OGH 9Os98/81

OGH9Os98/8111.8.1981

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Fuchs als Schriftführer in der Strafsache gegen Hermann A wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 7. Mai 1981, GZ. 12 Vr 45/81-13, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Das Schöffengericht erkannte den am 27. November 1946 geborenen Gendarmeriebeamten Hermann A des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB. schuldig und verurteilte ihn zu einer für eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe. Nach den Urteilsannahmen liegt dem Genannten zur Last, am 5. Oktober 1980 in Frohnleiten als Beamter des dortigen Gendarmeriepostenkommandos mit dem Vorsatz, dadurch den Führerscheinwerber Johannes B in seinem Recht auf Erlangung der Lenkerberechtigung zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht zu haben, indem er in einem an die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung gerichteten Erhebungsbericht insoferne Bedenken gegen die Erteilung der Lenkerberechtigung äußerte, als er bewußt wahrheitswidrig ausführte, Johannes B habe am 1. April 1979 mit seinem Motorfahrrad durch seine unverantwortlich schnelle Fahrweise im Ortsgebiet einen Verkehrsunfall verursacht.

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Ziffern 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1

StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Durch die Abweisung des Antrages auf Vernehmung der Zeugen Oberstleutnant C und Rechtsanwalt Dr. Josef D wurden, wie die Beschwerde zutreffend rügt, Verteidigungsrechte des Angeklagten beeinträchtigt.

Der erstgenannte Zeuge wurde (dem Sinne nach) zum Beweise dafür geführt, daß die Beamten bei der Erledigung von Aufträgen zur Vornahme von Erhebungen im Sinne des § 66

KFG. 1967 alle ihnen auf Grund eigener und dienstlicher Wahrnehmungen zur Kenntnis gelangten Umstände anzuführen haben, aus denen sich die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Verkehrszulässigkeit ergeben könnte, wobei auf tatsächlich erfolgte Anzeigenerstattungen oder Verurteilungen durch eine Behörde keine Rücksicht zu nehmen ist. Der Rechtsanwalt Dr. Josef D - der die Gattin des Angeklagten in einem Strafverfahren vertreten hatte, das wegen eines Unfalles vom 1. April 1979 gegen sie eingeleitet wurde, an dem auch Johannes B als Lenker eines Mopeds beteiligt war - sollte hingegen inhaltlich des Beweisantrages bekunden, daß der Angeklagte von ihm dahingehend informiert worden war, der Unfall seiner Gattin sei von B durch Einhalten einer für die Sichtverhältnisse überhöhten Geschwindigkeit zumindest mitverschuldet worden. Überdies sollte dieser Zeuge auch aussagen, daß der Angeklagte im erwähnten Verfahren gegen seine Gattin weder bei der Verhandlung, in der das Sachverständigengutachten erstattet wurde, noch bei der Berufungsverhandlung anwesend war (und demzufolge auch nicht wußte, daß der Sachverständige und das Gericht ein Mitverschulden des B nicht angenommen hatten).

Beide Beweisanträge wies das Erstgericht mit der Begründung ab, es könnten die beantragten Zeugen nur rechtliche Interpretationen wiedergeben, nicht aber zu maßgeblichen Tatsachen Aussagen deponieren.

Dieser Ansicht des Erstgerichtes kann jedoch nicht gefolgt werden, da die Vernehmung der Zeugen C und Dr. D für die Beurteilung der Frage bedeutsam sein kann, ob der Angeklagte mit dem zum Tatbestand des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt gehörigen Vorsatz gehandelt hat. Denn der subjektive Tatbestand des Verbrechens nach § 302 Abs 1 StGB. erfordert, daß der Täter seine Befugnis, Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, sohin Inhalt und Umfang seiner amtlichen Obliegenheiten kennt und weiß, daß er diesen Obliegenheiten zuwiderhandelt. Es genügt demnach nicht, daß der Beamte bloß für möglich hält, Rechtsvorschriften zu verletzen. Er muß auch wissen, daß er einen ihm eingeräumten Ermessensspielraum verletzt. Hält er sich innerhalb desselben, kann ihm ein Mißbrauch der Amtsgewalt im allgemeinen nicht angelastet werden. Entscheidet er allerdings innerhalb dieses Spielraumes wissentlich nach unsachlichen Kriterien (Zu- oder Abneigung, parteipolitischen Erwägungen und dergleichen), dann liegt bei Schädigungsvorsatz Mißbrauch der Amtsgewalt in Form des Ermessensmißbrauches vor (vgl. dazu SSt 22/77).

Unter diesem Blickwinkel betrachtet, könnte das Ergebnis der Vernehmung der Zeugen C und Dr. D durchaus von Bedeutung für die Beurteilung der Tatfrage sein, ob der Angeklagte wissentlich seine Befugnis, Amtsgeschäfte vorzunehmen, mißbrauchte, als er B eines Verhaltens bezichtigte, das seine Verläßlichkeit im Sinne des § 66 KFG. 1967 in Frage zu stellen geeignet ist. Hat nämlich Dr. D dem Angeklagten mitgeteilt, daß B bei dem erwähnten Unfall eine für die Verhältnisse überhöhte Geschwindigkeit eingehalten hat, und bestätigt der Zeuge C, daß Gendarmen auf Grund der ihnen erteilten Weisungen dazu verpflichtet (bzw. unter bestimmten Voraussetzungen auch bloß berechtigt) sind, derartiges Privatwissen der Bezirkshauptmamnschaft - unabhängig vom Ausgang eines bezüglichen Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens - mitzuteilen, dann könnten sich daraus für das Gericht neue Aspekte bei der Beurteilung der inneren Tatseite zugunsten des Angeklagten ergeben. Da die aufgezeigten Verfahrensmängel die Anordnung einer neuen Verhandlung nicht vermeiden lassen, war der Beschwerde des Angeklagten Folge zu geben und das Ersturteil aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf die übrigen geltend gemachten Nichtigkeistgründe der Z. 5

und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO. bedurfte.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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