Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, der Angeklagte mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 29.Jänner 1955 geborene Franz Arthur A des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB. schuldig erkannt, weil er in der Zeit ab Mai 1979 bis November 1979 während seiner Anhaltung in der Strafvollzugsanstalt Garsten mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, den Mithäftling Otto B durch die unter Benützung gefälschter (nachgemachter) Briefe erfolgte Vorspiegelung (der Vermittlung) einer Korrespondenz mit Beatrix C, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zur Überlassung eines Fotoalbums, zweier Schmuckkassetten und eines Einlegebildes, mithin zu Handlungen verleitet hat, die Otto B an seinem Vermögen in einem 5.000 S nicht übersteigenden Betrag schädigten. Eine Qualifikation der Tat nach § 147 Abs 1 Z. 1 StGB. lag nach Ansicht des Erstgerichts nicht vor. Nach den wesentlichen, diesem Schuldspruch zugrundeliegenden Urteilsfeststellungen hat der zur Tatzeit in der Strafvollzugsanstalt Garsten in Strafhaft angehaltene Angeklagte Franz Arthur A dem gleichfalls dort im Strafvollzug befindlichen Otto B eine Brieffreundschaft mit Beatrix C, einer Nachbarin der Gattin des Angeklagten A, vorgetäuscht, indem er die von Otto B in der Haftanstalt verfaßten, an Beatrix C gerichteten Schreiben unter der Vorspiegelung, sie mit seiner eigenen Korrespondenz durch seine Ehegattin der Adressatin zukommen zu lassen, solcherart zur - vorgegebenen - Weiterleitung an Beatrix C übernommen und insgesamt 18 angeblich von Beatrix C stammende, an Otto B gerichtete Briefe, deren Herstellung durch (unbekannt gebliebene) Mithäftlinge der Angeklagte A veranlaßt und von denen er möglicherweise die ersten drei selbst geschrieben hatte, dem Otto B ausgefolgt hat. Im Verlaufe dieser vom Angeklagten A dem Otto B vorgetäuschten Korrespondenz mit Beatrix C, in welcher zuletzt schon von einer (angeblich) beabsichtigten Eheschließung der Genannten mit Otto B die Rede war, übergab letzterer dem Angeklagten wiederholt als Geschenke für Beatrix C gedachte Gegenstände, und zwar ein Fotoalbum, zwei Schmuckkassetten und ein Einlegebild im Gesamtwert von etwa 2.000 S bis 3.000 S zur Weiterleitung, die der Angeklagte aber bestimmungswidrig für sich behielt und in der Strafvollzugsanstalt Garsten (ersichtlich unter Erzielung eines Vermögensvorteils) weiterverhandelte.
Der Angeklagte A hat in dem vorliegenden, auf Grund einer von Otto B gegen ihn erstatteten Anzeige eingeleiteten Strafverfahren jeden Zusammenhang mit den von Otto B anläßlich der Anzeigeerstattung vorgelegten, angeblich von Beatrix C geschriebenen Briefen, insbesondere die Übergabe dieser Briefe an Otto B, bestritten und behauptet, sich weder zur Vermittlung eines Briefwechsels zwischen dem Mithäftling Otto B und Beatrix C erboten noch von Otto B jemals irgendwelche Gegenstände zur Weiterleitung an Beatrix C übernommen zu haben, wobei er die von Otto B gegen ihn erhobenen Anschuldigungen als einen Racheakt darstellte (vgl. S. 33, 38 und 83 bis 85 d.A.).
Da der Anzeiger Otto B als Zeuge in der Hauptverhandlung angegeben hatte, dem Angeklagten einen Teil der zur Weiterleitung an Beatrix C bestimmten Sachen, insbesondere das Einlegebild (Rosenbild), durch den damals als Gangarbeiter in der Strafvollzugsanstalt Garsten beschäftigten Strafhäftling Winfried D ausgefolgt zu haben (S. 89 und 90 d.A.), und sich außerdem darauf berufen hatte, daß ihm durch die Anstaltsleitung, und zwar durch Herrn E oder dessen Vertreter, nachträglich ein Auftragsschein für das dem Angeklagten gleichfalls zur Ausfolgung an Beatrix C übergebene Fotoalbum ausgestellt worden sei (S. 90 und 91 d.A.), beantragte der Angeklagte A in der Hauptverhandlung durch seinen Verteidiger u.a. die zeugenschaftliche Vernehmung des Winfried D zum Beweis dafür, daß dieser keine Gegenstände von Otto B erhalten und an ihn (den Angeklagten) weitergegeben habe (S. 92 d.A.), sowie die Einvernahme des Justizwachebeamten E, durch den der Nachweis erbracht werden sollte, daß im Juli 1979 oder kurz zuvor von Otto B (in der Strafanstalt Garsten) kein Fotoalbum angekauft worden sei und dem Angeklagten ein solches daher auch nicht übergeben worden sein könne (S. 92 d.A.). Außerdem beantragte der Angeklagte in der Hauptverhandlung die Einholung eines graphologischen Gutachtens zum Nachweis dafür, daß er die gegenständlichen (gemeint: die vom Anzeiger Otto B vorgelegten) Briefe nicht geschrieben habe (S. 91 d.A.). Das Erstgericht hielt diese Beweisanträge zur weiteren Wahrheitsfindung für unerheblich und wies sie deshalb mit - in der Hauptverhandlung gemäß dem § 238 StPO. - verkündetem Zwischenerkenntnis ab (S. 92/93 d.A.).
Rechtliche Beurteilung
Das Urteil bekämpft der Angeklagte Franz Arthur A mit einer auf die Gründe der Z. 4 und 5 des § 281 Abs 1
StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen und demnach unzulässigen Schuldberufung, ferner mit Strafberufung, die aber nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, weil er hiebei allein davon ausgeht, den ihm angelasteten Betrug nicht begangen zu haben. Die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil gleichfalls Nichtigkeitsbeschwerde erhoben und strebt in Ausführung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z. 10 StPO. eine Beurteilung des dem Angeklagten A angelasteten Betruges auch nach der - im Ersturteil verneinten - Qualifikationsnorm des § 147 Abs 1 Z. 1 StGB.
an. Die Strafberufung der Staatsanwaltschaft erschöpft sich in dem Hinweis, daß bei Annahme der Betrugsqualifikation nach der vorzitierten Gesetzesstelle die Strafe nach dem § 147 Abs 1 StGB. auszumessen wäre, was zu einer Erhöhung des Strafausmaßes führen müsse. Damit läßt auch die Berufung der Anklagebehörde eine gesetzmäßige Ausführung vermissen.
Was aber die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A anlangt, so ist schon dem Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund der Z. 4 des § 281 Abs 1 StPO. Berechtigung zuzuerkennen:
Im Hinblick darauf, daß im Ersturteil ausdrücklich die Möglichkeit offen gelassen wird, der Beschwerdeführer könnte der Verfasser der ersten drei, angeblich von der Hand der Beatrix C stammenden Briefe an Otto B sein (S. 98 und 105 d.A.), kann dem Beweisantrag des Angeklagten A auf Einholung eines graphologischen Gutachtens nicht von vornherein jede Relevanz abgesprochen werden. Vor allem durch die Vernehmung des vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen D, aber auch durch eine Vernehmung des Justizwachebeamten E könnte die Darstellung des als Zeugen vernommenen Anzeigers Otto B, auf dessen für glaubwürdig beurteilte Aussage allein das Erstgericht den Schuldspruch des Beschwerdeführers stützt (vgl. S. 101 bis 103 d. A.), erheblich erschüttert werden, wird doch im Ersturteil ausdrücklich damit argumentiert, daß es dem Angeklagten im Zuge dieses Strafverfahrens nicht gelungen sei, Umstände aufzuzeigen, derentwegen die Glaubwürdigkeit des Anzeigers in Zweifel gezogen werden könnte. So könnte insbesondere der Zeuge D, der dem Angeklagten das Einlegebild (zur Weiterleitung an Beatrix C) übergeben haben soll, die Darstellung des Anzeigers in einem wesentlichen Punkt in Frage stellen, wobei es auf eine - unzulässige - vorgreifende Beweiswürdigung hinausläuft, dem hierüber gar nicht befragten Zeugen B von vornherein einen ihm allenfalls hinsichtlich der Person des Vermittlers unterlaufenen Irrtum zuzubilligen (S. 92- 93 d.A.). So gesehen wurde aber der Beschwerdeführer durch die Ablehnung dieser Beweisanträge in seinen Verteidigungsrechten entscheidend beeinträchtigt, sodaß das Ersturteil mit dem Nichtigkeitsgrund der Z. 4
des § 281 Abs 1 StPO. behaftet ist.
Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher Folge zu geben und wie im Spruch zu erkennen.
Im zweiten Rechtsgang wird im Falle eines neuerlichen Schuldspruchs des Angeklagten wegen Betrugs bei Prüfung der von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift (sowie mit ihrer gegen das Urteil gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde) angestrebten Tatqualifikation nach § 147 Abs 1 Z. 1 StGB. zu beachten sein:
Der qualifizierte Betrug i.S. des § 147 Abs 1 Z. 1
StGB. betrifft die Täuschung mit besonders gefährlichen Mitteln (EB. S. 295). Bei dem - hier in Frage kommenden -
ersten und zweiten Anwendungsfall kommt zur Täuschung über Tatsachen noch die Benützung von Urkunden und anderen Beweismitteln, die entweder die unrichtige Tatsachenbehauptung verstärken oder (durch die Vorlage und Behauptung allein) die Täuschungshandlung beinhalten.
Die fallgegenständlichen Briefe sind zwar nicht als Urkunden im Sinne des § 74 Z. 7 StGB. anzusehen, weil sie nicht zu den rechtserheblichen Zwecken, wie in dieser Gesetzesstelle umschrieben errichtet wurden. Wohl aber entsprechen sie nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs den objektiven Kriterien eines 'anderen Beweismittels' i.S.
des § 147 Abs 1 Z. 1 StGB., weil an ihrer abstrakten Eignung, von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsache zu überzeugen (LSK 1976/176; Leukauf-Steininger2, RN. 10
zu § 147) füglich nicht gezweifelt werden kann. Eine Einschränkung dahin, diese Qualifikation auf die Fälle des Prozeß- und Behördenbetrugs zu beschränken (Kienapfel, BT. II, RN. 57 zu § 147), bzw. dahin, das Beweismittel müsse geeignet sein, ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Verfahrensbehauptung zu überzeugen (Foregger-Serini, MKK., Anm. II zu § 147) erscheint dem Obersten Gerichtshof auf Grund des Gesetzestextes und des daraus erkennbaren Wunsches des Gesetzgebers, solche Handlungen strenger zu pönalisieren, die eine besondere betrügerische Intensität verkörpern, also über bloße lügenhafte Behauptungen hinausgehen (Liebscher RN. 3 bei § 147 StGB.) nicht vertretbar (siehe abermals Leukauf-Steininger2, RN. 10 zu § 147, letzter Satz). Die Bestimmung des § 293 StGB. kann zur Unterstützung der angedeuteten restriktiven Interpretation des Beweismittelbegriffes nicht herangezogen werden, weil in dieser zu den strafbaren Handlungen gegen die Rechtspflege zählenden Norm - zum Unterschied von § 147 Abs 1 Z. 1
StGB. - ausdrücklich auf den Vorsatz abgestellt wird, daß das Beweismittel in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht werde. Daß es sich bei den Briefen um 'falsche' Beweismittel handelt, bedarf keiner Erörterung, weil sie eine andere Person als ihren wahren Urheber als Verfasser ausweisen. Im übrigen wird im erneuerten Verfahren auch darauf Bedacht zu nehmen sein, daß zum einen ein auf Erreichung eines persönlichen Vorteils abzielendes Tätervorhaben nicht generell schon einem - zur Verwirklichung des Tatbestandes des Betruges erforderlichen - Handeln mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz gleichgesetzt werden kann und zum anderen, daß die Annahme der Qualifikation nach § 147 Abs 1 Z. 1 StGB. neben einem Handeln des Täters mit - schon im Zeitpunkte der Benützung der Beweismittel vorgelegenem - zumindest bedingtem Bereicherungsund Schädigungsvorsatz auch einen zwischen den den einzelnen Tatbestandsmerkmalen des Betruges entsprechenden Handlungen bestehenden Kausalzusammenhang erfordert (vgl. Leukauf-Steininger2, RN. 1, 23 und 24 zu § 146).
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