zum Suchtgiftmißbrauch noch zu den Vermögensdelikten gezwungen, wenn auch nicht übersehen werden kann, daß ihr Zuammenleben mit einem ebenfalls süchtigen Menschen, ihre Versuche sich aus der Drogenabhängigkeit zu befreien, noch wesentlich erschwerten. Ein mildernder Umstand im Sinne des § 34 Z. 14 StGB. kann aber nach der Aktenlage nicht angenommen werden. Auch wenn man die allerdings selbst verschuldete Notlage als weiteren Milderungsgrund heranzieht, ist im vorliegenden Fall bei der Begehung zahlreicher strafbarer Handlungen mit einem Vermögensschaden (Betrug und Diebstahl zusammengerechnet) von über 100.000 S die Strafe nicht zu hoch bemessen.
Aber auch die Unterbringung der Berufungswerberin in einer Anstalt für entwähnungsbedürftige Rechtsbrecher ist notwendig, wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. G (S. 313 und S. 329) ergibt. Die Behandlungsmöglichkeiten und Erfolgsaussichten sind in einer solchen Anstalt jedenfalls besser als im normalen Strafvollzug. Der Angeklagte Leszek B begehrt mit seiner Berufung eine Herabsetzung der Strafe. Davon, daß dieser Angeklagte ernsthaft versucht hat, wie er in der Berufung behauptet, seine Lebensgefährtin von strafbaren Handlungen abzuhalten, kann keine Rede sein. Er hat vielmehr gewerbsmäßig an den Diebstählen mitgewirkt, ohne daß seine Aufpassertätigkeit nur als untergeordnete Beteiligung gewertet werden könnte, und er hat gewerbsmäßig das aus dem Erlös der von A betrügerisch herausgelockten Geldbeträge angeschaffte Heroin an sich gebracht und (mit-) konsumiert. Auch wenn das Motiv der Straftaten die Befriedigung der eigenen Sucht war, liegt kein zusätzlicher Milderungsumstand vor. Das Erstgericht hat über B eine schuldangemessene Strafe verhängt.
Es war somit beiden Berufungen der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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