OGH 12Os86/81

OGH12Os86/8117.9.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. September 1981

unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Steininger, Dr. Friedrich und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Oberhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Kurt A wegen Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 27. November 1980, GZ 10 Vr 346/80-18, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Hirtzberger und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird jedoch das angefochtene Urteil im Ausspruch über die Vorhaftanrechnung dahin ergänzt, daß die Vorhaft gemäß § 38 StGB sowohl auf die gemäß § 12 Abs 1 SuchtgiftG verhängte Freiheitsstrafe als auch auf die gemäß § 12 Abs 4 SuchtgiftG verhängte (Wertersatz-)Geldstrafe angerechnet wird. Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 6. September 1958 geborene Tankwart Kurt A des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG sowie der Vergehen nach § 16 Abs 1 Z 2 SuchtgiftG und nach § 36 Abs 1 lit a WaffenG schuldig erkannt. Inhaltlich des Schuldspruchs hat er vorsätzlich A/ im Raum Krems an der Donau, in Wien, Baumgarten bei Tulln und andernorts 1. von 1978 bis April 1980 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in solchen Mengen in Verkehr gesetzt, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, und zwar insgesamt ca 500 Gramm Haschisch (Cannabisharz), ca 105 Stück 'Kaptagon' und vier Portionen ('trips') LSD, 2. von 1976 bis April 1980 über die zu 1. genannten Mengen hinaus unberechtigt Suchtgifte zum Eigenverbrauch erworben und besessen und zwar:

insgesamt ca 240 Gramm Haschisch (Cannabisharz), ca 150 Gramm Marihuana, einige Packungen 'Captagon' und drei Portionen ('trips')

LSD;

B/ von 1978 bis Ende 1979 in der Umgebung von Hadersdorf am Kamp mehrmals unbefugt die Faustfeuerwaffen Revolver-Magnum Kal 3,75 und Pistole Kal 22 long-rifle des abgesondert verfolgten Josef B geführt.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte lediglich im Schuldspruch zu Punkt A/ des Urteilssatzes mit einer auf die Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Schuldspruch wegen unbefugten Führens von Schußwaffen (Punkt B/ des Urteilssatzes) blieb hingegen unangefochten.

Rechtliche Beurteilung

Unter Anrufung des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes wirft der Beschwerdeführer dem Erstgericht zunächst vor, die Urteilsfeststellung, daß er insgesamt ca 500 Gramm Haschisch und 4 Portionen ('trips') LSD in Verkehr gesetzt und darüber hinaus unberechtigt ca 240 Gramm Haschisch zum Eigenverbrauch erworben und besessen hat, sei mengenmäßig durch sein als Feststellungsgrundlage angegebenes polizeiliches Geständnis nicht gedeckt und daher offenbar unzureichend begründet.

Dem ist jedoch zu erwidern, daß das Erstgericht die bemängelte Konstatierung nicht nur auf die polizeilichen Angaben, sondern überhaupt auf das - auch vor dem Untersuchungsrichter und (eingeschränkt) in der Hauptverhandlung abgelegte - Geständnis des Angeklagten sowie auf die bezüglichen polizeilichen Erhebungen (vgl insbesondere ON 9) gestützt hat (S 259, 260) und solcherart (in freier Beweiswürdigung) sehr wohl zu der Überzeugung gelangen konnte, daß der Angeklagte eine insgesamt 500 Gramm Haschisch weit übersteigende Suchtgiftmenge (der Angeklagte räumte etwa laut S 27 vor dem Untersuchungsrichter die Möglichkeit ein, allein von Alfred C 250 Gramm Haschisch erhalten zu haben) erworben und hievon ca (womit die Größenordnung ohnedies nur grob umrissen ist) 500 Gramm Haschisch sowie weitere 4 Portionen LSD (vgl das Geständnis S 29 a, aus dem sich ua der Verkauf von 1 LSD-Trip an Peter D und von 3 LSD-Trips an Herbert E ergibt) in Verkehr gesetzt hat.

Hiebei hat das Erstgericht entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht mit dem Hinweis auf die größere Wahrscheinlichkeit der unter dem Eindruck der Verhaftung (vgl S 259) gemachten früheren Angaben in 'gedrängter Darstellung' (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) auch hinreichend begründet, warum es den in der Hauptverhandlung vorgenommenen Einschränkungen im Geständnis des Angeklagten den Glauben versagt hat.

Ob aber jene Haschischmenge, die der Angeklagte - über das in Verkehr gesetzte Suchtgift hinaus - zum Eigenverbrauch erworben und besessen hatte, tatsächlich 240 Gramm oder weniger betragen hat, betrifft in bezug auf die Verurteilung nach § 16 Abs 1 Z 2 SuchtgiftG (Punkt A/2 des Urteilssatzes) - die nur ein überhaupt erfaßbares Quantum voraussetzt, für die aber die Größe der erworbenen bzw besessenen Suchtgiftmenge ohne Belang ist (vgl ÖJZ-LSK 1981/

64) - keine entscheidende Tatsache.

Keine Unvollständigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO, sondern (der Sache nach) einen Feststellungsmangel im Sinne des § 281 Abs 1 Z 10 StPO macht der Beschwerdeführer mit der Behauptung geltend, im Urteil werde die Frage, an wie viele Personen er das Suchtgift weitergegeben und ob es sich bei diesen um Zwischenhändler oder um Endverbraucher gehandelt habe, mit Stillschweigen übergangen. Ein solcher Feststellungsmangel liegt jedoch nicht vor.

Denn das Erstgericht - das im übrigen seine Feststellungen (wie bereits erwähnt) keineswegs ausschließlich auf der Verantwortung des Angeklagten aufgebaut hat - bringt im Urteil ohnedies deutlich zum Ausdruck, daß der Angeklagte die Verkäufe im Raume Krems an 11 Personen aus seinem Bekanntenkreis und darüber hinaus (an namentlich nicht näher bekannte Personen) in der Discothek 'C***' in Baumgarten bei Tulln durchführte, wobei die Käufer das Haschisch nur zum Teil selbst konsumierten, zum Teil aber auch (wie in Suchtgiftkreisen üblich) weiterverhandelten (vgl S 258). Den Beschwerdebehauptungen zuwider ist dem angefochtenen Urteil auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß die Herbeiführung einer (abstrakten) Gemeingefahr vom Vorsatz des Angeklagten umfaßt war (vgl S 260).

Es geht aber auch die auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Rechtsrüge fehl, in welcher der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, das ihm zu Punkt A/1 des Urteilssatzes angelastete Tatverhalten müsse (gleichfalls bloß) als Vergehen nach § 16 (Abs 1 Z 1) SuchtgiftG beurteilt werden:

Soweit er (neuerlich) das Fehlen ausreichender Feststellungen zur Frage der Herbeiführung einer Gemeingefahr (insbesondere auch bezüglich seines allfälligen Gefährdungsvorsatzes) bemängelt, bringt er den geltend gemachten (materiellrechtlichen) Nichtigkeitsgrund - bei dessen Ausführung an den Urteilsfeststellungen festgehalten werden muß - angesichts der (von ihm vernachlässigten) im Urteil hiezu ohnedies ausreichend getroffenen Konstatierungen nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Es kann ihm aber auch nicht gefolgt werden, soweit er vermeint, die vorhandenen Urteilsfeststellungen könnten die Annahme einer 'Gefahr in größerer Ausdehnung' nicht rechtfertigen. Eine solche Gefahr - das wirkliche Naheliegen eines Schadens am Leben oder an der Gesundheit von Menschen ist (arg: 'entstehen kann') nicht erforderlich, abstrakte Gefährdung also ausreichend - in größerer Ausdehnung liegt nämlich (nach ständiger, gefestigter Judikatur) vor, wenn zu besorgen ist, daß wenigstens 30 bis 50 Menschen vom Rauschgift erreicht und dadurch der Sucht zugeführt oder in ihr bestärkt werden.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer nach den Urteilsannahmen nicht nur ein weit größeres Suchtgiftquantum als die sogenannte 'Grenzmenge' in Verkehr gesetzt, sondern darüber hinaus bereits selbst eine verhältnismäßig breit gestreute Verteilung vorgenommen und das Suchtgift keineswegs lediglich an Endverbraucher, sondern auch an Personen verkauft, die es (zumindest zum Teil) ihrerseits weiterverhandelten (S 258), worin sich in concreto zeigt, daß er weder willens noch in der Lage war, die solcherart herbeigeführte Gefahr soweit zu begrenzen, daß sie das erwähnte Ausmaß nicht erreichen konnte.

Da das Erstgericht schließlich auch ausdrücklich konstatierte, daß der Angeklagte diese Gemeingefahr vorsätzlich herbeigeführt hat - was im übrigen auch schon deshalb nahelag, weil er selbst Suchtgiftkonsument und daher sowohl mit der Wirkungsweise des Suchtgifts als auch mit den Gepflogenheiten in der Suchtgiftszene (teilweises Weiterverhandeln zur Finanzierung der eigenen Sucht) vertraut war -, war die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde war jedoch gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen, daß das Urteil deshalb mit einer vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 11

StPO behaftet ist, weil das Erstgericht die Vorhaft - die gemäß § 38 StGB auf Freiheitsstrafen und auf Geldstrafen anzurechnen ist - ausschließlich auf die (gemäß § 12 Abs 1 SuchtgiftG verhängte) Freiheitsstrafe, nicht aber auch auf die (gemäß § 12 Abs 4 SuchtgiftG ausgesprochene) Geldstrafe angerechnet hat.

Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft war mithin entsprechend zu ergänzen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28 StGB, 12 Abs 1 SuchtgiftG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 1 (einem) Jahr sowie gemäß § 12 Abs 4

SuchtgiftG zu einer Wertersatzgeldstrafe in der Höhe von 35.910 S, im Nichteinbringungsfall 6 (sechs) Wochen Ersatzfreiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die Fortsetzung der strafbaren Handlungen durch lange Zeit sowie das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, als mildernd hingegen das Geständnis und den Umstand, daß der Angeklagte einen Teil der strafbaren Handlungen im Alter von unter 21 Jahren begangen hat. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe und deren bedingte Nachsicht an. Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Zunächst kann von einem ordentlichen Lebenswandel des Berufungswerbers und damit vom Vorliegen des Milderungsumstandes nach § 34 Z 2 StGB, auf den die Berufung abstellt, nicht gesprochen werden, weil der Berufungswerber eine (wenn auch nicht einschlägige) Vorstrafe aufweist. Daß der Berufungswerber - den weiteren Ausführungen in der Berufung zufolge - seit (anfangs) April 1980 (also unmittelbar vor Einleitung des gegenständlichen Strafverfahrens gegen ihn) nicht mehr suchtgiftsüchtig ist, läßt zwar die Besserungswilligkeit des Angeklagten erkennen, vermag aber angesichts des Umstandes, daß die vom Erstgericht verhängte Strafe die gesetzliche Mindeststrafe darstellt, die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nicht zu rechtfertigen, zumal es sich bei den abgeurteilten Straftaten keineswegs um atypisch leichte Fälle handelt. Dazu kommt, daß der Berufungswerber bereits einmal straffällig geworden ist, was ihn nicht davon abgehalten hat, weiterhin strafbare Handlungen zu begehen.

Dem Begehren auf Strafreduzierung mußte demnach ein Erfolg versagt bleiben.

Aber auch das Begehren um Gewährung bedingter Strafnachsicht ist nicht begründet.

Auch wenn berücksichtigt wird, daß der Berufungswerber freiwillig den Suchtgiftkonsum aufgegeben hat, so darf doch anderseits nicht außer acht gelassen werden, daß er jahrelang mit Suchtgiften gehandelt hat, sodaß seine Schuld als relativ hoch zu bewerten ist, was gegen die Gewährung der angestrebten Rechtswohltat spricht. Dazu kommen aber auch, wie das Erstgericht im Ergebnis zutreffend hervorhebt, generalpräventive Erwägungen, die gegen die Gewährung bedingter Strafnachsicht sprechen. Nach Lage des Falles bedarf es sowohl aus spezial- als auch aus generalpräventiven Gründen des sofortigen Vollzuges der verhängten Freiheitsstrafe, sodaß auch der Berufung zur Gänze ein Erfolg versagt bleiben mußte. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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