OGH 10Os15/81

OGH10Os15/8121.7.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Juli 1981

durch den 10. Senat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich sowie in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Bernardini, Dr. Kral und Dr. Hörburger als Richter unter Beiziehung des Richteramtsanwärters Dr. Fuchs als Schriftführer in der Strafsache gegen Harald A wegen des Vergehens nach § 1 Abs 1

lit a und c PornG. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 21. Oktober 1980, GZ. 1 b Vr 1739/79-13, nach öffentlicher Verhandlung - Vortrag des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Waldeck und des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob - zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Harald A des Vergehens nach § 1 Abs 1 lit a und c PornG. schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 4. Dezember 1979

in Wien in gewinnsüchtiger Absicht insgesamt neun (im Tenor näher bezeichnete) unzüchtige Magazine und Filme (in einem von ihm betriebenen Sex-Shop) zum Zweck der Verbreitung vorrätig hielt und anderen anbot.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z. 5, 9 lit a und 9 lit b StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.

Als unzureichend begründet (Z. 5) und - der Sache nach jedoch ausschließlich - als rechtlich verfehlt (Z. 9 lit a) rügt der Beschwerdeführer zunächst die Urteilsannahme, daß die Tatgegenstände in exzessiv aufdringlicher und abstoßender Weise ein intensives gleichgeschlechtliches (insbesondere lesbisches) Unzuchttreiben wiedergeben, sowie ferner, daß sich das Erstgericht auf eine zusammenhanglose Beschreibung jener Darstellungen beschränke, die gleichgeschlechtliche Handlungen betreffen, ohne diese im Vergleich zu den in den Magazinen und Filmen enthaltenen heterosexuellen Darstellungen zu werten sowie insoweit ihren (qualitativen und quantitativen) 'Stellenwert' aufzuzeigen; außerdem vermißt er - damit gleichfalls eine materiellrechtliche Urteilsnichtigkeit (Z. 9 lit a) geltend machend - Feststellungen über den gesamten Inhalt der Filme und Magazine sowie über eine propagandistische Wirkung der inkriminierten Darstellungen gleichgeschlechtlicher Unzucht, deren rechtliche Beurteilung als sogenannte 'harte' Pornographie er damit (und auch aus anderen Gründen) in Zweifel zieht.

Keiner dieser Beschwerdeeinwände ist berechtigt.

Der (normativ-wertenden) rechtlichen Beurteilung der nach den Urteilsfeststellungen in den inkriminierten Filmen und Magazinen enthaltenen Darstellungen homosexueller Betätigung durch das Erstgericht als exzessiv aufdringliche und (für einen im mitteleuropäischen Kulturkreis sozial integrierten Durchschnittsmenschen) abstoßende Wiedergabe intensiven gleichgeschlechtlichen Unzuchttreibens ist beizupflichten. Eine nähere Erläuterung des allgemein verständlichen Begriffs 'abstoßend' war dabei ebensowenig erforderlich wie eine Begründung für den damit charakterisierten Eindruck der Abscheu und des Widerwillens, dessen Ursachen als innere Vorgänge nicht restlos analysierbar sind und dementsprechend auch gar nicht mit der für eine Überprüfung und Nachvollziehung im Rechtsmittelverfahren notwendigen Exaktheit in Worte gefaßt werden könnten, deren Ergebnis aber nichtsdestoweniger eben deshalb, weil es dabei um eine normativ-wertende Beurteilung geht, ohnedies der rechtlichen Kontrolle durch die zweite Instanz zugänglich ist.

Daß es sich beim Massieren des Geschlechtsteils und der Brüste einer Frau durch eine andere nicht bloß um flüchtige Berührungen und demzufolge um intensive lesbische Betätigungen in der Bedeutung eines 'Unzucht-Treibens' handelt, liegt - dem eine derartige Darstellung betreffenden Beschwerdeeinwand zuwider - auf der Hand; welche gleichgeschlechtlichen Szenen auf sechs Seiten des Magazins 'Teenager Erotics Nr. 1' (insoweit) 'nicht ganz eindeutig' sein sollten, ist der Rechtsrüge nicht zu entnehmen. Einer zwischen den homosexuellen und den heterosexuellen Darstellungen in den einzelnen Filmen sowie Magazinen qualitativ und quantitativ vergleichenden Wertung bedurfte es nicht, darauf bezogene Feststellungen waren daher entbehrlich; genug daran, daß den inkriminierten Darstellungen gleichgeschlechtlicher Unzucht - wie hier mit Recht angenommen wurde

-

jeweils, also auch bei der Wiedergabe von 'Gruppensex' s mit geschlechtlichen Betätigungen beiderlei Art, ein entsprechender Auffälligkeitswert zukommt (vgl. EvBl. 1979/231 = ÖJZ-LSK 1979/284 u.a.).

Verfehlt sind ferner die Einwände des Beschwerdeführers gegen die Urteilsannahme, daß die inkriminierten Filme jeglichen über die Wiedergabe sexueller Betätigungen aller (also auch gleichgeschlechtlicher) Art hinausgehenden Gedankeninhalt vermissen lassen: durch das Beschwerdeargument, die lesbische Unzucht im Film 'Feuchte Spalten - Blaue Bohnen' sei in den 'Rahmen' einer Kriminalhandlung eingebunden, wird ja die Richtigkeit der (im übrigen schon durch den Titel dieses Films sehr deutlich gestützten) Auffassung des Schöffengerichts, daß die Unzuchtshandlungen den eigentlichen Mittelpunkt des Geschehens bilden und daß es sich dementsprechend bei ihrer Wiedergabe bloß um eine auf sich selbst reduzierte und von natürlichen Zusammenhängen mit anderen Lebensäußerungen losgelöste, anreißerisch verzerrte Darstellung von Unzuchtsakten handelt, geradezu bestätigt; die Notwendigkeit von Feststellungen über den gesamten Inhalt der verfahrensgegenständlichen Filme vermag demnach der Angeklagte damit ebensowenig aufzuzeigen wie mit dem ganz allgemeinen Hinweis darauf, daß in anderen (unbeanstandet gebliebenen) Filmen (umgekehrt) die Darbietung gleichgeschlechtlicher Handlungen sehr häufig durch den Geschehensablauf motiviert sei, mit dem er derartige Zusammenhänge in den hier zu beurteilenden konkreten Filmen gar nicht behauptet. Soweit er sich aus diesem Anlaß darüber beschwert, daß die Filme in der Hauptverhandlung nur teilweise vorgeführt wurden, macht er der Sache nach einen Verfahrensmangel geltend, der aber schon deshalb keine Urteilsnichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z. 4 StPO.) zur Folge haben könnte,weil der Beschwerdeführer dem nunmehr gerügten Vorgang ausdrücklich zugestimmt und demgemäß keinen auf die vollständige Vorführung der Filme abzielenden (und vom Erstgericht abgewiesenen oder unerledigt gelassenen) Antrag gestellt hat.

Der Beurteilung der solcherart pornographischen Darstellungen von Unzuchtsakten mit Personen desselben Geschlechts als 'absolut' (generell), also ohne Rücksicht auf den Konsumentenkreis, unzüchtig im Sinn des § 1 PornG. schließlich ist, einem weiteren Beschwerdeeinwand zuwider, gleichfalls rechtsrichtig. Eine propagandistische Wirkung derartiger Darstellungen ist dazu nach der Entscheidung eines verstärkten Senats des Obersten Gerichtshofes vom 24. November 1980 (RZ 1981/20, EvBl. 1981/52), auf deren Begründung zu verweisen hier im wesentlichen ausreicht, nicht erforderlich;

die vom Beschwerdeführer behauptete 'sozialregulative Funktion' homosexueller Betätigung hat im Interesse der bestehenden heterosexuellen Orientierung der rechtlich geordneten Gesellschaft im Gesetz jedenfalls nicht dahin Niederschlag gefunden, daß dadurch die (allerdings nur) eingeschränkte Strafbarkeit gleichgeschlechtlicher Unzucht (§§ 209, 210 StGB.) oder das Verbot ihrer Propagierung (§ 220 StGB.) und damit der für die Beurteilung als 'absolut' unzüchtig maßgebende grobe Stärwert pornographischer Darstellungen derartiger Unzucht in Frage gestellt worden wäre. Als nicht stichhältig erweist sich die Beschwerde auch insoweit, als der Angeklagte damit, zum Teil im Rahmen einer Rechtsrüge (Z. 9 lit b), in Ansehung der Feststellungen zur inneren Tatseite des § 1 PornG.

der Sache nach eine Unvollständigkeit des Urteils (Z. 5) behauptet. Denn seine ursprüngliche Verantwortung, er habe den Inhalt der beschlagnahmten Filme und Magazine nicht gekannt, weil er jene nicht kontrolliert habe, sah das Erstgericht auf Grund seiner eigenen (teilweise widersprüchlichen) Darstellung in den verschiedenen Verfahrensstadien (mängelfrei) als widerlegt an; war es aber schon dadurch zur Überzeugung gelangt, daß er die ihm oblegene Kontrolle tatsächlich (doch) durchgeführt und dabei den unzüchtigen Inhalt der von ihm vorrätig gehaltenen und anderen angebotenen Gegenstände erkannt hat, dann waren Erwägungen über die (sohin bloß theoretische) Möglichkeit eines Versehens bei der Kontrolle - im Hinblick auf die (angeblich nur heterosexuellen) Darstellungen auf den Umschlaghüllen der Filme, auf den relativ geringen Umfang der Wiedergabe gleichgeschlechtlicher Unzuchtsakte im Verhältnis zur Darstellung heterosexueller Unzucht in den inkriminierten Magazinen und auf die relativ kleine Menge der beanstandeten Artikel im Vergleich zum gesamten Warenangebot - ebenso entbehrlich wie eine Erörterung der (demnach unaktuellen) Frage, ob er sich auf eine Überprüfung der von ihm nicht kontrollierten Ware durch seinen Verkäufer B hätte verlassen dürfen oder nicht.

Die Annahme einer mangelnden Strafwürdigkeit der Tat im Sinn des § 42 StGB. schließlich kam schon mangels eines erheblichen Zurückbleibens des tatbildmäßigen Verhaltens des Angeklagten hinter dem in der Strafdrohung des § 1 PornG. typisierten Unrechts- und Schuldgehalt, sodaß von einer geringen Schuld (Abs 1 Z.1) nicht gesprochen werden kann, sowie unter Bedacht darauf, daß er durch die Tat für ihn weiterhin aktuelle berufliche Obliegenheiten verletzt hat, auch aus Gründen der Spezialprävention (Abs 1 Z. 3) nicht in Betracht; die insoweit reklamierte Urteilsnichtigkeit (Z. 9 lit b) liegt demnach gleichfalls nicht vor.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 1 Abs 2 PornG., § 37 StGB. zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 (vierzig) Tagessätzen zu je 200 (zweihundert) S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 20 (zwanzig) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe. Dabei wertete es seinen bisher ordentlichen Lebenswandel und die Sicherstellung der Tatgegenstände als mildernd, hingegen keinen Umstand als erschwerend.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze - deren Höhe ausdrücklich unbekämpft bleibt - und die Gewährung beeingter Strafnachsicht an, indessen zu Unrecht. Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig festgestellt sowie zutreffend gewürdigt; nach den Urteilsfeststellungen wird dem Angeklagten keineswegs ein bloßer Aufmerksamkeitsfehler bei der Warenkontrolle angelastet, sodaß von den behaupteten Umständen, die seiner Auffassung nach einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekämen, schon darum keine Rede sein kann.

Die festgesetzte Anzahl der Tagessätze wird darnach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB.) durchaus gerecht. Die Gewährung bedingter Strafnachsicht aber kam im Interesse einer spezialpräventiven Effizienz der in concreto verhängten Geldstrafe (§ 43 Abs 1 StGB.) nicht in Betracht.

Auch der Berufung mußte demnach ein Erfolg versagt bleiben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte