OGH 12Os85/81

OGH12Os85/816.8.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. August 1981 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Oberhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Ernestine A und Johann B wegen des Vergehens des versuchten schweren Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 1 und einer anderen strafbaren Handlung über die von beiden Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 12. März 1981, GZ 20 a Vr 11.501/80-84, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers der Angeklagten Ernestine A, Rechtsanwalt Dr. Maria Oehlzand und des Verteidigers des Angeklagten Johann B, Rechtsanwalt Dr. Karl Bernhauser sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerden wird gemäß §§ 290 Abs 1, 344 StPO der Angeklagten Ernestine A gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB die Vorhaft auch ab dem 18. September 1980, 1,40 Uhr bis zum 19. September 1980, 1,30 Uhr auf die Strafe angerechnet. Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Ernestine A und Johann B auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen wie folgt schuldig erkannt:

1. Ernestine A zu Punkt I/ des Schuldspruches des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1 StGB (Hauptfrage, fortlaufende Zahl 3) und zu Punkt III/ des Schuldspruches des Vergehens des versuchten schweren Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 1 StGB (Eventualfrage, fortlaufende Zahl 12);

2. Johann B zu Punkt II/ des Schuldspruches des Vergehens der vorsätzlichen leichten Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (Eventualfrage, fortlaufende Zahl 8) und zu Punkt III/ des Schuldspruches des Vergehens des versuchten schweren Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 1 StGB (Eventualfrage, fortlaufende Zahl 14).

Von der Angeklagten Ernestine A ausdrücklich und vom Angeklagten Johann B der Sache nach wird das Urteil lediglich im Schuldspruch Punkt III/ wegen des Vergehens des versuchten schweren Diebstahls bekämpft.

Danach haben die beiden Angeklagten am 18. September 1980 in Gesellschaft als Beteiligte mit Bereicherungsvorsatz versucht, dem vom Angeklagten Johann B niedergeschlagenen Betrunkenen Johann C unter Ausnützen der für Johann C infolge Trunkenheit und nach seinem Niederschlagen eingetretenen Situation, die den Genannten hilflos machte, einen Geldbetrag von ca S 800,-- wegzunehmen, indem der Angeklagte B C hochhob, während die Angeklagte A dessen vordere Hosentaschen nach Geld durchsuchte.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Ernestine A:

Aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 8, 'allenfalls' auch der Z 12, des § 345 Abs 1 StPO rügt diese Angeklagte primär eine ihrer Ansicht nach in Ansehung der Qualifikation des Bedrängnisdiebstahles nach dem § 128 Abs 1 Z 1 StGB vorliegende Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung zum Begriff des Zustandes der Hilflosigkeit.

Rechtliche Beurteilung

Dies nicht zu Recht.

Denn die einschlägigen, allgemein verständlichen Ausführungen in der Rechtsbelehrung zur Auslegung des erwähnten Gesetzesbegriffes, wonach hilflos ist, wer zur Zeit der Tat verschuldet oder unverschuldet außerstande oder schwer behindert ist, seinen Besitz zu schützen, wobei die Hilflosigkeit beispielsweise auch infolge schwerer Alkoholisierung des Opfers gegeben sein kann (sh S 14 der Belehrung), entsprechen der herrschenden Rechtsprechung und Lehre (vgl Leukauf-Steininger2, RN 13 zu § 128 StGB), so daß von einer sachlich unrichtigen, dh den gesetzlichen Bestimmungen oder Grundsätzen des Strafrechtes oder Strafverfahrens widersprechenden, Belehrung der Geschwornen nicht die Rede sein kann.

Soweit die Beschwerdeführerin dem Sinne nach eine Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung darin erblickt, daß nicht dargetan worden sei, 'unter welchen Voraussetzungen jemand außerstande oder schwer behindert sei, seinen Besitz zu schützen', insofern ein Sachverständigengutachten für erforderlich hält und aus, indes willkürlich aus dem Zusammenhang gelösten, Teilen der Aussage des Zeugen Veli D abzuleiten sucht, daß sich das Opfer zur Tatzeit in keinem den Voraussetzungen des § 128 Abs 1 Z 1

StGB entsprechenden Zustand befand, verkennt sie das Wesen der den Geschwornen zu erteilenden Rechtsbelehrung sowie des Nichtigkeitsgrundes einer unrichtigen Rechtsbelehrung nach § 345 Abs 1 Z 8 StPO und bekämpft darüber hinaus nur in unzulässiger Weise die freie Beweiswürdigung der Geschwornen.

Gegenstand der gemäß § 321 StPO schriftlich zu erteilenden Rechtsbelehrung dürfen nämlich nur rechtliche, nicht aber, worauf die Beschwerde abzielt, tatsächliche Umstände sein, die nur für die Beweiswürdigung in Betracht kommen. Auf den Sachverhalt des zu beurteilenden Falles ist daher nicht einzugehen. Die Zurückführung der in die Frage aufgenommenen gesetzlichen Merkmale auf den von der Frage erfaßten Sachverhalt ist ausschließlich Sache der nach dem § 323 Abs 2 StPO mit den Geschwornen abzuhaltenden Besprechung (Gebert-Pallin-Pfeiffer III/3 Nr 8 zu § 345 Abs 1 Z 8 StPO). Die schriftliche Rechtsbelehrung hatte daher auch vorliegend in bezug auf den richtig erläuterten Begriff der Hilflosigkeit nach dem § 128 Abs 1 Z 1 StGB keinerlei Erörterungen in tatsächlicher Hinsicht zu enthalten. Der Hinweis der Beschwerde auf eine angebliche Erforderlichkeit eines Sachverständigengutachtens geht im gegebenen Zusammenhang fehl. Einer Verfahrensrüge (§ 345 Abs 1 Z 5 StPO) würden schon die Formalvoraussetzungen der Stellung eines entsprechenden Beweisantrages in der Hauptverhandlung und dessen Ablehnung oder Übergehen durch das Schwurgericht ermangeln. Erweist sich somit die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Ernestine A in dem Vorwurf einer unrichtigen Rechtsbelehrung als unbegründet, so ist sie, soweit sie ihr Vorbringen subsidiär auch auf den materiellen Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 12 StPO, damit sinngemäß auch die rechtliche Annahme der Qualifikation nach § 128 Abs 1 Z 1 StGB bekämpfend, stützt, nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil sie nicht von den bindenden Tatsachenfeststellungen im Wahrszruch der Geschwornen ausgeht.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann B:

Dieser Angeklagte wendet sich zunächst aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO gegen das Unterbleiben einer Zusatzfrage in der Richtung strafbefreienden Rücktrittes vom Versuch im Sinne des § 16 StGB.

Eine solche Zusatzfrage (§ 313 StPO) war jedoch, der Beschwerde zuwider, in den Ergebnissen des Verfahrens, in welchem die Angeklagten stets auch nur den Versuch eines Diebstahls, gelegen in dem vom einzigen unbeteiligten Zeugen D seiner Aussage nach wahrgenommenen (S 305 d. A) Durchsuchen der Taschen des Opfers durch die Angeklagte A, während es der Angeklagte B hochhielt, leugneten, wogegen das Opfer selbst die tatsächlich gelungene Abnahme des Geldbetrages behauptete (ON 30 und ON 83, S 302 d. A), nicht indiziert. Der bloße Umstand, daß der nach den Angaben des Opfers ihm entzogene Betrag den Polizeierhebungen zufolge, anläßlich der Festnahme der Angeklagten nicht bei diesen vorgefunden wurde (S 90 d.A), was nicht ausschließt, daß die Angeklagten den Betrag in der Zwischenzeit versteckt oder sich sonst seiner entledigt hatten oder aber der Diebstahl mißlungen war, weil das schwer alkoholisierte Opfer gar nicht mehr in Besitz des Geldes gewesen war, stellt kein in den Verfahrensergebnissen begründetes Substrat dar, welches irgendeinen Anhaltspunkt für eine freiwillige, dh ausschließlich aus eigenem Antrieb und aus freien Stücken erfolgte Abstandnahme von der Tatausführung entweder durch beide Täter oder aber, bei bloßem Rücktritt nur eines der beiden Beteiligten, für eine durch diesen bewirkte freiwillige Verhinderung der Tatausführung des anderen Beteiligten bzw eine freiwillige Erfolgsabwendung (§ 16 Abs 1 StGB) bietet, noch weniger für ein, in Unkenntnis des Beschwerdeführers von einer ohne sein Zutun unterbliebenen Ausführung oder einem Erfolgseintritt geschehenes, freiwilliges und ernstliches Bemühen des Beschwerdeführers, die Ausführung zu verhindern oder den Erfolg abzuwenden (§ 16 Abs 2 StGB).

Ist die reklamierte Fragestellung aber zu Recht unterblieben, dann liegt eine Nichtigkeit im Sinne des § 345 Abs 1 Z 6 StPO nicht vor und es geht zudem das gesamte weitere, unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO den Mangel einer Rechtsbelehrung zur, mit Recht gar nicht gestellten, Frage strafbefreienden Rücktrittes vom Versuch rügende Beschwerdevorbringen des Angeklagten Johann B ins Leere. Denn die Rechtsbelehrung hat nur die in den gestellten Fragen aufscheinenden Rechtsbegriffe zu erläutern, nicht aber andere, bezüglich deren eine Frage gar nicht gestellt wurde (Gebert-Pallin-Pfeiffer, E Nr 10-12 a zu § 345 Abs 1 Z 8 StPO). Aus den genannten Erwägungen waren daher beide Nichtigkeitsbeschwerden als zur Gänze unbegründet zu verwerfen. Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerden hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, daß das Ersturteil in Ansehung der Angeklagten Ernestine A insoweit mit einer sich zu ihrem Nachteil auswirkenden, von ihr jedoch nicht geltend gemachten Nichtigkeit (§ 345 Abs 1 Z 13 StPO) behaftet ist, als der Beginn der gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB angerechneten Vorhaft nicht, wie es richtig gewesen wäre, mit dem 18. September 1980, 1,40 Uhr (S 65, 79, 85 d.A), sondern verfehlt, mit dem 19. September 1980, 1,30 Uhr (ON 84 S 327 und ON 85 S 331 d.A) festgesetzt wurde.

In amtswegiger Wahrnehmung dieser Nichtigkeit (§§ 290 Abs 1, 344 StPO) war die Vorhaftanrechnung deshalb entsprechend zu ergänzen.

Die Angeklagten wurden nach §§ 28, 128 Abs 1 StGB zu Freiheitsstrafen, Ernestine A in der Dauer von zwei Jahren und Johann B in der Dauer von drei Jahren verurteilt. Bei der Strafbemessung wertete das Geschwornengericht bei Ernestine A als erschwerend die Vorstrafen mit Eignung der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 Abs 1 StGB sowie die Wiederholung, als mildernd das Geständnis zu Punkt I des Schuldspruches und den Umstand, daß es bei Punkt III beim Versuch geblieben ist, bei Johann B als erschwerend die Vorstrafen mit Eignung der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 Abs 1 StGB bezüglich beider Delikte sowie die Begehung verschiedener strafbarer Handlungen, als mildernd das Geständnis zu Punkt II und den Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist zu Punkt III des Urteils.

Beide Angeklagte begehren mit ihren Berufungen eine Herabsetzung der Strafen.

Das Geschwornengericht hat die Strafbemessungsgründe richtig erfaßt und gewertet. So hat es insbesondere die vom Angeklagten B ins Treffen geführte Milderungsgründe ohnehin berücksichtigt. Von einer Verleitung der Angeklagten Ernestine A durch Franz B kann nach der Aktenlage nicht gesprochen werden. Die Enthemmung durch Alkohol ist nicht mildernd, da die durch den Rauschzustand bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit durch den Vorwurf aufgewogen wird, den der Genuß des berauschenden Mittels begründet, sodaß die Voraussetzungen nach § 35 StGB nicht vorliegen. Von einer unverschuldeten Notlage ist bei der arbeitsfähigen Ernestine A keine Rede. Bei einem Bedrängnisdiebstahl kann auch die Gelegenheit zum Diebstahl nicht als mildernd herangezogen werden, weil das Gesetz eben die durch die Hilflosigkeit des Opfers begründete leichte Gelegenheit einen Diebstahl zu begehen wegen des höheren Unrechtsgehaltes als qualifizierenden Umstand wertet. Da bei beiden Angeklagten die Voraussetzungen des § 39 StGB vorliegen, ist unter Berücksichtigung des durch die Umstände der Tat begründeten höheren Verschuldensgrades die Strafen nicht überhöht.

Es war somit beiden Berufungen der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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